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Friedrichs Bildungsblog

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„Es ist enorm, wie sich Schulen und Lehrer jetzt einbringen.“

Prof. Dr. Birgit Eickelmann spricht im Interview über die Auswirkungen der Corona-Krise und der Schulschließungen auf den Schulbetrieb und das digitale Lernen.

Bild: Prof. Dr. Birgit Eickelmann von LVR-ZMB, Alexandra Kaschirina

Das Engagement von Schulen und Lehrern sei enorm, sagt die Schulpädagogin und Expertin für digitale Bildung. Langfristig brauche es aber flächendeckende und nachhaltige Lösungen. Gerade jetzt sei außerdem darauf zu achten, dass die Bildungsschere nicht weiter auseinandergeht.

Friedrichs Bildungsblog: Die Schulschließungen in ganz Deutschland stellen eine riesige Herausforderung dar. Digitale Bildung ist jetzt das Gebot der Stunde, um den Schulbetrieb fortzuführen. Sind Deutschlands Schulen in der Fläche darauf vorbereitet?

Birgit Eickelmann: In dem Ausmaß und der Tragweite, die wir derzeit erleben, kann niemand sagen, dass er auf diese Situation vorbereitet gewesen wäre. Daher ist es enorm, mit wie viel Engagement sich die Schulen und die Lehrkräfte jetzt einbringen. Man muss ja immer bedenken, dass jede und jeder Einzelne im System auch im privaten Kontext nun auf Herausforderungen stößt. Und den Schülerinnen und Schülern in dieser Situation eine Struktur bereitzustellen und zu sehen, dass alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, ist auch für mich als Mutter einer schulpflichtigen Tochter sehr beeindruckend.

Aufgrund der sehr unterschiedlichen Ausgangssituationen in den Schulen, was den Stand der ‚digitalen Bildung‘ angeht, werden derzeit sehr unterschiedliche Ansätze aus dem Engagement der Schulen herausgefahren. Hier wünsche ich mir dringend flächendeckende Ansätze, Angebote, Strukturen. Es geht um digitale Infrastruktur und digitale Lerninhalte. Da wissen wir, nicht zuletzt aus der ICILS-2018-Studie, dass wir hier in der Fläche nicht gut aufgestellt sind. Die Schulen, die hier vorgedacht haben, haben jetzt bessere Möglichkeiten. Alle anderen sind auf das Engagement einzelner, Lehrkräfte und Eltern, angewiesen.

Friedrichs Bildungsblog: Wenn ich Schulleiter oder Lehrkraft bin und jetzt kurzfristig den Schulbetrieb neu organisieren muss: Was kann ich tun und wer kann mich dabei unterstützen? Wie können Lehrer_innen kurzfristig Know How erhalten, die das bislang noch nie gemacht haben?

Birgit Eickelmann: Ich sehe die Aufgaben zunächst länderseitig. Es geht dort, wo das noch nicht gegeben ist, darum, Schulen zügig eine digitale, niedrigschwellige Infrastruktur bereitzustellen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass sich das Arbeiten der Lehrkräfte, von denen wir auch aus der ICILS-2018-Studie wissen, dass sie schon seit Jahren ihren Unterricht natürlich auch digital vorbereiten und Unterrichtsmaterialien im Internet finden können, jetzt komplett verändert. Ich zähle einerseits darauf, dass sich Lehrkräfte in den Kollegien nun gegenseitig vernetzen und unterstützen. Ich sehe, dass sich ein Teil der Lehrkräfte im Internet, z.B. auf Twitter und anderen Plattformen orientiert, wo sich gerade eine neue Art der Vernetzung ergibt. Wichtig ist jetzt andererseits, dass den Schülerinnen und Schülern aber nicht nur Material bereitgestellt wird, sondern diese auch in den Lernprozessen begleitet werden. Da muss Schule am Ball bleiben. Verlagert man das auf die Elternhäuser, geht die Bildungsschere in Deutschland weiter auseinander.

Friedrichs Bildungsblog: Von den Schulschließungen sind Schüler_innen allen Alters betroffen. Wie unterscheiden sich digitale Lernangebote für Grundschüler_innen und ältere Schüler_innen? Und was geschieht mit denjenigen, die keine ausreichende digitale Ausstattung haben?

Birgit Eickelmann: Man muss das nun beobachten. Schulen und Lehrkräfte sind derzeit sehr kreativ. Ich sehe sehr deutlich, dass hier zwischen Kindern im Grundschulalter und Kindern und Jugendlichen an weiterführenden Schulen unterschieden werden muss. Aber auch die älteren Schülerinnen und Schüler verfügen ja nicht automatisch über Kompetenzen in der Selbststeuerung und Selbstverantwortung des Lernens. Unabhängig vom Digitalen sind hier die Schulen und Lehrkräfte im Vordertreffen, die diese Kompetenzen in die Arbeitsweise und das Lernen systematisch schon integriert haben.

Friedrichs Bildungsblog: Eine besonders schwierige Frage ist die Vorbereitung und Durchführung des Abiturs. Könnte das Abitur notfalls auch komplett online stattfinden?

Birgit Eickelmann: Nachdem es in der letzten Woche noch so aussah und beschrieben wurde, als könnten die schriftlichen Abiturprüfungen unverändert „mit Abstand“ vielleicht stattfinden, sind wir heute nun schon wieder in einer Situation, die neu zu bewerten sein wird. Aus meiner Sicht könnten alle Prüfungen online stattfinden, wenn, und nun kommt das große ABER, wenn man aber darauf vorbereitet ist. Das sind wir in dem Maße im Moment nicht. Die Abiturklausuren werden über einen längerfristigen Zeitraum entwickelt und geprüft. Sie sind auf ein gleichzeitiges Ablegen der Prüfung unter Aufsicht ausgerichtet. Ich bin gespannt, wie das gelöst wird. Im Moment nehme ich aber wahr, dass das Thema bearbeitet wird. Was mir in all der formalen Diskussion manchmal derzeit fehlt, ist, dass die Schülerinnen und Schüler, die nun eigentlich in der Prüfungsvorbereitung waren, aufgefangen werden. Hier gehe ich davon aus, dass verantwortungsvolle Lösungen gefunden werden, so wie wir es derzeit im universitären Kontext übrigens auch tun.

Friedrichs Bildungsblog: Wir hoffen, dass die Corona-Krise bald überwunden ist. Was muss danach kommen, um Schulen gerade in Notsituationen wie diesen, aber auch darüber hinaus dauerhaft und zuverlässig in Sachen digitale Bildung aufzustellen? Braucht es beispielsweise eine Erhöhung oder Verstetigung des Digitalpakts?

Birgit Eickelmann: Im Moment sehen wir, dass diese Krise dazu führt, dass wir verstärkt über digitale Möglichkeiten nachdenken und uns in Deutschland wirklich nochmal deutlich wird, dass wir mit den digitalen Möglichkeiten längst noch nicht aufgeschlossen haben. Wichtig ist nun, und das ist der auf die Zukunft gerichtete Blick, dass von diesen Entwicklungen auch nachhaltig profitiert werden kann. Man wird nach der Krise sowohl den persönlichen Austausch und die Möglichkeiten des sozialen Lernens in Gruppen und mit Mitmenschen vermutlich nochmal besser zu schätzen wissen als zuvor. Wichtig ist aber auch, dass uns die aktuellen Erfahrungen nochmal verdeutlichen, dass in Deutschland in der Fläche zukunftsorientiertes Lernen, von dem die Nutzung digitaler Möglichkeiten einen wichtigen Teil ausmacht, noch nicht Fuß gefasst hat. Dass wir mehr Geld in Bildung investieren müssen und auch in ‚digitale Bildung‘, müsste uns spätestens jetzt klar geworden sein. Das betrifft Anstrengungen, die bundesländerübergreifend sind. Aber auch Anstrengungen auf der regionalen Ebene. Die Schulen selbst sind im Mittel in Deutschland, so die Ergebnisse der ICILS-2018-Studie, nicht ausreichend ausgestattet. Derzeit kann auch nur ein Teil unserer Schülerinnen und Schüler in der Krise mit eigenen digitalen Lerngeräten arbeiten. Es bleiben die zurück, die zu Hause keine für das Lernen und Arbeiten ausreichende Ausstattung vorfinden. Ich hoffe, nicht, dass die die digitale Spaltung in Deutschland noch größer wird und ich hoffe, dass man sich in Sachen Bildungsgerechtigkeit auch nochmal die ICILS-2018-Ergebnisse anschaut und sieht, dass die Anstrengungen deutlich zu erhöhen sind.



Über diesen Bildungsblog

Friedrichs Bildungsblog ist der bildungspolitische Blog der Friedrich-Ebert-Stiftung. Friedrich Ebert ist nicht nur Namensgeber der Stiftung.

Sein Lebensweg vom Sattler und Sohn eines Schneiders zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Deutschlands steht für Aufstieg durch Bildung.

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Katja Irle, Redaktionelle Betreuung des Blogs, Bildungs- und Wissenschaftsjournalistin 

Lena Bülow, Team Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

Florian Dähne, Leiter Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

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