Friedrichs Bildungsblog

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Zukunft der Bildung – Anstoß und Einladung zu einer offenen und lebendigen Debatte

Dass die großen Fragen unserer Zeit – Sicherung des Friedens, Schutz von Klima und Umwelt, Förderung von Integration und Inklusion, Stärkung der Demokratie und Humanisierung der Gesellschaft, Umgang mit Digitalisierung – allein durch Bildung beantwortet werden könnten, wird niemand ernsthaft behaupten wollen - auch nicht das Redaktionsteam dieses Blogs.


Aber nur Bildung ermöglicht aktive Teilhabe, ohne Bildung kann die Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft nicht gelingen. Politik, Wirtschaft, Kultur, das gesellschaftliche Miteinander sind daher auf erfolgreiche und zukunftsfähige Bildungseinrichtungen angewiesen.

„Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer. Darum besinnt euch auf eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll“ (Willy Brandt). Auf der Höhe der Zeit zu sein, das ist ein hoher Anspruch – gerade auf dem Feld der Bildungspolitik. Es gibt zahlreiche Baustellen und offene Fragen, die alles andere als einfach zu beantworten sind. Nach wie vor sind Bildungschancen in Deutschland sozial und regional ungleich verteilt, noch immer ist ein inklusives Bildungssystem nicht Wirklichkeit. Die Fragen nach der Qualität, den Zielen, den geeigneten Formen und Inhalten von Bildung in der digitalen Welt sind noch längst nicht beantwortet. Und es fehlt eine offene und lebendige Debatte über die Zukunft der Bildung. Genau hierzu möchte dieser Blog beitragen. Er soll ein Forum bieten für Beiträge aus der Schulpraxis, aus Wissenschaft, Politik und Journalismus, die Ideen formulieren und Impulse geben für ein neues Denken und Handeln im Bildungssystem. Hier kommen einige Vorschläge, gedacht als erster Aufschlag für eine hoffentlich weiterführende Diskussion.

Grundbildung für alle: Die Garantie einer zukunftsfähigen Grundbildung für alle Kinder und Jugendlichen, orientiert an anspruchsvollen Standards: das ist Aufgabe eines modernen Bildungswesens. Wir brauchen eine Verständigung darüber, was Grundbildung in der modernen Gesellschaft inhaltlich bedeutet. Sicher, das Beherrschen elementarer Kulturtechniken, etwa des Lesens, Rechnens und Schreibens, gehört dazu, keine Frage, aber Grundbildung ohne Medienkunde, ohne fundierte Kenntnisse in ökologischen und ökonomischen, rechtlichen und politischen Fragen kann es heutzutage nicht geben. Das alles kurzerhand als „Aufgabe aller Fächer“ zu deklarieren und damit auf Unterricht durch eigens dafür ausgebildete (Fach-)Lehrer_innen zu verzichten, ist nicht die Lösung. Wir müssen also über den schulischen, mehr als 100 Jahre alten Fächerkanon endlich neu nachdenken, ebenso über die Anteile einzelner Fächer in den Stundentafeln. Und wir müssen den Mut aufbringen, die gültigen Lehrpläne deutlich zu entschlacken. Aufgabe der Konferenz der Kultusminister ist es, hier einen entsprechenden Diskussionsprozess in Gang zu setzen.

Schulstruktur – zwei Schulformen reichen: Um die Selektivität unseres Schulwesens zu verringern, um mehr Bildungsgerechtigkeit zu schaffen, und auch weil gemeinsames Lernen Akzeptanz und Empathie fördert, ohne die eine solidarische Gesellschaft gar nicht entstehen kann, brauchen wir ein Schulsystem, in dem Schüler*innen möglichst lange gemeinsam lernen – unabhängig von ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft, unabhängig davon, ob sie beeinträchtigt sind oder nicht. Damit allen Schüler_innen die Türen zu hochwertigen Abschlüssen möglichst lange offenstehen sollten, sollte überall in Deutschland eine Schulstruktur mit nur zwei Sekundarschulformen etabliert werden, die beide zum Abitur führen. 

Inklusion – Recht auf gemeinsames Lernen: In einem modernen Bildungssystem darf kein Platz sein für Maßnahmen der Ausgrenzung, der Etikettierung und Stigmatisierung. Darum ist die sukzessive, zugleich jedoch konsequente Entwicklung einer inklusiven allgemeinen Schule geboten. Jeder junge Mensch mit sonderpädagogischem Förderbedarf sollte ab sofort einen Rechtsanspruch auf den Besuch einer inklusiven Schule haben, und zwar unabhängig von jedweden Finanzierungsvorbehalten. Ebenso dringlich sind durchdachte pädagogische Konzepte sowie eine Verständigung über die personelle und materielle Mindestausstattung dieser Schulen. 

Professionalisierung – gleich bezahlt, Aus- und Fortbildung neu gedacht: Guter Unterricht setzt motivierte und gut ausgebildete Lehrer_innen voraus. Die Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs – insbesondere durch Angleichung der Besoldung von Grundschullehrkräften an die ihrer Kolleg_innen in den Sekundarschulen, eine bevorzugte Ausstattung der Schulen in sozialen Brennpunkten mit hochqualifiziertem Personal, verbunden mit einer Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung für die dort arbeitenden Kolleg_innen. – erscheint ebenso dringlich wie das Nachdenken über Reformen in der Lehreraus- und -fortbildung. Die Aufteilung der Lehrkräftebildung in zwei Phasen sollte nicht in Stein gemeißelt sein. Statt Seiteneinsteiger_innen als Lehrer_innen zweiter Klasse anzusehen, als Risiko für den Lernerfolg junger Menschen, sollten wir sie endlich so qualifizieren, dass sie ein Gewinn für unsere Schulen sind. Schließlich bringen sie Erfahrungen mit, über die grundständig ausgebildete Lehrer_innen in der Regel nicht verfügen. Und aktuelle Forschungsbefunde belegen: Wir benötigen vor allem in der Lehrerfortbildung grundlegend neue, wirksamere Konzepte. Für jede Lehrkraft sollte ein Fortbildungskonto angelegt werden, dem zu entnehmen ist, inwieweit sie ihrer Fortbildungsverpflichtung nachgekommen ist.

Demokratiebildung – ausgeweitet, und zwar an allen Schulen: Demokratiebildung ist ein Gebot der Stunde. Dazu muss die Schule ein Erfahrungsraum gelebter Demokratie werden, sie muss ihren Schüler_innen Möglichkeiten echter Partizipation bieten – bei der direkten Wahl der Schülervertretung, bei Fragen der Schulorganisation und vor allem auch bei substanziellen Fragen, die die inhaltliche und methodisch-didaktische Gestaltung des Unterrichts betreffen. Politische Bildung ist Aufgabe aller Fächer, aber das ändert nichts daran, dass der Politikunterricht in unseren Schulen einen erheblich größeren Stellenwert erhalten muss. Gelegentlich mal die eine oder andere Politikstunde, womöglich fachfremd unterrichtet: damit muss Schluss sein. Und zuletzt muss klar sein: Politische Bildung muss an allen Schulen ausgeweitet werden, insbesondere an nicht-gymnasialen Schulformen.

Digitale Bildung – kompetent und gut ausgestattet: Bildung für die digitale Welt ist Erziehung zur Mündigkeit auf der Höhe der Zeit. Die persönlichen und gesellschaftlichen Chancen der Digitalisierung zu nutzen und deren Folgen kritisch zu reflektieren, ihren Einfluss sowohl auf das eigene Leben, die eigene Person, als auch auf die soziale Umwelt zu begreifen, darum geht es. Um all das in der Schule leisten zu können, ist die Einführung eines Faches „Medienkunde“ erforderlich.

Das Lehren und Lernen sollte insgesamt mobiler werden, „blended learning“, die Mischung von Online- und Präsenszeiten, auch für die Schule an Bedeutung gewinnen. Mehr noch: Die Vermittlung von Basiswissen kann zumindest teilweise an interaktive Lernplattformen abgegeben werden.  Mit anderen Worten: Angesichts des digitalen Wandels müssen wir die Rolle der Schule neu definieren und damit zugleich die der Lehrer*innen.

Rahmenbedingungen – Investitionen, die sich lohnen: Zugegeben, Ressourcen, seien es finanzielle oder personelle Ressourcen, sind endlich. Beitragsfreie Kitas, Sprachförderung für Kinder, die mit ihren Eltern ihre Heimat verlassen mussten, eine angemessene Personal- und Finanzausstattung inklusiver Schulen, Schulsozialarbeit, der weitere Ausbau der Ganztagsschule, eine Stellenausstattung von Kitas und Schulen auf der Basis von Sozialindizes, eine bessere Bezahlung der Erzieher_innen, eine  Angleichung der Gehälter von Primarstufen- an die der Sekundarstufenlehrer_innen, eine angemessene Ausstattung der Schulen, um digitales Lernen verstärkt voranzutreiben etc. – das kostet einiges.  Wir brauchen dringend mehr Investitionen in die Zukunft der Bildung. Die Bildungsfinanzierung von Bund und Ländern muss vor diesem Hintergrund neu justiert und erheblich ausgeweitet werden.

Soweit einige Vorschläge. Und es gäbe noch weitere, noch weitergehende. Die Ausgestaltung eines guten Ganztags wird die Bildungspolitik weiter beschäftigen, die Förderung von „Brennpunktschulen“ nach dem Prinzip „Ungleiches ungleich behandeln“ wird noch wichtiger werden. Beides wird die Bildungspolitik, wird diesen Blog bald beschäftigen. Was deutlich wird: Es ist viel zu tun.

 

Burkhard Jungkamp, Michael Voges, Sabine Achour, Gilbert Knies und Martin Pfafferott



Über diesen Bildungsblog

Friedrichs Bildungsblog ist der bildungspolitische Blog der Friedrich-Ebert-Stiftung. Friedrich Ebert ist nicht nur Namensgeber der Stiftung.

Sein Lebensweg vom Sattler und Sohn eines Schneiders zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Deutschlands steht für Aufstieg durch Bildung.

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Katja Irle, Redaktionelle Betreuung des Blogs, Bildungs- und Wissenschaftsjournalistin 

Lena Bülow, Team Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

Florian Dähne, Leiter Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

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