Friedrichs Bildungsblog

Bilanz zur Halbzeit: Starke Strukturen für Bildung und Forschung

Zweifellos kann man von einem holprigen und unambitionierten Start sprechen, wenn ein Ressort ein geschlagenes Jahr ohne eine eigene Kabinettsvorlage bleibt.

Bild: Oliver Kaczmarek MdB von Oliver Kaczmarek

Wenn die SPD nach der Hälfte der Wahlperiode für das Kapitel Bildung und Forschung des Koalitionsvertrags dennoch eine zufriedenstellende Bilanz zieht, ist das auf zwei andere Dinge zurückzuführen: zum einen war der Koalitionsvertrag mit seinen ambitionierten Vorhaben in der Bildungs- und Forschungspolitik eine sehr gute Handlungsanleitung. Zum anderen ist es gelungen, die umgesetzten Vorhaben sozialdemokratisch zu akzentuieren und deutlich über den Rahmen des Vertrags auszuweiten. Drei Entscheidungen waren strukturbildend als Grundlage für ein neues Jahrzehnt in der Bildungs- und Forschungspolitik.

Die Änderung des Grundgesetzes zur Aufhebung des Kooperationsverbots und für gemeinsame Investitionen in die Bildungsinfrastruktur von Bund und Ländern hat die Tür geöffnet für eine neue Phase von kooperativem Bildungsföderalismus. Dies belegt der Digitalpakt Schule mit über fünf Milliarden Euro Investitionen. Dank des beherzten Eingreifens von Bundesfinanzminister Olaf Scholz wurde das Geld bereitgestellt. Es macht aus bildungspolitischer Sicht einen Unterschied, ob ein Sozialdemokrat das Geld des Bundes verteilt. Denn dann kommt es in der Bildung an.

Aufwachsende Rahmenbedingungen für Forschung und Lehre

Die dauerhafte Verstetigung von Zukunftsvertrag Studium und Lehre, Pakt für Forschung und Innovation sowie Qualitätspakt Lehre hat planbare und aufwachsende Rahmenbedingungen für Forschung und Lehre in Deutschland auf europaweit einzigartige Weise für ein Jahrzehnt gefestigt. Gegen den entschiedenen Willen des Koalitionspartners hat die SPD in Bund und Ländern gemeinsam dafür gesorgt, dass der Zukunftsvertrag ab 2023 um 125 Millionen Euro pro Jahr anwächst. Auch bei der Novelle des BAföG hat die SPD einen planbaren Aufwuchs durchgesetzt. Statt der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Milliarde Euro, wurde die Novelle am Ende 1,3 Milliarden Euro schwer.

Zuletzt wurde nach monatelangem Ressorthickhack das Berufsbildungsgesetz verabschiedet. Neben der Aufwertung des Lernortes Berufsschule und des ehrenamtlichen Prüfungswesens wurde insbesondere die aufwachsende Mindestausbildungsvergütung Anfang 2020 eingeführt. Damit wurde ein Gesetz geschaffen, das tatsächlich die Attraktivität der beruflichen Bildung stärkt. Es sind erste Schritte in Richtung echter Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. Als nächster Schritt wird mit der Novelle des Aufstiegs-BAföG der Weg zur Gleichwertigkeit weiter beschritten.

Der Blick zurück stellt zufrieden. Wer politisch gestalten will, muss den Blick aber nach vorne richten. Aufbauend auf dem Koalitionsvertrag ist die SPD in der Regierungsverantwortung gefordert, Bildung und Forschung aus sozialdemokratischer Sicht einen weiteren Schritt nach vorne zu bringen.

Rechtsanspruch auf Ganztag in der Grundschule

Die nächste strukturbildende Entscheidung wird die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf ganztägige Bildung und Betreuung im Grundschulbereich sein. Die Regierung hat jetzt drei Aufgaben zu lösen: Wie wird eine angemessene Kostenbeteiligung von Bund und Ländern über das Ende dieser Wahlperiode hinaus sichergestellt? Wie wird ein qualitativ ansprechendes und bildungspolitisch notwendiges Ganztagsangebot gestaltet? Wie wird der Fachkräftebedarf hierfür sichergestellt?

Der nationale Bildungsrat wurde von einer schwarz-grünen Verhinderungsallianz blockiert. Die SPD hingegen war in den Verhandlungen stets geschlossen. Wir brauchen jetzt keine neue Föderalismuskommission, sondern einen Ort wo wir die dringenden Fragen der Bildungspolitik gemeinsam mit allen Akteuren diskutieren können. Die Bürgerinnen und Bürger wünschen sich zurecht mehr Vergleichbarkeit und gemeinsame Standards, und zwar nicht nur in der Schule, sondern entlang der gesamten Bildungskette. Der letzte, dem das erfolgreich gelungen ist, war Johannes Rau. An seine Rau-Kommission „Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft“ lohnt es sich heute anzuknüpfen. Sie hat für viele Jahre die Bildungspolitik in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus geprägt.

Faire Arbeitsbedingungen und verbesserte Qualifikationen in der Wissenschaft

Dauerthema der Wissenschaftspolitik bleibt es, faire Arbeitsbedingungen zu gestalten. Die Verstetigung der Pakte war notwendig für mehr unbefristete Beschäftigungsverhältnisse an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, aber nicht hinreichend. Länder und Hochschulen müssen verbindlich zusagen, faire Beschäftigungsbedingungen zu schaffen. Mit dauerhaft verstetigten und aufwachsenden Mitteln ist die Basis von Bund und Ländern gelegt. Jetzt müssen die Hochschulen liefern. Die Pläne mancher Bundesländer, die Mittel im wettbewerblichen Verfahren zu vergeben, stellt für die SPD einen klaren Bruch der gemeinsamen Vereinbarung von Bund und Ländern dar. Auf Basis des ersten Konsultationsverfahrens werden wir im Bundestag darüber sprechen, wo die Bundesregierung gefordert ist nachzusteuern.

Wir sollten in den nächsten Jahren dafür kämpfen, dass die Qualifikationsphase in der Wissenschaft deutlich verbessert wird. Um zukünftig die Besten eines Jahrgangs für die Promotion zu gewinnen, braucht es auskömmliche Arbeitsverhältnisse. Wir wollen die Abkehr von Praktikumsverhältnissen oder Teilzeitbeschäftigung. Die Bundesförderung soll sich zukünftig daran orientieren, volle 100%-Stellen für Promovierende zu fördern.

Ebenso stehen wir vor der Herausforderungen die neue Kooperation von Bund und Ländern für die Bildung weiter mit Leben zu füllen. Mit seinen Investitionsmöglichkeiten kann der Bund die Länder strukturbildend unterstützen. Wir wollen, dass sich insbesondere Schulen und Kindertagesstätten zu Familienzentren entwickeln, die im Nahraum sozial- und familienpolitische Leistungen neu bündeln. So entstehen inklusive, offene Orte für gute Bildung.

Die SPD hat in der Koalition viel Gutes für Bildung und Forschung durchsetzen können. Für die nächsten zwei Jahre gibt es gute Projekte, für deren Umsetzung es sich lohnt zu arbeiten. Die SPD geht mit ambitionierten bildungs- und forschungspolitischen Vorhaben in die zweite Hälfte der Wahlperiode und darüber hinaus.

 

Oliver Kaczmarek MdB ist Sprecher für Bildung und Forschung der SPD-Bundestagsfraktion und Beauftragter des SPD-Parteivorstands für Bildung



Über diesen Bildungsblog

Friedrichs Bildungsblog ist der bildungspolitische Blog der Friedrich-Ebert-Stiftung. Friedrich Ebert ist nicht nur Namensgeber der Stiftung.

Sein Lebensweg vom Sattler und Sohn eines Schneiders zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Deutschlands steht für Aufstieg durch Bildung.

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Katja Irle, Redaktionelle Betreuung des Blogs, Bildungs- und Wissenschaftsjournalistin 

Lena Bülow, Team Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

Florian Dähne, Leiter Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

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