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Friedrichs Bildungsblog

Den Mund nicht nur spitzen, sondern jetzt auch pfeifen

SPD-Bildungspolitiker aus Schleswig-Holstein machen konkrete Vorschläge für eine Verbesserung der Bund-Länder-Zusammenarbeit.

Bild: E.D. Rossmann und M. Habersaat von Susie Knoll, Dietmar Wadewitz

 

Von Martin Habersaat und Ernst Dieter Rossmann

 

SPD-Bildungspolitiker aus Schleswig-Holstein machen konkrete Vorschläge für eine Verbesserung der Bund-Länder-Zusammenarbeit

Die Ankündigung von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek für einen neuen gemeinsamen Aufbruch in der Bildungspolitik von Bund und Ländern kann nur begrüßt werden. Aber das Muster ist nur leider schon allzu sehr bekannt. So wie früher der CDU-Fraktionsvorsitzende Kauder oder die CDU-Bildungsministerin Wanka jetzt also der CDU-Fraktionsvorsitzende Brinkhaus und die CDU-Ministerin Karliczek: Gegen Ende einer Legislaturperiode fordern die CDU-Spitzen, was sie hinterher dann auf die lange Bank schieben oder was dann gar aus der CDU/CSU heraus hintertrieben wird. Trotzdem: Ein weiterer Versuch ist besser als gar nichts. Für einen neuen Kurs von Weitsicht und Kooperation sollte es nie zu spät sein.

Was die Fehler waren

Mit der Grundgesetzänderung vor über 15 Jahren und der Einführung des Kooperationsverbotes in der Förderung von Schulen durch den Bund ist leider eine falsche Richtung eingeschlagen worden. Dieser schwere Fehler konnte in den letzten 15 Jahren mit immer neuen scheibchenweisen Grundgesetzänderungen nur mühsam wieder korrigiert werden. CDU und CSU haben dabei vor allen Dingen mit hinhaltendem Widerstand auf der Bremse gestanden. Die jahrelange Hängepartie um die Bundesmittel für die Digitalisierung an den Schulen in der Verantwortung von Bildungsministerin Ministerin Wanka und Finanzminister Schäuble fällt uns jetzt auf die Füße und hat wertvolle Zeit gekostet.

Auch die Art, wie wichtige Kräfte in der CDU und CSU, unterstützt von einem grünen Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg, die im Koalitionsvertrag beschlossene Einrichtung eines Nationalen Bildungsrates gezielt hintertrieben haben, hat noch einmal gezeigt: Extreme Bildungsföderalisten bei CDU und CSU und B 90/ Die Grünen wollen noch immer nicht verstehen, dass gute Bildung und Wissenschaft in Deutschland nur gemeinsam von allen staatlichen Ebenen    voran gebracht werden können. Oder die Bildungs- und Wissenschaftsrepublik Deutschland insgesamt wird scheitern.

Was gemeinsam bewirkt worden ist

Umso erfreulicher ist, dass es mit Beharrlichkeit gelungen ist, für die Länder und Kommunen wichtige Grundlagen für bessere Bildung und Wissenschaft in Deutschland gemeinsam zu legen. Auch auf  Bundesebene konnten hierfür wichtige Fortschritte erzielt werden. Mit der unbefristeten Mitfinanzierung der Hochschulen, mit den gemeinsamen Programmen für exzellente Hochschulen, die gute Lehre an den Hochschulen und die Lehrerbildung, mit milliardenschweren Zuschüssen des Bundes für die Investitionen in die kommunale Bildungsinfrastrukturen in finanzschwachen Kommunen, den Beginn des Aufbaus von Ganztagsschulen und die digitale Ertüchtigung der Schulen durch Investitionen in Infrastruktur, Endgeräte für Schüler und Lehrkräfte und Kostenzuschüsse für das Administratoren-Personal.

Das sind viele Maßnahmen im Großen, die ohne die Zusammenarbeit der drei politischen Ebenen Bund, Länder und Kommunen nicht zustande gekommen wäre. Und auch im Kleinen stellt sich der Bund seiner Verantwortung für die Bildung in Kindertagesstätten und in Schulen. So ist das Bundesbildungsministerium jetzt beispielhaft in die institutionelle Förderung für das „Haus der kleinen Forscher“ eingetreten.

Damit wird deutlich: Die Bildungskooperation wirkt, wenn alle staatlichen Ebenen zusammen nach vorne gehen. So wie es in den letzten zehn Jahren auch bei der Finanzierung von Bildung in Deutschland geschehen ist. Die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes für die letzten zehn Jahre weisen aus: Die Kommunen haben ihre Bildungsausgaben um  58 Prozent gesteigert, die Länder um gut 48 Prozent und der Bund um nicht ganz 35 Prozent, Zuständigkeit hin oder her.

Was jetzt erwartet wird

Bundesministerin Anja Karliczek will jetzt mehr Einfluss des Bundes in der Bildungspolitik. Als Zielmarke nennt sie eine Neuregelung der Zusammenarbeit für das Jahr 2024, wenn der jetzige milliardenschwere Digitalpakt des Bundes und der Länder zeitlich ausläuft.

Was wir vorschlagen

Als Bildungspolitiker von Land und Bund schlagen wir für den Beginn dieser notwendigen Diskussion, Klärung und auch konkreten Aktion sechs Punkte vor:

1) Erfolgreiche Kooperationen fortsetzen

Bund und Länder und Kommunen setzen ihre erfolgreiche Zusammenarbeit bei der Bewältigung der Corona-Krise im Bildungsbereich fort. Mit gemeinsamen Programmen für die weitere digitale Ertüchtigung der Schulen, der Hochschulen, der Absicherung der beruflichen Bildung und der Weiterbildung. Das schafft Übung im Zusammenwirken und stärkt das Vertrauen in die Zusammenarbeit.

Der Ausbau von Ganztagsschulen überall in Deutschland wird z.B. mit sich bringen, dass multiprofessionelle Teams an den Schulen arbeiten, Unterricht anders getaktet wird und Gebäude und Gelände anders aussehen müssen als bisher. Wer den ganzen Tag in der Schule verbringt, will sich nicht nur in einem Klassenraum aufhalten in dem 25 Stühle auf eine - nunmehr oder zukünftig – digitale Tafel ausgerichtet sind. Moderne Ganztagsschule mit Qualität ist ein entscheidendes Zukunftsprojekt, das nur gemeinsam von Bund, Ländern und Kommunen erfolgreich bewältigt werden kann. 

2) Gegen die Bildungsverarmung gemeinsam aktiv werden

Die Bildungslücken bei Kindern und Jugendlichen durch die vollkommene oder teilweise Schließung von Schulen und die begrenzte Teilnahmemöglichkeiten am Homeschooling werden in einem gemeinsamen Sofortprogramm angegangen. Mit Förderangeboten nach dem Bildungs- und Teilhaberecht für die Kinder und Jugendlichen in Bedarfsgemeinschaften, mit Verfügungsfonds für Schulen in besonderen sozialen Lagen und mit offenen Ferienprogrammen zum Aufholen von Ausfallzeiten an den Schulen. Die gezielte Bekämpfung von Bildungsarmut von Kindern muss auch unabhängig von Corona eine Kernaufgabe der Bildungspolitik werden. Bund und Länder schaffen hierfür im engen Zusammenwirken mit den Kommunen eine gemeinsame Finanzierung. Der Königsteiner Schlüssel muss hierfür durch eine aufgabengerechte Verteilung der Mittel abgelöst werden.

3) Eine Bund-Länder-Kommunen-Kommission bei der KMK

Bei der Kultusministerkonferenz wird eine gemeinsame Kommission mit Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen eingerichtet, die Empfehlungen für Zukunftsaufgaben im Bildungswesen erarbeitet, an denen sich Bund, Länder und Kommunen dann für die weitere Zusammenarbeit orientieren können. Damit kann im engen Austausch mit der „Ständigen wissenschaftlichen Kommission“, die aktuell bei der KMK berufen wird, eine wissenschaftlich wie politisch fundierte gesamtstaatliche Bildungsstrategie entwickelt werden.

4) Gemeinsame Bildungsprogramme für Integration, Inklusion und gleiche Bildungschancen

Für Integration, Inklusion und die Entkopplung von Bildungserfolg und sozialer Herkunft sind zügig gemeinsame Zukunftsprogramme von Bund , Ländern und Kommunen zu entwickeln, die sich an den jetzigen verfassungsrechtlichen Möglichkeiten entsprechend der Förderung von Schulen in besonderen sozialen Lagen bzw. dem Hochbegabten-Programm orientieren, um die Bildungs-Innovation in Deutschland zu befördern.  In Deutschland ist die Umsetzung der UN – Charta zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung auch für den Bildungsbereich umzusetzen. Bund, Länder und Kommunen stehen hier gemeinsam in der der Pflicht.

5) Das Grundgesetz ändern für mehr Möglichkeiten

Es müssen mehr Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Förderung von Bildung geschaffen werden, von der schulischen Bildung bis zur Weiterbildung. Hierzu ist der Artikel 91 b des Grundgesetzes möglichst schnell so zu ändern, dass wieder Bund-Länder-Programme in allen Bereichen des Bildungswesens zulässig sind.

6) Grundsätzliche Evaluation der Instrumente der Bund-Länder-Zusammenarbeit

Bund und Länder evaluieren den jetzigen Gesamtzustand ihrer inhaltlichen, finanziellen und organisatorischen Kooperation mit Hinblick auf die Entwicklung und Finanzierung von Infrastruktur und Betrieb von Bildung und Wissenschaft in Deutschland. Diese Evaluation hat möglichst zügig zu erfolgen, damit die Ergebnisse zu Beginn der nächsten Legislaturperiode vorliegen und dann eine umfassende Reform der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen für mehr Chancengleichheit und Bildungsqualität, für mehr Innovation in das Bildungssystem und mehr Gleichwertigkeit in allen Teilen des Landes erreicht werden kann.

 

Martin Habersaat ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein und ihr bildungspolitischer Sprecher.

Dr. Ernst Dieter Rossmann ist Bundestagsabgeordneter der SPD und Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung



Über diesen Bildungsblog

Friedrichs Bildungsblog ist der bildungspolitische Blog der Friedrich-Ebert-Stiftung. Friedrich Ebert ist nicht nur Namensgeber der Stiftung.

Sein Lebensweg vom Sattler und Sohn eines Schneiders zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Deutschlands steht für Aufstieg durch Bildung.

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Katja Irle, Redaktionelle Betreuung des Blogs, Bildungs- und Wissenschaftsjournalistin 

Lena Bülow, Team Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

Florian Dähne, Leiter Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

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