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Mit jeder Neuauflage des Duden verschwinden aus dem Nachschlagewerk einige Wörter, die nach Meinung der Redaktion nicht mehr dem heutigen Sprachgebrauch entsprechen.
Bild: Ekkehard Winter von Deutsche Telekom Stiftung
Von Ekkehard Winter
Mit jeder Neuauflage des Duden verschwinden aus dem Nachschlagewerk einige Wörter, die nach Meinung der Redaktion nicht mehr dem heutigen Sprachgebrauch entsprechen. Im letzten Jahr traf es beispielsweise den Fernsprechanschluss, die Niethosen und den Aufgebotsschein. Bislang unangetastet geblieben ist hingegen das Adjektiv „ausgelernt“. Zu meinem Erstaunen, stammt es doch offenkundig aus einer Zeit, als das Wissen noch nicht weltweit zirkulierte und sich in immer kürzeren Intervallen verdoppelte; einer Zeit, in der Berufsbilder fest umrissen waren und man nach der Lehre tatsächlich alle nötigen Fertigkeiten für ein langes Erwerbsleben besaß.
Ausgelernt zu haben, das ist heute undenkbar, ob im akademischen, im handwerklichen, im kaufmännischen oder in welchem Umfeld auch immer. Die Virologin, die nicht regelmäßig die Veröffentlichungen ihrer Kollegen aus aller Welt studiert und sich Fachkonferenzen verweigert, wird auf ihrem Gebiet keine Karriere machen. Der Zahntechniker-Meister, der die Prothesen weiterhin aufwendig von Hand fertigt, statt auf moderne 3-D-Druckverfahren umzusteigen, wird sein Labor früher oder später schließen müssen. Einmal laden, immer leuchten – das funktioniert heute in kaum einem Beruf mehr. Kontinuierliche professionelle Entwicklung lautet stattdessen die Devise.
Die Bundesländer haben die Lehrerfortbildung vernachlässigt
Ausgerechnet an den Schulen, den Orten des Lernens schlechthin, scheint diese Losung allerdings noch nicht überall angekommen zu sein. Viele Lehrerinnen und Lehrer wirken auf mich nicht gut gerüstet für die Herausforderungen, vor denen sie heute im Klassenzimmer stehen – sei es mit einer zunehmend heterogenen Schülerschaft umzugehen, außerschulische Partner in ihre Arbeit einzubeziehen oder inmitten einer Pandemie digital gestützten Unterricht anzubieten. Verantwortlich für diesen Missstand sind allerdings weniger die Pädagogen selbst als vielmehr deren Dienstherren, die Bundesländer. Traditionell, aber auch angesichts des grassierenden Lehrermangels legen sie den Fokus fast ausschließlich auf die Ausbildung neuer Lehrkräfte in Studium und Referendariat. Die dringend notwendige Fortbildung der bestehenden Kollegien, die sogenannte dritte Phase der Lehrerbildung, hatte für sie indes augenscheinlich keine hohe Priorität. Das lässt sich schon allein am Ressourceneinsatz ablesen: So stiegen zwischen 2002 und 2015 die Ausgaben für Schule insgesamt zwar um 36 Prozent, jene für Fortbildungen wurden im selben Zeitraum aber um zehn Prozent zurückgefahren. Im Jahr 2014 betrugen die Aufwendungen der Länder für das Referendariat mehr als das Doppelte der Ausgaben für die dritte Phase.
Recherchiert und beschrieben hat dieses Ungleichgewicht vor zwei Jahren der ehemalige Hamburger Landesschulrat Peter Daschner. Es war nicht der einzige Mangel, den er in seiner Bestandsaufnahme konstatierte. Weder stellten die Länder ihre Fortbildungsangebote transparent dar, so Daschner, noch erfassten sie die Fortbildungsbedarfe der Lehrerkollegien systematisch. Weder gebe es von Länderseite gemeinsame Qualitätsstandards für Fortbildungen, noch werde nachgehalten, ob die Formate auch die erwünschte Wirkung erzielten.
Zumindest in punkto Qualitätsstandards tut sich mittlerweile etwas. So hat die Kultusministerkonferenz unter Vorsitz der rheinland-pfälzischen Bildungsministerin Stefanie Hubig im März vergangenen Jahres ländergemeinsame Eckpunkte zur dritten Phase herausgegeben. Der Vorgang allein ist bemerkenswert, handelt es sich bei dem Papier doch um das erste überhaupt in der Geschichte der KMK, das sich dem Thema Fortbildung widmet. Zur Einordnung: Das Gremium existiert seit 1948. Fast drängt sich der Eindruck auf, als hätte erst eine Epidemie über Deutschland hereinbrechen müssen, damit die Politik erkennt, wie dringend viele Lehrerinnen und Lehrer Qualifizierung benötigen – zuvorderst natürlich im Digitalen, aber auch auf vielen anderen Gebieten.
Nun könnte man sagen, besser spät als nie. Und in der Tat gebührt den Kultusministerinnen und -ministern für das Papier zunächst einmal Anerkennung, sprechen sie darin doch tatsächlich alle wichtigen Punkte an. Es folgt ein großes „Aber“: So ignoriert die KMK geflissentlich, dass die Rahmenbedingungen, die notwendig sind, um viele ihrer Ideen zu realisieren, auf absehbare Zeit kaum gegeben sind.
Mehr Kooperation im Schulalltag wäre eine gute Basis
So beschreibt die KMK etwa direkt zu Beginn, Voraussetzung für die berufsbegleitende Professionalisierung der Lehrkräfte sei, dass diese im Arbeitsalltag kooperierten. Und zwar nicht nur mit ihresgleichen, sondern in multiprofessionellen Teams, also auch mit dem übrigen, nicht nur pädagogischen Personal. Das ist natürlich goldrichtig erkannt, und an einigen Schulen gibt es diese Kooperationskultur ja auch bereits. Was in dem Papier allerdings fehlt, ist ein Plan, wie man es dem großen Rest erleichtern will, eine solche zu schaffen. So wäre es vonseiten der Bildungsadministration beispielsweise dringend angebracht, feste Kooperationszeiten als Bestandteil der Arbeitszeit von Lehrkräften auszuweisen und in den Schulalltag zu integrieren. Wie Dirk Richter und Hans Anand Pant 2016 in einer von uns und anderen Stiftungen beauftragten Studie gezeigt haben, ist dies noch viel zu selten der Fall. Dabei wären weder viel Geld noch große strukturelle Veränderungen nötig, um hier erste Schritte in die richtige Richtung zu gehen.
Gewiss, die Lehrerinnen und Lehrer können sich nicht komplett an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen. Doch ist aus meiner Sicht die tagtägliche Zusammenarbeit im Kleinen tatsächlich die notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für eine wirkungsvolle dritte Phase. An jeder Schule gibt es schließlich einen, der auf einem bestimmten Gebiet Spezialist ist, sei es etwa für eine bestimmte Lernplattform, für die Flipped-Classroom-Methode oder für individuelle Förderung von Schülern. Warum sollte der seine Expertise nicht mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort teilen? Das von uns 2015 initiierte Forum Bildung Digitalisierung hat letztes Jahr in einem Praxisleitfaden zusammengefasst, wie sich solche internen Mikrofortbildungen konkret organisieren lassen. Fest steht: Schulen, an denen Kooperation bereits großgeschrieben wird, gelingt nachgewiesenermaßen auch vieles andere besser.
Der Input staatlicher Fortbildungen verpufft im Schulalltag schnell wieder
Die KMK äußert sich in ihrem Eckpunktepapier aber nicht allein zur Notwendigkeit von Teamarbeit in den Kollegien. Ein wesentliches Element der Lehrkräfteprofessionalisierung ist für sie darüber hinaus das staatliche Fortbildungswesen. Wer sich auskennt, weiß allerdings, dass diese Veranstaltungen, die zu den unterschiedlichsten Themen angeboten werden, häufig nicht nachhaltig sind, der Input im Schulalltag rasch wieder verpufft. Dafür sind aus meiner Sicht fünf Gründe ausschlaggebend:
Erstens entsenden die Schulen noch viel zu oft nur einzelne Lehrkräfte dorthin, die ihr neues Wissen anschließend für sich behalten – auch hier also wieder der Mangel an Kooperation als Grundproblem. Das haben die Kultusministerinnen und -minister zwar erkannt und nennen als Zielgruppen von Fortbildungsveranstaltungen deshalb explizit auch Fachschaften, (multiprofessionelle) Schulteams und ganze Schulen. Allein: Wie soll das angesichts des grassierenden Lehrkräftemangels in vielen Bundesländern funktionieren, ohne dass noch mehr Unterricht ausfällt? Einen Teil der Ferienzeiten für Fortbildungen zu nutzen, wäre eine Möglichkeit. Mittel- und langfristig braucht es aber neue Arbeitszeitmodelle; zusätzlich zu oder anstatt externer Fortbildungen muss vermehrt kontinuierliche professionelle Entwicklung im Team vor Ort – zum Beispiel in Form professioneller Lerngemeinschaften zur Unterrichtsentwicklung – integraler Bestandteil der regulären Arbeitszeit werden. Und auch die räumlichen Voraussetzungen an den Schulen wären dafür zu schaffen.
Zweitens bieten die landeseigenen Fortbildungsinstitute den Lehrerinnen und Lehrern immer noch größtenteils „Kurzbeschallung“ an. Eine repräsentative Befragung der Telekom-Stiftung unter MINT-Lehrkräften ergab 2017 einen Anteil eintägiger Fortbildungen von mehr als drei Vierteln des Gesamtangebots. Auch Peter Daschner kommt in seiner Bestandsaufnahme von 2018 zu dem Befund, dass halb- und eintägige Einzelveranstaltungen ohne Nachbearbeitung weiterhin ein gängiges Format sind. Dabei herrscht in der Bildungsforschung längst Konsens darüber, dass die Kurse mehrtägig bzw. sequenziell angelegt sein sollten und nicht nur Wissen liefern, sondern auch Arbeits- und Reflexionsphasen beinhalten müssen, um Wirkung zu erzielen. Entsprechend greift die KMK diesen Punkt im Papier auf. Auch hier stellt sich im Lichte der gegenwärtigen Herausforderungen (Lehrermangel, Unterrichtsausfall) allerdings die Frage nach der kurzfristigen Umsetzbarkeit. Zumindest mittelfristig sollten sequenzielle Fortbildungen aber das Ziel sein.
Drittens sind viele staatliche Fortbildungsangebote zu unspezifisch angelegt. Vermittelt wird darin beispielsweise eine bestimmte allgemeine Lehrmethode, der Gebrauch digitaler Hard- und Software oder auch, wie man an einer Schule die inklusive Kultur fördert. Das ist mitunter Stricken ohne Wolle, es fehlt der Fachbezug. Gerade der macht das Thema für die Lehrkraft oft überhaupt erst greifbar. Das ist insbesondere im Hinblick auf die dringend notwendige Digitalisierung von Schule ein Problem. Was nützt es beispielsweise der Mathematiklehrerin, wenn sie in einer Fortbildung zwar allgemeine Anwenderkenntnisse für ein Tablet erwirbt, nicht aber erfährt, wie sie damit ganz konkret die Lehr-Lern-Prozesse in ihrem Matheunterricht verbessern kann? Laut den jüngsten Ergebnissen der TIMS-Studie, die im Dezember veröffentlicht wurden, werden hierzulande nur acht Prozent der Viertklässler in Mathematik von Lehrkräften unterrichtet, die sich zur fachlichen Integration von Informationstechnologien fortgebildet haben. Im europäischen Durchschnitt sind es immerhin mehr als ein Viertel.
Viertens ist auch der Mangel an qualifizierten Fortbildnerinnen und Fortbildnern ein Teil des Problems. Laut KMK-Eckpunktepapier soll das Personal „möglichst über besondere wissenschaftliche und schulpraktische sowie erwachsenenpädagogische und fortbildungsdidaktische Expertise verfügen“. Gesucht wird also die berühmte eierlegende Wollmilchsau. Dass diese Spezies in freier Wildbahn extrem selten vorkommt, ignoriert das Gremium. So rekrutieren die Bundesländer aktuell einen Großteil ihrer Dozentinnen und Dozenten aus Lehrkräften, die keine oder kaum Erfahrung darin haben, Erwachsene zu unterrichten. Warum sollten sie sich auch entsprechend weiterbilden? Es gibt dafür ja keinen Anreiz. Weder steigen Lehrerinnen und Lehrer, die solch eine Weiterbildung absolviert haben, in der Gehaltstabelle auf, noch tragen sie im Schuldienst mehr Verantwortung. Die Länder wären gut beraten, dies zu ändern und schnell entsprechende Karriereverläufe für qualifizierte Fortbildnerinnen und Fortbildner aus der Schulpraxis schaffen.
Fünftens schließlich fehlt der Lehrkräftefort- und -weiterbildung das wissenschaftliche Fundament, weil die Hochschulen zu wenig an ihr mitwirken. So sickern neue fachliche, fachdidaktische und pädagogische Erkenntnisse lediglich über den Lehrkräftenachwuchs in die Schulen ein, statt in der Breite der Kollegien anzukommen. Langfristig sinkt dadurch die Unterrichtsqualität. Den Hochschulen fehlen die Anreize, sich außer in Forschung und Lehre auch noch auf dem Gebiet der Fort- und Weiterbildung zu engagieren. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass die beiden bisherigen Förderrunden der 500-Millionen-Euro-schweren Qualitätsoffensive Lehrerbildung im Wesentlichen die erste Phase adressiert haben. Wenn sie es ernst meinen, dann müssten Bund und Länder eigentlich bald eine finanziell ähnlich ausgestattete weitere Runde folgen lassen, die ausschließlich die dritte Phase in den Blick nimmt, und insbesondere Hochschulen aus verschiedenen Bundesländern zur gemeinsamen Teilnahme auffordern. Denn genau diese länderübergreifenden Kooperationen im Bereich der Fortbildung beschreibt die KMK in ihren Eckpunkten.
Das DZLM zeigt, wie wissenschaftsbasierte länderübergreifende Lehrerfortbildung aussehen kann
Wie solch eine Kooperation aussehen kann, zeigt das von der Telekom-Stiftung initiierte Deutsche Zentrum für Lehrerbildung Mathematik (DZLM). Dahinter steht ein Konsortium von neun Hochschulen aus fünf Bundesländern. Das Zentrum bildet Mathematiklehrkräfte aus dem ganzen Bundesgebiet wissenschaftsgeleitet zu Multiplikatoren weiter, die dann als Fortbildner die Fachkollegien anleiten, an ihren Schulen den Mathematikunterricht evidenzbasiert zu entwickeln. Gemeinsam mit der Christian-Albrechts-Universität Kiel (CAU), dem Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQ-SH) und dem Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) wurde zudem 2016 der Weiterbildungsstudiengang „Berufsbegleitende Lehrerbildung Mathematik“ gegründet, der bislang einzige seiner Art in Deutschland.
Anfang Januar ist das DZLM nach zehn Jahren ins IPN und damit in die Leibniz-Gemeinschaft übergegangen. Dort setzt es seine erfolgreiche Arbeit im Rahmen der neugegründeten Abteilung „Fachbezogener Erkenntnistransfer“ fort. Für uns als Telekom-Stiftung ist diese Verstetigung ein großer Erfolg. Und doch muss man konstatieren: Nachahmer hat die Idee einer solchen Institution – wie auch die eines Weiterbildungsstudiengangs – in den zehn Jahren ihres Bestehens leider nicht gefunden. Noch nicht, muss man sagen, denn wie man hört, planen die Länder derzeit sowohl eine Fortbildungsinitiative Mathematik nach dem DZLM-Modell – und unter Rückbezug auf das seinerzeit erfolgreiche Bund-/Länder-Programm SINUS – als auch ein Fortbildungsmodell für digitale Bildung, das ganz ähnlich aufgebaut sein könnte. Es wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Und ein weiteres Zeichen dafür, dass sich die KMK der misslichen Situation der Lehrerfortbildung in Deutschland in der Tat endlich bewusst ist und nun konkrete Schritte zur Verbesserung unternimmt.
Ekkehard Winter ist Geschäftsführer der Deutsche Telekom Stiftung
Über diesen Bildungsblog
Friedrichs Bildungsblog ist der bildungspolitische Blog der Friedrich-Ebert-Stiftung. Friedrich Ebert ist nicht nur Namensgeber der Stiftung.
Sein Lebensweg vom Sattler und Sohn eines Schneiders zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Deutschlands steht für Aufstieg durch Bildung.
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Katja Irle, Redaktionelle Betreuung des Blogs, Bildungs- und Wissenschaftsjournalistin
Lena Bülow, Team Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung
Florian Dähne, Leiter Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung
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