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Es ist hinlänglich bekannt: Deutschlands größte Ressource liegt in der Bildung seiner Bürgerinnen und Bürger. Damit hat auch das deutsche Schulsystem eine herausragende Bedeutung für unser Land: Es soll die Köpfe von morgen hervorbringen, die den zukünftigen Wohlstand und unsere Innovationskraft sichern.
Bild: Sandra Parthie und Christian Tribowski von Privat
Von Sandra Parthie und Christian Tribowski
Die Corona-Krise hat jedoch einmal mehr gezeigt: Das deutsche Schulsystem erhält trotzdem seit Jahrzehnten nicht die Aufmerksamkeit, die es aufgrund seiner gesellschaftlichen Bedeutung verdient hätte. Marode Schulgebäude, fehlende Lehrkräfte und Schulleitungen, veraltete pädagogische Konzepte und die verstärkende Wirkung von sozialen Ungleichheiten, die das Programme for International Student Assessment (PISA) dem deutschen Schulsystem in regelmäßigen Abständen diagnostiziert, waren weitestgehend bekannt. Die Pandemie hat jetzt für die breite Öffentlichkeit sichtbar gemacht: die deutschen Schulen sind kaum digitalisiert. Weder verfügen sie über ausreichende Internetanschlüsse, Computer, Software und digitale Lehrmaterialien, noch verfügen alle Lehrkräfte über die nötigen digital-pädagogischen Kompetenzen, um Homeschooling zu gestalten.
Wie stark das deutsche Schulsystem hinterher hinkt, zeigte eine Sonderauswertung von PISA im Jahr 2020 mit Daten aus dem Jahr 2018. Hinsichtlich der Verfügbarkeit von online-Lehr- und Lernplattformen für Schulen rangierte Deutschland auf Platz 64 von 77 untersuchten Ländern. Vor Deutschland lag Bosnien-Herzegowina und es folgte Albanien.1
Der wirtschaftliche Schaden der Unterdigitalisierung des Schulsystems ist gigantisch. Auf bis zu 3,3 Billionen Euro schätzt der Bildungsökonom Ludger Wössmann vom ifo-Institut die Folgekosten, die durch den Schulausfall während der Pandemie entstanden sind.2 Noch Jahrzehnte wird die Bundesrepublik als Gemeinschaft diese Lasten tragen. Aber auch die individuellen Vermögenseinbußen der betroffenen Schüler_innen lassen sich heute bereits beziffern. Ihr Lebenseinkommen könnte rund 4,5% niedriger liegen.
Auch wenn die Pandemie überstanden ist, nimmt die Notwendigkeit der Digitalisierung der deutschen Schulen nicht ab. Digitale Technologien erleichtern es den Lehrkräften, individuell und zielgerichtet auf Schüler_innen einzugehen. Unser mehr als 150 Jahre altes Konzept von Schule kann dadurch von einem frontalen und linearen Lehrbetrieb weiter zu einer Lernumwelt umgebaut werden, in der Schüler_innen umfassende Lernerfahrungen in Echtzeit machen und in der ein Lernen im eigenen Takt, je nach individuellen Kenntnissen und Bedarfen, ermöglicht wird. Außerdem gehört der Umgang mit digitalen Medien und Systemen zu den Schlüsselkompetenzen im 21. Jahrhundert. Schulen dürfen also nicht Bremser, sondern müssen Vorreiter bei digitalen Konzepten und Technologien sein.
Die Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft & Digitales des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung hat deshalb zusammen mit Expert_innen fünf Maßnahmenpakete formuliert, die für eine gelingende Digitalisierung der deutschen Schulen notwendig sind. Im Folgenden stellen wir diese Maßnahmen dar. Ihre Ratifizierung und Umsetzung liegen dabei auf der Ebene des Bundes, der Länder und der Kommunen.
Die 5 Maßnahmen im Einzelnen
1. Leadership
Die Digitalisierung der Schulen muss auf der politischen Ebene ausgelöst werden. Hierzu braucht es Leadership. Diese fehlt aber zu oft. Durch die Aufteilung der Verantwortung zwischen Bund, Ländern und Kommunen entsteht eine diffuse Situation auf der vertikalen Politikebene.
Besonders problematisch und ineffizient an dieser fragmentierten Führungssituation ist, dass jedes Bundesland seine eigene digitale Bildungsstrategie verfolgt, Konzepte und Technologien selbst und unkoordiniert auswählt. Die vom Hasso-Plattner-Institut mit Bundesmitteln entwickelte und von der Digitalagentur Brandenburg koordinierte „Schulcloud“ beispielsweise, nutzen bisher nur fünf Bundesländer. So lassen sich jedoch keine Größenvorteile oder Skalierungseffekte erzielen. Stattdessen kommt es zu erheblichen Effizienzverlusten durch die Alleingänge der Bundesländer. So entwickelt etwa das Land Niedersachsen die „Bildungscloud“, Bayern die „mebis“ Lernplattform und NRW „Logineo“.
Hier müsste eine Bundesinitiative die Länderaktivitäten stärker synchronisieren und dem Wildwuchs der digitalen Lernplattformen Einhalt gebieten. Geht es also um die Digitalisierung der deutschen Schulen, muss darüber nachgedacht werden, ob der Bildungsföderalismus momentan die effizientesten und effektivsten Steuerungsergebnisse schafft. Bundesinitiativen, wie die von der KMK unterstützte ländergemeinsame Bildungsplattform Mundo,3 müssen dann auch in den Ländern durchgesetzt werden. Der Bildungsföderalismus hat im Rahmen der Digitalisierung der deutschen Schulen v.a. zu einem Wildwuchs von Lernplattformen geführt statt effiziente und effektive Steuerungsergebnisse zu schaffen.
2. IT-Betreuung und Changemanagement
Schulen verfügen oftmals über eine eher „schlanke“ Verwaltung. Explizite Vollzeitstellen für die IT fehlen. Meistens füllen Informatiklehrer_innen die Rolle der IT-Beauftragten aus – neben ihrem Unterricht. Personalabteilungen, die die digitale Weiterbildung der Lehrerschaft planen, bestehen ebenfalls nicht. Moderne Schulen brauchen deshalb neben einer Verwaltungsleitung eine pädagogische Leitung, eine Personalentwicklung, eine IT-Leitung und einen IT-Support. Die Digitalisierung von Schulen ist ein Change Management-Thema, da es sich um die Transformation einer gesamten Organisation handelt. Hierzu braucht es Personal mit Fachkenntnissen, das Veränderungen planen und organisieren kann. Die Transformation muss dabei als kontinuierliche Aufgabe verstanden werden, da sich digitale Konzepte und Technologien ständig weiterentwickeln.
Um eine Veränderung durchführen zu können, braucht es mehr eigene Ressourcen. Schulen sollten ein spezifisches Budget für die digitale Transformation erhalten. Ein Schritt in diese Richtung ist das zweite Zusatzpaket zum Digitalpakt, in dem 500 Mio. Euro für IT-Assistenzen zur Verfügung gestellt werden.4 Das hilft den Schulen, sofern die Vorgaben für die Umsetzung nicht zu hohe Hürden legen.
3. Kooperation mit der Wirtschaft
Start-ups versuchen schon länger, in deutschen Schulen Fuß zu fassen. Manches deutsche Unternehmen, wie etwa der Anbieter von digitalen Mathematikbüchern, Bettermarks, hat sich in Ländern wie Uruguay und den Niederlanden bereits fest etabliert. In Deutschland gestaltet sich der Markteintritt aber schwierig, was am Fehlen von Ansprechpartner_innen und Budgets in den Schulen liegt. Kooperationen zwischen Start-ups und Schulen sind deshalb selten.
Selbst etablierte Schulbuchverlage hatten es in der Vergangenheit schwer, ihre digitalen Angebote im schulischen Bildungsmarkt zu platzieren. Die Politik sollte Kooperationen zwischen heimischen Unternehmen und Schulen fördern und darauf achten, das Feld nicht IT-Konzernen, wie Microsoft und Google, zu überlassen. Die Telekom möchte beispielsweise 100 Schulen in Deutschland einen kostenfreien IT-Service anbieten. Solche Angebote werden jedoch mit großer Skepsis aufgenommen. Auch wenn Fragen der Marktmacht und des Umgangs mit Daten zu klären sind, wäre hier mehr Offenheit angeraten.
Wie in Berufsschulen auch, sollten digitale Fähigkeiten, die der Arbeitsmarkt in Zukunft nachfragt, mit Unternehmen gemeinsam erarbeitet werden. “Digital Savviness” ist eine der zentralen Schlüsselqualifikationen. Um auch im internationalen Wettbewerb um Arbeitskräfte bestehen zu können, hat die deutsche Wirtschaft ein großes Interesse daran, den “Talentpool” in Deutschland zu entwickeln.
4. Digitalpakt und Umsetzung der KMK-Strategie
Der Digitalpakt Schule des Bundesministeriums für Bildung und Forschung stellt 5 Mrd. Euro bis Ende 2024 zur Verfügung. Aber: Die derzeitigen Genehmigungsprozesse dauern zu lang und sind zu schwerfällig. Das kann sich nur ändern, wenn schnelle Bearbeitung durch geschulte Mitarbeiter_innen in den zuständigen Behörden die Norm wird. Dafür gilt es Personal zur Verfügung zu stellen.
Außerdem muss die Umsetzung der Kultusministerkonferenz-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ von 2016 schneller voran gehen. Sie umfasst die Entwicklung von digitalen Lehrplänen, die Anpassung der digitalen Infrastruktur und digitale Fort- und Weiterbildung von Lehrer_innen.
Signifikant Fahrt nahm die Umsetzung der Strategie aber erst im Frühjahr 2020 auf, wie eine Sonderauswertung der KMK im November 2020 zeigte. In den Bereich der Lehrkräftefortbildung ist mit den geplanten digitalen Kompetenzzentren Bewegung gekommen. Hier gilt es, die durch die Corona-Pandemie entstandene Dynamik zu verstetigen und durch regelmäßige Evaluation weitere Handlungsfelder und blockierende Faktoren bei der Umsetzung anzugehen.
5. Internetanbindung und Datenschutz
Schnelles Internet und WLAN sowie ein leistungsfähiges Glasfasernetz für alle Schulen und die Ausstattung aller Schüler_innen mit Endgeräten und Zugängen vor Ort sind nötig. Schüler_innen haben ein Recht auf kostenfreien Zugang zu digitalen Lerngeräten. Das ist gleichermaßen eine Frage der sozialen Gerechtigkeit wie auch einer möglichst hohen Lerneffizienz. Perspektivisch wird das Tablet das Lehrbuchersetzen. Die Ausstattung von Schulen und die Versorgung von Schüler_innen mit Hardware muss daher öffentlich gefördert werden – Stichwort Lernmittelfreiheit.
Wir brauchen ein modernes Verständnis von Datennutzung und Datenschutz. Das bedeutet: soviel Datenschutz wie nötig, so viel Datennutzung wie möglich. Datennutzung muss den Schü-ler_innen zugutekommen, z.B. durch individualisierte Lernangebote auf Grundlage von Datenauswertungen. Wir brauchen eine offene gesellschaftliche Diskussion und zügige politische Entscheidung darüber, wo das öffentliche und individuelle Interesse der Schüler_innen nach einer exzellenten Ausbildung den Datenschutz überwiegt.
Die Politik muss die Digitalisierung der Schulen treiben
Wenngleich erste Entwicklungen bei der Umsetzung der KMK-Strategie und durch den Bildungspakt auf Bundesebene zu erkennen sind: Die Politik war in den letzten Jahren nicht Treiber der Digitalisierung der Schulen. So hat erst die Corona-Pandemie aufgerüttelt und eine neue Dynamik erzeugt. Es gilt nun, die Digitalisierung der Schulen zu verstärken und auch zu verstetigen.
Sandra Parthie ist Leiterin des Brüsseler Büros des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln.
Dr. Christian Tribowski ist Strategic Business Development Manager bei ecx.io
Die Autorin und der Autor leiten gemeinsam die Arbeitsgruppe Wirtschaft und Digitales und gehören beide dem Vorstand des Managerkreises an.
Die Ausführungen und Schlussfolgerungen sind von der Autorin und dem Autor in eigener Verantwortung vorgenommen worden und geben ausschließlich ihre persönliche Meinung wieder.
Der Beitrag ist erstmals in der Reihe „Impulse“ des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung erschienen und hier abrufbar: http://library.fes.de/pdf-files/managerkreis/18129.pdf
Fußnoten:
1: https://www.oecd-ilibrary.org/education/were-schools-equipped-to-teach-and-were-students-ready-to-learn-remotely_4bcd7938-en;jsessionid=_srS5WLAHtvYqcoDHSrlmdt-.ip-10-240-5-17
2: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bildung-und-einkommen-der-schulausfall-in-der-pandemie-koennte-3-3-billionen-euro-kosten/26786872.html?ticket=ST-588572-v9dnD5T95MdircAm5oq6-ap3
3: https://www.kmk.org/aktuelles/artikelansicht/bildungsportal-mundo-geht-online.html
4: https://www.kommune21.de/meldung_35083_IT-Administration+wird+gefoerdert.html
Über diesen Bildungsblog
Friedrichs Bildungsblog ist der bildungspolitische Blog der Friedrich-Ebert-Stiftung. Friedrich Ebert ist nicht nur Namensgeber der Stiftung.
Sein Lebensweg vom Sattler und Sohn eines Schneiders zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Deutschlands steht für Aufstieg durch Bildung.
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Katja Irle, Redaktionelle Betreuung des Blogs, Bildungs- und Wissenschaftsjournalistin
Lena Bülow, Team Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung
Florian Dähne, Leiter Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung
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