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Zum aktuellen Stand der Inklusion in Deutschlands Schulen

Auf der Basis einer bildungsstatistischen Analyse der von der Kultusministerkonferenz (KMK) für das Schuljahr 2019/20 veröffentlichten Daten wird im Folgenden herausgearbeitet, wie weit Deutschlands Schulen bis 2019/20 bei der Umsetzung des Entwicklungsauftrages der UN-Konvention gekommen sind.

Von Prof. Dr. Klaus Klemm

 

Auf der Basis einer bildungsstatistischen Analyse der von der Kultusministerkonferenz (KMK) für das Schuljahr 2019/20 veröffentlichten Daten (KMK 2021) wird im Folgenden herausgearbeitet, wie weit Deutschlands Schulen bis 2019/20 bei der Umsetzung des Entwicklungsauftrages der UN-Konvention gekommen sind. Dieser Auftrag wird - daran sei noch einmal erinnert - in Absatz (2) des Artikels 24 so formuliert: „Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass (a) Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderungen vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen ausgeschlossen werden (…)“.

Die statistischen Darstellungen der Unterrichtung von Schülerinnen und Schülern mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf, die die KMK regelmäßig veröffentlicht (zuletzt KMK 2021), stützen sich auf die folgenden Daten: Zum einen auf die Gesamtheit aller Schülerinnen und Schüler, die der Schulpflicht in allgemeinbildenden Schulen unterliegen, die also die Jahrgangsstufen eins bis neun (bzw. in einzelnen Bundesländern bis zehn) der allgemeinen Schulen (das sind in der KMK-Terminologie alle allgemeinbildenden Schulen ohne die Förderschulen sowie ohne Abendhaupt- und Abendrealschulen) oder die Förderschulen besuchen, und zum anderen auf die Gesamtheit der Schülerinnen und Schüler, bei denen ein sonderpädagogischer Förderbedarf diagnostiziert wurde – unterteilt in die beiden Gruppen derer, die ihrer Schulpflicht in allgemeinen Schulen bzw. in Förderschulen nachkommen. Für die Analyse dieser Daten werden die folgenden Begriffe genutzt:

 

  • Förderquote: Sie gibt den Anteil der Schüler und Schülerinnen mit Förderbedarf an allen Schülerinnen und Schülern mit Vollzeitschulpflicht in allgemeinbildenden Schulen der Primar- und Sekundarstufe I an (also der Schüler und Schülerinnen der Jahrgangsstufen 1 bis 9 bzw. in einzelnen Bundesländern bis 10) – unabhängig von ihrem Förderort.
  • Exklusionsquote (die KMK benutzt dafür den Begriff ‚Förderschulbesuchsquote‘): Diese Quote gibt den Anteil der Schüler und Schülerinnen mit Förderbedarf, die separiert in Förderschulen unterrichtet werden, an allen Schülerinnen und Schülern mit Vollzeitschulpflicht in allgemeinbildenden Schulen der Primar- und Sekundarstufe I an.
  • Inklusionsquote: Sie gibt den Anteil der Schüler und Schülerinnen mit Förderbedarf, die inklusiv in allgemeinen Schulen unterrichtet werden, an allen Schülerinnen und Schülern mit Vollzeitschulpflicht in allgemeinbildenden Schulen der Primar- und Sekundarstufe I an.
  • Inklusionsanteil: Er gibt den Anteil der Schüler und Schülerinnen mit Förderbedarf, die inklusiv unterrichtet werden, an allen Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf an.

 

Im Folgenden werden die Datengruppen, die den vier Begriffen zuzuordnen sind, am Beispiel der Daten für Deutschland insgesamt (Schuljahr 2019/20) berichtet und verdeutlicht:

 

Im Schuljahr 2019/20 kamen in den allgemeinbildenden Schulen (also in den Jahrgangsstufen 1 bis 9 bzw. bis 10 allgemeinen Schulen und in den Förderschulen) insgesamt 7.373.774 Schülerinnen und Schüler ihrer Schulpflicht nach: Bei 559.750 von ihnen wurde ein sonderpädagogischer Förderbedarf diagnostiziert, die Förderquote lag also bei 7,6 Prozent. Von den 544.640 Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf lernten 245.855 in allgemeinen Schulen (Inklusionsquote: 3,3%) und 313.855 in Förderschulen (Exklusionsquote: 4,3 Prozent). Da 245.855 der insgesamt 559.750 Schülerinnen und Schüler mit einem sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemeinen Schulen unterrichtet werden, liegt der Inklusionsanteil bei 43,9 Prozent.

Ein Blick auf die Entwicklung dieser Quoten seit Deutschlands Beitritt zur UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (2009) lässt deutliche länderspezifische Unterschiede erkennen (vgl. Tabelle 2): Auf der einen Seite haben wir Länder, in denen seit 2008/09, dem letzten Jahr vor Deutschlands Beitritt, der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die in Förderschulen unterrichtet werden, weiter zugenommen hat: Zu dieser Ländergruppe zählen Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz. Diese Länder haben sich vom Ziel Inklusion seit 2008/09 weiter entfernt. Auf der anderen Seite finden sich Länder, die sich dem UN-Ziel kontinuierlich angenähert haben. Dazu zählen insbesondere die drei Stadtstaaten Berlin, Bremen, Hamburg sowie Schleswig-Holstein.

Die jüngste Entwicklung vom Schuljahr 2018/19 zum Schuljahr 2019/20 zeigt, dass sich dieser Trend einer in Deutschlang gespaltenen Entwicklung fortgesetzt hat: In Berlin stagniert die Exklusionsquote auf niedrigem Niveau, in Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein sinkt sie weiter. Im gleichen Zeitraum stagniert diese Quote in Bayern, in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz setzt sich ihr Anstieg fort. Ein Blick auf die Gesamtheit der Bundesländer zeigt, dass die Exklusionsquote neuerdings in acht Bundesländern steigt, in fünf Ländern stagniert und nur in drei Ländern weiter zurückgeht. Insgesamt zeigt sich, dass die Exklusionsquote in Deutschland 2019/20 im Vergleich zu 2018/19 wieder leicht ansteigt. 559.750 Kinder und Jugendlichen mit Förderbedarf allgemeine Schulen besuchten, lag der Inklusionsanteil bei 43,9 Prozent.

Prof. Dr. Klaus Klemm ist emeritierter Erziehungs- und Bildungswissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen. Er leitete dort die Arbeitsgruppe Bildungsplanung und Bildungsforschung, worin bis heute seine Arbeitsschwerpunkte liegen.



Über diesen Bildungsblog

Friedrichs Bildungsblog ist der bildungspolitische Blog der Friedrich-Ebert-Stiftung. Friedrich Ebert ist nicht nur Namensgeber der Stiftung.

Sein Lebensweg vom Sattler und Sohn eines Schneiders zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Deutschlands steht für Aufstieg durch Bildung.

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Katja Irle, Redaktionelle Betreuung des Blogs, Bildungs- und Wissenschaftsjournalistin 

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Florian Dähne, Leiter Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

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