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Friedrichs Bildungsblog

Wie Kinder bestmöglich vom Ganztag profitieren

Ab 2026 greift der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder. Damit sollen Eltern Beruf und Familie besser vereinbaren können. Für die Kinder erhofft man sich eine bessere Förderung und mehr Bildungsgerechtigkeit. Doch dafür muss noch viel getan werden.

 

Seit mindestens zwei Jahrzehnten gibt es Bemühungen, mehr Ganztagsschulen zu schaffen, und tatsächlich ist die Zahl der Ganztagsschulen kontinuierlich gestiegen. Mit dem Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztagsförderungsgesetz, GaFöG) gibt es künftig auch das Recht für Kinder, ganztägig gefördert und betreut zu werden. Viele Familien setzen große Hoffnungen in den Ausbau. Im Kindergartenalter ist es längst gängig, die Kinder länger betreuen zu lassen, damit beide Eltern arbeiten gehen können. Mit Eintritt in die Schule ist dies bislang häufig nicht mehr gegeben. An manchen Tagen haben Erstklässlerinnen und Erstklässler lediglich drei oder vier Unterrichtsstunden - und damit lässt sich nicht einmal eine Halbtagsstelle realisieren.

Neben dem Betreuungsaspekt, der diese Vereinbarkeit gewährleisten soll, kommt noch der Aspekt der Förderung aller Kinder, und damit auch die Minimierung von Bildungsungleichheiten, ins Spiel. Dies ist – das wissen wir aus den Forschungsbefunden der letzten Jahre – weitaus voraussetzungsvoller als einen Betreuungsplatz einzurichten, bei dem das Kind am Nachmittag verweilen kann. Damit Kinder bestmöglich vom Ganztag profitieren, müssen unterschiedliche Aspekte gut umgesetzt werden. Aber letztlich sind es die Kinder selbst, die sich in dieser Situation – Unterricht und Betreuung/Angebot – wohlfühlen und zurechtfinden müssen.

 

Was wünschen sich Kinder vom Ganztag?

Fragt man Kinder im Grundschulalter, was an einer Ganztagsschule/-betreuung wichtig ist, kommt zunächst der Wunsch, den Unterricht nicht in den Nachmittag hinein zu erweitern. Dann kommt: mit Freunden spielen können und Spaß haben. Aber auch Zeit für sich selbst haben – gerade dann, wenn Kinder bis 16 Uhr oder länger im Ganztag sind. Verfolgen wir dann den Alltag der Kinder über ein Halbjahr oder länger, so sieht man, dass auch diese Kriterien recht eintönig in der Umsetzung werden können. Kinder schätzen an Ganztagsangeboten eben auch, Neues zu lernen; Dinge zu tun, die sie zu Hause und im Unterricht nicht machen würden. Und wo bleibt darüber hinaus die Möglichkeit, Interessen zu entwickeln und Hobbys nachzugehen? Wann soll dafür Platz sein, wenn nicht am Nachmittag? Was ist mit der Möglichkeit, in Ruhe Hausaufgaben (die noch weit verbreitet sind) machen zu können?

Durch die Ganztagsschule verlagert sich Zeit in eine pädagogische Einrichtung. Das kennen viele Kinder vom Kindergarten her. Aber ganztägige Förderung und Betreuung ist vom pädagogischen und kindlichen Anspruch her im Grundschulalter nicht das Gleiche wie im Kindergartenalter! Die kognitiven und körperlichen Fähigkeiten nehmen zu und wollen genutzt werden – etwa Fußballspielen im Verein oder ein Musikinstrument spielen. Die Kinder wollen auch außerhalb des Unterrichts lernen. Und Ganztagsangebote ermöglichen in besonderer Weise, die Themen und Bedürfnisse von Kindern in den Mittelpunkt zu stellen.

Dabei haben Kinder es im Alltag mit unterschiedlichen Erwachsenen zu tun. So arbeiten neben Lehrkräften auch die Mitarbeitenden des Ganztags mit den Kindern. Hierin liegt eine Herausforderung: Noch gibt es kein flächendeckendes Fachkräftegebot für den Ganztag der Grundschulkinder. Mit manchen Kindern arbeiten daher Spezialistinnen und Spezialisten für Pädagogik – mit anderen Kindern arbeiten aber auch Personen, die keinerlei erkennbare pädagogische Qualifikation mitbringen. Entscheiderinnen und Entscheider unterschätzen, wie komplex und herausforderungsvoll die pädagogische Arbeit ist. Wenn die Mitarbeitenden dauergestresst sind – wegen Personalmangels oder weil sie gar nicht qualifiziert sind – kann der Ganztag für Kinder unangenehm sein.

Ein gutes Beispiel sind die Hausaufgaben: der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin sind für die ruhige Arbeitsatmosphäre während der Hausaufgabenzeit zuständig. Dies umzusetzen erfordert aber schon mit wenigen Kindern enormes pädagogisches Geschick und ein gutes Konzept. Funktioniert dies nicht, dann können sich die Kinder nicht konzentrieren und ihre Hausaufgaben nicht machen. Da helfen auch Sätze wie: „Hör einfach nicht hin!“ oder „Meckere nicht!“ leider wenig. Wenn dann noch Gruppen zusammengelegt werden, weil Personal fehlt, ist es schwer, hier für eine gute Hausaufgabensituation zu sorgen – gerade für gering Qualifizierte.  

Resultat dieser Situation: die Kinder müssen vor dem Zubettgehen noch Hausaufgaben machen. Eltern sind dann oft hilflos – wie soll man den Nachmittag/Abend planen, wenn man nicht weiß, was die Kinder noch alles für den nächsten Tag erledigen müssen? Solche Situationen arten in Stress und Konflikten in den Familien aus. In letzter Konsequenz leiden vor allem die Kinder darunter!

 

Dringend gesucht: pädagogisch qualifiziertes Personal

Es müssen dringend Strukturen vor Ort geschaffen werden, die es ermöglichen, auf solche Bedingungen adäquat zu reagieren. Dazu gehört vorneweg pädagogisch qualifiziertes Personal. Aber gebraucht werden auch ein paar pädagogische Kniffe wie Regelklarheit in der Einrichtung sowie im einzelnen Angebot. Kinder müssen wissen, welche Regeln es gibt – sie werden im besten Fall mit ihnen gemeinsam ausgearbeitet, ebenso die Konsequenzen bei Nicht-Beachtung. Aber auch das pädagogische Wissen, dass jede „Störung“ eine Ursache (meist ein Bedürfnis) hat, die herausgefunden und „beseitigt“ werden muss, gehört zu einem professionellen pädagogischen Handeln. So kann eine gute Atmosphäre für alle hergestellt werden. 

Ein weiterer Punkt, der zum Wohlfühlen im Ganztag beiträgt, ist das Essen: es sollte den Kindern schmecken. Auch hier können Kinder einbezogen werden. Denn den ganzen Nachmittag hungrig zu sein, weil das Essen nicht schmeckt, trägt nicht dazu bei, dass Kinder gern im Ganztag sind. Das bedeutet nicht, dass nur Pommes, Pizza und Burger auf dem Speiseplan landen. Meist gibt es ein Catering mit einer Auswahl von Gerichten, und man kann dies auch als Anlass nehmen, mit den Kindern über gesundes Essen zu sprechen.

Und noch etwas kann aus Kindersicht dazu führen, dass sie sich im Ganztag nicht wohlfühlen. Viele kennen das Problem schon aus der Schule: schmutzige Toiletten. Wenn Kinder den ganzen Tag im gleichen Gebäude sind, was je nach Einrichtung der Fall ist, nutzen sie auch die gleichen Toiletten. Diese werden aber meist nur einmal am Tag gesäubert und sind oft während der Unterrichtszeit schon sehr schmutzig. Der Toilettengang ist dann für viele Kinder sehr unangenehm. Hier müssen Lösungen her.  

 

Von einem guten Ganztag können Kinder aus allen Elternhäusern profitieren

Die angeführten Themen sind für einen guten Ganztag aus Kinderperspektive wichtig. Sie sollten umgesetzt werden mit einer guten Leitung, einem guten Ganztagskonzept, guten sozialen Beziehungen und einem professionellen Ganztagsteam. Wenn es den Kindern im Ganztag gut geht und sie glücklich und zufrieden sind, dann können ihre Eltern unbesorgt ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen. Ein gutes Arrangement an Angeboten sorgt dafür, dass Eltern nicht während oder nach der Arbeit die Kinder abholen und zum Musik-/Kunst-/Sport- oder Reitunterricht bringen müssen. In einem guten Ganztag haben Kinder mit den unterschiedlichsten Voraussetzungen und aus allen möglichen Elternhäusern die Möglichkeit, ihre Interessen auszubilden und Hobbys nachzugehen. Insgesamt hat eine gute ganztägige Förderung und Betreuung das Potenzial, den Kindern ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen, bei dem sie mit Freunden zusammen sein, ihre Persönlichkeit ausbilden und auch einfach mal entspannen können.

 


Über die Autorin

 

Amina Kielblock

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation im Arbeitsbereich „Bildungsstrukturen und Reformen“. Dort befasst sie sich unter anderem mit Betreuungs- und Förderkonzepten zum Ganztag. Sie hat Kinder im Alter von vier und zehn Jahren und lebt mit ihrer Familie in Leun.

 

 

 



Über diesen Bildungsblog

Friedrichs Bildungsblog ist der bildungspolitische Blog der Friedrich-Ebert-Stiftung. Friedrich Ebert ist nicht nur Namensgeber der Stiftung.

Sein Lebensweg vom Sattler und Sohn eines Schneiders zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Deutschlands steht für Aufstieg durch Bildung.

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Katja Irle, Redaktionelle Betreuung des Blogs, Bildungs- und Wissenschaftsjournalistin 

Lena Bülow, Team Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

Florian Dähne, Leiter Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

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