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Friedrichs Bildungsblog

Bildung im 21. Jahrhundert: Kompetenzanforderungen in der Beruflichen Bildung im Kontext von Transformation und digitalem Wandel

Die Frage, was Schüler_innen im 21. Jahrhundert lernen müssen, lässt sich in einer Zeit, die sich inmitten eines komplexen digitalen Veränderungsprozesses befindet, nicht leicht beantworten. Im Folgenden soll ein Blick auf die Herausforderungen der dualen Ausbildung in der Metall- und Elektroindustrie geworfen werden.

Bild: Katya Knapp (© IGM)

 

Gerade die duale Ausbildung ist für viele junge Menschen der erste Schritt in die Berufstätigkeit. Daher stellt sich die Frage, welche Kompetenzen Auszubildende künftiger Jahrgänge idealiter im Übergang von der Schule in die Ausbildung mitbringen sollten.

 

Die Arbeitswelt verändert sich rasant. Transformation und digitaler Wandel sind beispielsweise in der Automobilindustrie oder im Maschinen- und Anlagenbau längst Realität. Im Hinblick auf die Automobilindustrie lässt sich konstatieren, dass die Automatisierung insbesondere in der Großserienproduktion zunimmt. Entsprechend gibt es bereits bei Automobilherstellern vollautomatisierte Fertigungsprozesse, bei denen der Mensch nicht mehr Teil der aktiven Produktion, sondern vielmehr zuständig für die Steuerung der Produktion ist (Fraunhofer Whitepaper siehe Literatur-Angabe).

Die Transformation hin zu einer digitalisierten, selbstgesteuerten Industrie erfordert neue Kompetenzen und verändert die Berufsbilder.

 

Ein Praxisbeispiel soll dies verdeutlichen: Bei einem Workshop der IG Metall zur Digitalisierung von Arbeitsbereichen berichtete 2018 ein Instandhalter eines Sanitärarmaturenherstellers, dass er noch zehn Jahre zuvor als wichtigstes Arbeitsequipment seinen Werkzeugkoffer brauchte. Inzwischen sei dieser abgelöst von einem Tablet. Mehr würde zur Instandhaltung der Maschinen- und Anlagen nicht mehr benötigt, da er die Maschine nur noch dazu programmiere, sich selbst zu reparieren. Solche massiven Veränderungen der Berufsbilder haben schließlich auch signifikante Auswirkungen auf die Lehr- und Lerninhalte der dualen Ausbildung.

 

Die Ausbildung wird zunehmend komplexer: neben dem berufsrelevanten Fachwissen, das beispielsweise ein_e Industrieelektroniker_in benötigt, kommen Fähigkeiten hinzu, in komplexen, datenbasierten Systemumwelten eigenständig und problemlösungsorientiert zu arbeiten. Das führt zu einer Verschiebung der Anforderungen. Die Dynamik, in der sich Fachwissen verändert und auch veraltet, fordert in steigendem Maße Kompetenzen der Kombination, der Transformation und des Transfers (Dietl / Hennecke 2019: 24). Die Praxis lehrt: Technologien, die Auszubildende im ersten Ausbildungsjahr lernen, sind quasi überholt, wenn sie dreieinhalb Jahre später ihre Prüfung machen.

 

Welche Kompetenzen sind also im 21. Jahrhundert wichtig?

 

Wie bereits skizzenhaft dargestellt, ist digitale Transformation mehr als nur die Installation einer Software oder das Arbeiten mit digitalen Endgeräten. Sie kennzeichnet grob formuliert den Übergang der ehemals durch analoge Technologien geprägten Arbeitswelt in das Zeitalter der digital vernetzten Arbeitssysteme und Geschäftsmodelle.

Im Hinblick auf die Entwicklung (neuer) zukunftsfähiger Kompetenzen bedeutet dies pointiert ausgedrückt, dass Auszubildende von heute bereits umfassende Digitalkompetenzen entwickeln müssen. Darunter verstehe ich eine Mischung aus Fachkompetenzen, sozialen, kommunikativen und interkulturellen Kompetenzen, ebenso persönliche wie organisatorische, sprachliche und auch Präsentations-Kompetenzen.

 

Dies wird noch einmal deutlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, dass in der klassischen Unternehmensorganisation die Funktionsbereiche ‚Einkauf‘, ‚Fertigung‘, ‚Logistik‘, ‚Vertrieb‘, ‚Marketing‘, ‚Finanzen‘ und ‚IT‘ relativ klar getrennt voneinander waren. In einer Industrie 4.0 sind diese Bereiche hingegen stark miteinander verzahnt, wodurch auch Kollaboration und Interdisziplinarität die Arbeit 4.0 prägen.

 

Entwicklung von Digitalkompetenzen in der Ausbildungspraxis

 

Anhand eines Beispiels aus der Praxis soll im Folgenden verdeutlicht werden, wie in der dualen Ausbildung versucht wird, an die genannten Kompetenzen heranzuführen und Herausforderungen zu vermitteln.

 

Im Allgemeinen ist es in der dualen Ausbildung der Metall- und Elektroindustrie üblich, dass Auszubildende ein Projekt durchführen - je nach Unternehmen in Einzel- oder Gruppenarbeit. Die Projekte sind nach dem Modell der vollständigen Handlung ausgerichtet und bilden die Lernphasen ‚Informieren, Planen, Entscheiden, Durchführen, Kontrollieren und Auswerten‘ ab (Forum für AusbilderInnen 2021). Innerhalb eines solchen Projekts gilt es, eine von Ausbilder_innen vorgegebene Aufgabe zu erarbeiten, die mal mehr, mal weniger Kreativität und Exploration zulässt.

 

In einer dualen Ausbildung, die zukunftsorientiert ausgerichtet ist, gehen die Anforderungen an die Projektarbeit noch einen Schritt weiter und beziehen Kollaboration und Interdisziplinarität mit ein. Insbesondere große Unternehmen, die eine Vielzahl an unterschiedlichen Ausbildungsplätzen und auch dualen Studiengängen anbieten, verfügen über die Möglichkeit, in ihren Ausbildungszentren komplexe Großprojekte von Auszubildenden durchführen zu lassen. Diese Projekte setzen von Anfang an auf die Eigenständigkeit und das selbstgesteuerte Lernen der Auszubildenden. Das Ausbildungspersonal konzentriert sich auf die  Lernbegleitung. Es bietet Input, orientiert und unterstützt die Lernprozesse.

 

Die Projektvorgaben stellen nur eine Richtschnur dar: Vom Ausbildungspersonal wird ein vorgegebenes (Schwerpunkt-)Thema grob skizziert. Außerdem werden ein Zeitrahmen und ein Budget festgelegt, sowie einige zwingende Auflagen wie die Beachtung von berufsübergreifender Teamarbeit innerhalb des Projekts. 

 

Was entwickelt wird, entscheiden die Auszubildenden. In einem ersten Schritt bilden sie interdisziplinäre Teams, so dass die verschiedenen Berufsgruppen, die das Unternehmen ausbildet, zusammenarbeiten wie Industriekaufleute, Industriemechaniker_innen, Produktdesigner_innen, Mechatroniker_innen und Fachinformatiker_innen. Ein solches Team entwickelt und erarbeitet ein Produkt, einen Lösungsansatz für ein Problem oder ähnliches, das das Fachwissen aller Berufsbilder wiedergibt und ein Verständnis für Prozessabläufe entstehen lässt. Es plant, konzeptioniert und führt das Projekt eigenständig aus. Das Team dokumentiert das Projekt und präsentiert es nach Fertigstellung. Neben der schriftlichen Dokumentation kann auch eine in Form eines selbst gedrehten Videos erfolgen. Auf youtube ist ein Video zu sehen, das ein spannendes Projekt der Auszubildenden von Trumpf am Standort Ditzingen zeigt. Das Projekt heißt: Wenn Maschinen musizieren: https://www.youtube.com/watch?v=wJSCVrQpF3Y

 

In dem Video wird auf anschauliche Weise dargestellt, wie es den Auszubildenden gelungen ist, Musikinstrumente so mit Maschinen zu verbinden, dass die Maschinen selbst die Instrumente spielen. Gerade dieses Projekt ist ein gutes Beispiel für das Erlernen von Digitalkompetenzen, von prozessualen Abläufen, von abstrakten kognitiven Transferleistungen und von Kollaboration.

 

Wie kann Schule junge Menschen für die Arbeit von heute und morgen vorbereiten?

 

Das Beispiel zeigt, wie sich Kompetenzanforderungen verschieben. Fähigkeiten wie eigenverantwortliches und selbstgesteuertes Lernen, ein kompetenter Umgang mit Medien und Daten, des kollaborierenden Zusammenarbeitens sowie des Netzwerkens gewinnen signifikant an Bedeutung.

 

Soweit noch nicht geschehen, kann Schule junge Menschen schon heute an diese Fähigkeiten heranführen. Unterrichtsfächer sollten den zielorientierten Umgang mit digitalen Medien (Hard- und Software) verstärkt integrieren, um bei jungen Menschen die Medienkompetenz zu fördern und zu fordern.

 

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Digitalisierung vor allem Daten generiert, kann das komplexe Feld der Daten gar nicht früh genug jungen Menschen nahegebracht werden. Im Bereich fachlicher Kompetenzen könnte also auch ein Unterrichtsfach sinnvoll sein, das sich genuin dem Umgang mit Daten widmet: Beziehungen von Daten, Datenschutz und Datensicherheit. Unter solchen Voraussetzungen kann sich Datenkompetenz frühzeitig entwickeln.

 

Lernortkooperationen und Projektarbeit mit anderen Schulen, Schulformen und z.B. Ausbildungsunternehmen oder überbetrieblichen Ausbildungsstätten könnten schon in der Schule oben genannte Digitalkompetenzen und die Fähigkeit, interdisziplinär und kollaborativ zusammenzuarbeiten, herausbilden und fördern.

 

Mit den Anforderungen an die duale Ausbildung verändert sich auch die Rolle des Ausbildungspersonals von Führenden und Lenkenden hin zu Lernprozessbegleitenden (Zur Rolle der Ausbilder_innen als Lernprozessbegleiter_innen siehe Dietl/Hennecke 2019: 186 ff.). Schlussendlich sei an dieser Stelle vorgeschlagen, dass es sicherlich sinnvoll ist, wenn auch Lehrkräfte sich zunehmend als Lernprozessbegleitende verstehen.

 

Mit der Förderung von selbstständigem Lernen, von Medien- und Datenkompetenz, von Lernortkooperationen und Projektarbeit sowie der Rolle von Lehrkräften als Lernprozessbegleitenden wurden einige Schlaglichter aufgeworfen, wie Schule junge Menschen auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorbereiten kann. Dies sind nur einige wenige Trends, die sich abgeleitet bereits im Rahmen der dualen Ausbildung abzeichnen. Die wohl wichtigste Kompetenz, die uns Transformation und digitaler Wandel abverlangen, ist die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen.

 

Katya Knapp ist Gewerkschaftssekretärin bei der IG Metall Bezirksleitung Baden-Württemberg und zuständig für Berufliche Bildung und das Projekt IT:D - Digitalisierung in der Berufsbildung

 

 

Literatur:

 

Berufsbildungsportal der IG Metall:

https://wap.igmetall.de/

 

Dietl, Stefan F. / Markus Hennecke (Hrsg.): Ausbildung 4.0. Digitale Transformation in der Berufsausbildung gestalten und nutzen, [Haufe] 2019

 

Forum für Ausbilder_innen / Bundesinstitut für Berufsbildung:

https://www.foraus.de/de/themen/foraus_109495.php

 

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IP: Whitepaper „Eine Branche Im Umbruch – Den technologischen Wandel in der Automobilindustrie gestalten“:

https://www.ipt.fraunhofer.de/content/dam/ipt/de/documents/whitepaper/Whitepaper-Eine-Branche-im-Umbruch-Automobil.pdf

 

 

 

 

 

 



Über diesen Bildungsblog

Friedrichs Bildungsblog ist der bildungspolitische Blog der Friedrich-Ebert-Stiftung. Friedrich Ebert ist nicht nur Namensgeber der Stiftung.

Sein Lebensweg vom Sattler und Sohn eines Schneiders zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Deutschlands steht für Aufstieg durch Bildung.

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Katja Irle, Redaktionelle Betreuung des Blogs, Bildungs- und Wissenschaftsjournalistin 

Lena Bülow, Team Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

Florian Dähne, Leiter Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

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