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Europa zwischen den Fronten. Besonders der Brexit ist ein Thema schier endloser Komplexität. In all der Uneinigkeit ist nur eines offensichtlich: Eben jene Uneinigkeit.
Bild: ich brauche ein Navi von David-W- / photocase.de lizenziert unter Basislizenz 5.0
Der Ausgang der Europawahl, die 29 Sitze für Brexiteers im EU-Parlament, Mays Rücktritt: Die neueren Entwicklungen im Brexit-Drehbuch deuten erneut auf die Brisanz des Themas hin. Auch, wenn viele sich dem nicht mehr aussetzen mögen.
Die letzten Monate, insbesondere die Monate vor Ablauf der ersten Brexit-Deadline, haben die Geduld auch der interessiertesten Europäer auf eine harte Probe gestellt.
Bei bestem Willen, sich Großbritannien, Theresa May und Jeremy Corbyn gegenüber offen zu zeigen, wirkten die langwierigen Brexit-Verhandlungen genau das: langwierig. Spätestens nach den vielen diesjährigen Gesprächs-, Rücktritts- und Austrittsgesuchen und -angeboten hat ein großer Teil der Politikinteressierten seufzend aufgegeben. Zu wirr und komplex die Austrittsregelungen, Fristenverschiebungen, Versprechungen und Zugeständnisse, die allerseits um sich geworfen werden. Es kann aber doch nicht sein, dass die Langwierigkeit und das verworrene Procedere eines EU-Austritts diejenigen, denen der Verbleib Großbritanniens noch am Herzen lag zur Resignation treibt. Schließlich aber entscheiden sich genau diese Menschen dann für eine Haltung, die fatalistisch und gegenüber einem möglichen britischen Verbleib in der EU nahezu indifferent ist.
Dabei ist es das nicht. Vielmehr ist es ja so, dass bei aller Komplexität und Austrittsverhandlung eines nahezu nachrangig gehandelt wurde: Die bare Tatsache, dass es nebst den Parteien und ihren Wählern, die sich um einen flüssigen Austritt bemühten, eben auch einen erheblichen Teil des Inselvolkes gab und gibt, das einen Brexit nie befürwortet hat. Und genau eben das, die Uneinigkeit, die über den Streit um ein schmerzloses Austreten im den Hintergrund steppte, ist Thema der neuen Studie „United Kingdom – als Königreich vereint, beim Brexit gespalten“ des Referats Westeuropa / Nordamerika und Japan der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Insbesondere die Tatsache, dass bloß 51,9 Prozent, eine also zieleinlaufknappe Mehrheit, für den Brexit votiert hat, sollte dabei immer im Hinterkopf bleiben. Denn nahezu in allen Einschätzungen ihrer Landessituation bezüglich eines EU-Verbleibs oder -Austritts sind Befürworter und Gegner gänzlich unterschiedlicher Meinung. Die Fragmentierung der Gesellschaft, die auch oft und lang besprochen wurde, aber irgendwie nie wirklich festzumachen war, ist wohl das Hauptproblem der Briten. Während die einen fest davon ausgehen, ein Abschied vom Bund brächte Fortschritt und Sicherheit, wissen die anderen ausschließlich vom Gegenteil zu berichten. Unvereinbar, scheint es, stehen sich die Seiten gegenüber.
Dennoch aber obliegt Hoffnung, die nicht vergessen gemacht werden sollte: Alle, Brexiteers wie auch Remainers, glauben gemeinsam an ein Set an Prinzipien, die vielleicht Besserung lockt: Brexit oder nicht – in keinem Falle dürfen Briten betroffen sein. Und: Nicht die Festgefahrenen Leavers, doch alle anderen wünschen ein potentielles Rückkehrrecht. Ist nicht das emblematisch für die lauen Hoffnungen, schlussendlich der EU nicht völlig zu entsagen? Wofür ein Rückkehrrecht, gäbe es nicht am Ende einen Funken Rückkehrwillen? Keine Flinte in kein Korn zu werfen, das muss hier wohl weiter die Maxime sein!
Nun ist spätestens nach der Europawahl wieder deutlich geworden, dass denen nicht das Heft überlassen werden darf, die im Parlament mit der einfachsten Maxime ihren Arbeitsalltag bestreiten werden: Da sein, um nicht da zu sein. Spätestens jetzt sollte allen bewusst sein, dass ein Teil der britischen Bevölkerung lieber die EU verlässt, denn sich weiter hin und her zu bewegen, zwischen Europa und Nicht-Europa. Es ist nun unser aller Aufgabe, die EU zu dem Ort zu machen, gefühlt wie wahrhaftig, der auch den Skeptikern eine Vision gemeinsamer Schaffenskraft einverleibt. Denn auch wenn es verlockend ist, sich dem Spiel der Spaltung anzuschließen: Zuallerletzt war es so und wird es immer so sein, dass wir gemeinsam vorwärts gehen.
Ansprechpartner in der Stiftung
Florian Koch
Hilmer, Richard; Maršić, Tomislav
Richard Hilmer und Tomislav Maršić. - Berlin : Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Internationaler Dialog, 2019. - 25 Seiten = 2,5 MB PDF-File. - (Europa)Electronic ed.: Berlin : FES, 2019ISBN 978-3-96250-286-7
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