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Wie sind die Rahmenbedingungen der Kommunalpolitik in den ländlichen Räumen? Wie unterschiedlich sind ländliche Räume in Deutschland? Wie begegnen Kommunen in ländlichen Räumen den Transformations-Herausforderungen unserer Zeit? Diese und andere Fragen diskutierten wir in der zweiteiligen digitalen Fachkonferenz der FES KommunalAkademie mit Unterstützung der Bundes-SGK.
Bild: von picture alliance / Cultura RF | Alan Graf
Drei interessante Impulse aus den unterschiedlicher Perspektiven Wissenschaft, Politik und Förderung erwarteten die Teilnehmer_innen.
Zur sozioökonomischen Entwicklung in Deutschlands Regionen berichtete Vera Gohla, Referentin der FES für Wirtschafts- und Strukturpolitik aus dem Disparitätenbericht 2023 und gab einen Einblick in die Studienergebnisse und deren Handlungsempfehlungen.
Danach erörterte Dr. Manfred Sternberg, Geschäftsführer der Bundes-SGK, die unterschiedlichen Ziele und Auswirkungen der Raumordnungs- und Regionalpolitik in Europa und im Bund.
Im Anschluss stellte Thomas Kralinski, Amtschef und Staatssekretär des sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in seinem Input Wirtschaftspolitik für ländliche Räume in Sachsen die Fragen: Welche Strategien werden bei der Entwicklung ländlicher Räume verfolgt? Wie wirken sich die Transformationsprozesse aus? Wie sieht Förderpolitik in Sachsen aus?
Die Befunde des Disparitätenberichts zeichneten ein differenziertes Bild großer Vielfalt in ländlichen Räumen. In Deutschlands Süden wären die Regionen besonders resilient, was vor allem in die Zukunft positiv wirken werde. Die meisten ländlichen Regionen im Westen und Teilen der ländlichen Räume auch im Osten gehörten zur wirtschaftlich und gesellschaftlich stabilen Mitte. Trotz beachtlicher Erfolge bei Aufholprozessen wiesen viele der Regionen, die im Osten gelegen sind jedoch Anpassungsprobleme an gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen auf.
Insgesamt zeigt sich eine ambivalente Entwicklung: Unterschiede zwischen Stadt und Land, Ost und West haben sich zum Teil relativiert. Gleichzeitig verfestigten sich ungleiche Vermögens- und Einkommensunterschiede im vergangenen Jahrzehnt und das bei einer insgesamt prosperierenden Wirtschaft. Die Schere der Ungleichheit wird sich voraussichtlich noch weiter öffnen. Dies hätte eine Verstärkung gesellschaftlicher Probleme zur Folge, wenn nicht politisch gegengesteuert wird.
Damit Politik in strukturschwachen Gebieten wirken könne, so der Disparitätenbericht, sollten Förderungen von Bund und Ländern möglichst dort ansetzen, wo sie auch am meisten benötigt würden. Es dürfe nicht mehr gelten, „wer hat, dem werde gegeben“ wie beispielsweise in der Forschungsförderung. Dieses vorherrschende System stütze vor allem Regionen, die ohnehin schon gut gestellt seien. Um diese Logik zu überwinden, müssten die alten Fördersysteme wie der Königsteiner Schlüssel überdacht werden.
Im Verlauf der Diskussion kristallisierte sich heraus, dass Transformationsprozesse nicht nur Gefahren bergen. Sie eröffnen neue Chancen – zum Teil werden die Karten neu gemischt, dies gilt beispielsweise für die Digitalisierung und zukunftsträchtige Industrieansiedlungen wie die Ansiedlung von Hightech-Unternehmen in Sachsen.
Laut einer Aktivierungsfrage an die Teilnehmer_innen aus der Veranstaltung, ist das Thema Mobilität tatsächlich eins der drängendsten in ländlichen Räumen. Hier drücke der Schuh am meisten.
Es erwarteten die Teilnehmenden Referent_innen, die mit ihren Impulsen, Einblick in die Praxis der Verkehrswende in einem Landkreis gaben, die wissenschaftliche Perspektive aufzeigten, die Sichtweise von Nutzer_innen aufgriffen und die Einschätzung und Forderungen der Verkehrsunternehmen deutlich formulierten.
Stefan Reinhardt, stellv. Leiter des Geschäftsbereich Nahverkehr der Odenwald-Regional-Gesellschaft mbH, stellte das Verkehrskonzept „garantiert mobil! Smart Mobility im ländlichen Raum“ vor. Der Odenwaldlandkreis habe mit seiner Mobilitäts- und Fahrtzielgarantie tatsächlich Furore gemacht und ist damit einer der „early adopters“ oder „first mover“ (2009), die ein integriertes Mobilitätskonzept inklusive Internetplattform geschaffen haben, das vom ÖPNV bis zur privaten Mitnahme alles umfasst.
Eine deutlich bessere Finanzierung der lokalen Verkehre durch Land und Bund mahnte Stefan Reinhardt an, um die Mobilitätswende Wirklichkeit werden zu lassen. Zugleich müssten für die Zukunft die Grenzen von Landkreisen und Verkehrsverbünden durchlässiger werden.
Dr. Melanie Herget, wissenschaftliche Mitarbeiterin Verkehrsplanung an der Universität Kassel, informierte über aktuelle Ergebnisse und Analysen aus den Projekten von „LandMobil“ und präsentierte daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen.
Sie betonte in ihrem Vortrag, dass Mobilität auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit sei. Hier werde der Stadt-Land-Unterschied sehr deutlich und der von „Autobesitz“ und – „kein Autobesitz“. Wer ein Auto besitze, lege längere Strecken zurück, wer kein Auto besitze und auf dem Land wohne sei sehr eingeschränkt. Dies liege am dort oft unzureichenden ÖPNV-Angebot.
Außerdem habe sich in Deutschland keine Mitfahrkultur entwickelt und das Fahrrad werde wegen fehlender Radwege zu wenig genutzt. Um eine Alternative zum Auto zu bieten, müssten Angebote nahtlos ineinandergreifen. Also spräche alles für ein integriertes Konzept wie das im Odenwald. Zu den finanziellen Mitteln von Bund und Ländern müsse als weitere Säule auch eine Nutznießerfinanzierung hinzukommen. Wünschenswert sei es, Mobilität als Daseinsvorsorge zur Pflichtaufgabe zu machen und entsprechende Standards gesetzlich zu verankern.
Im Anschluss wurde sondiert, was möglich werde, wenn die politischen Weichen entsprechend gestellt würden.
Kerstin Hurek, Leiterin Verkehrspolitik beim ACE Auto Club Europa e.V., machte deutlich, der ACE habe sich ausführlich mit der Verkehrswende und der Rolle der unterschiedlichen Mobilitätsformen sowie den politischen Voraussetzungen auseinandergesetzt und dazu natürlich auch mit den ländlichen Räumen. Die Verkehrswende müsse Mobilität für alle bieten und mit einem Gewinn an Lebensqualität verbunden sein und das nicht nur in der Stadt. Sie forderte „Mehr Lebensqualität auf dem Land durch vielfältige Mobilitätsangebote“.
Alexander Möller, Geschäftsführer ÖPNV beim VDV Verband Deutscher Verkehrsunternehmer, empfahl: „Das Zweitauto kann weg - Öffentliche Mobilität im ländlichen Raum“. Dies werde aber nur möglich, wenn das Angebot stimme.
Er warnte davor zu glauben, die Mobilitätswende käme mit dem Deutschlandticket von allein. Wenn das entsprechende Angebot fehle, würde dies ein Fiasko für den ÖPNV, der sich gegenwärtig ohnehin vielen Herausforderungen stellen müsse. Das sichtbar gewordene Potenzial müsse nun gehoben werden, das gehe nur mit massiven Investitionen. Dies könnten die Kommunen und Verkehrsunternehmen nicht allein stemmen, hier seien Bund und Länder gefordert Antworten zu liefern.
Im Ergebnis wurde deutlich, dass eine verbindliche Mobilitätsgarantie notwendig ist, um die Wende im Verkehr herbeizuführen. Dazu gehören ein digitales und integriertes Angebot ohne räumliche Beschränkungen. Die Finanzierung muss hinreichend und verlässlich sein. Projekte könnten ausloten, was möglich ist, am Ende ist aber immer die Frage zu klären, wie das Erreichte und Wünschenswerte am Ende verstetigt werden kann. Wichtig ist auch zu klären, wo die Verantwortlichkeiten liegen und welche Ebenen angesprochen sind.
Es fehlen verbindliche politische Rahmensetzungen wie Mindeststandards bei Erreichbarkeit und Versorgung. Die Frage der Gerechtigkeit bei der Verteilung der Mobilitätsmöglichkeiten muss geklärt werden. Respekt und Wertschätzung gelte jenen, die sich ehren- oder hauptamtlich für die Mobilitätswende engagieren. Das Deutschlandticket kann erst der Beginn sein, noch wichtiger ist aber der Ausbau.
Der öffentliche Personennahverkehr auf dem Land kann zum Erfolg geführt werden, mit einer Verknüpfung von Linien und Bedarfsverkehren mit dem Individualverkehr vom Carsharing bis zum Fahrrad. Auch das Auto wird in diesem Zukunftsbild noch eine wichtige Rolle spielen. Zukünftige Perspektiven durch technologischen Fortschritt, wie automatisiertes Fahren, werden die Mobilitätswende auf dem Land erleichtern.
Zu guter Letzt gibt es auch bei der Automobilität noch viel zu tun. Für den Klimaschutz muss auch hier die Antriebswende verfolgt werden. Genau betrachtet liegt aber auch hier die Lösung im Bündeln und einer Mehrfachnutzung wie dem Sharing.
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