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Flüchtlingsabkommen mit der Türkei: Mehr als nur ein Deal?

Die EU zahlt und verspricht einiges, als Gegenleistung löst die Türkei ihre Probleme. Verkommen die Schicksale der Geflüchteten zur Verhandlungsmasse oder profitieren am Ende doch alle?

Bild: Bild: Not for Trade Urheber: Freedom House Lizenz: Öffentliche Domäne

Auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung besuchte eine siebenköpfige türkische Parlamentarierdelegation Berlin. Am 14. März diskutierten sie mit Dr. Dorothee Schlegel, SPD-Abgeordnete im Bundestag, das Flüchtlingsabkommen zwischen der Türkei und der EU. Eigentlich hätte die Reise der Delegation schon 2015 Jahr stattfinden sollen. Doch dann kamen die Parlamentswahlen in der Türkei dazwischen und so kam der Besuch erst jetzt zustande. Für die interessierte Öffentlichkeit ist das ein guter Zeitpunkt, ist doch kaum ein anderes Thema momentan derart prominent, und so waren die Stuhlreihen im großen Konferenzsaal der Friedrich-Ebert-Stiftung an der Hiroshimastraße vollbesetzt.

Das Thema des Abends – die Verhandlungen der EU mit der Türkei – beschäftigt Politik und Gesellschaft intensiv. Seit Wochen wird um ein Abkommen gerungen, zuletzt wurde die Entscheidung auf den 17. März vertagt, auch weil die Türkei ihre Forderungen erhöht hat. Grundsätzlich geht es um die Rückführung der über die Ägäis nach Griechenland Geflüchteten in die Türkei. Dafür zahlt die EU drei Milliarden Euro, zusätzlich soll es Erleichterungen bei der Visumspflicht geben und die stockenden Beitrittsverhandlungen zwischen EU und Türkei sollen wiederaufgenommen werden.

Dass die Türkei viel mehr Geflüchtete aufnimmt als alle europäischen Länder zusammen, darauf wiesen auch die drei türkischen Abgeordneten hin, freilich mit unterschiedlichen Gewichtungen. Atay Uslu, der Vertreter der Regierungspartei AKP, nutzte die Gelegenheit und stellte selbstbewusst fest, dass die über 2,7 Millionen Flüchtlinge im Land keine Regierungskrise und hunderte Brandanschläge wie in Deutschland verursacht hätten. Für den armenischen Abgeordneten der linken, kurdisch geprägten HDP war es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Ostgrenze der Türkei ein künstliche ist: dies- und jenseits leben Türken, Kurden, Araber, Turkmenen. Möglicherweise ein Grund, warum „Willkommenskultur“ dort nicht nur ein vorübergehendes „Herbstmärchen“ war. Der Journalist Utku Çakırözer, der für die kemalistische CHP im Parlament sitzt, warf der EU und der Erdoğan -Regierung gleichermaßen vor, auf dem Rücken der Flüchtlinge ihren Deal zu machen. Hat doch Präsident Erdoğan gedroht, bei einem Scheitern der Verhandlungen die Flüchtlinge einfach in Busse in Richtung EU zu setzen.

Gemeinsamkeiten zeigten sich wieder, als alle auf dem Podium daran erinnerten, dass die Lasten nur gemeinsam getragen werden können. Auf allen Seiten muss sich bewusstgemacht werden, dass die Flucht vor dem syrischen Bürgerkrieg Herausforderungen und Probleme für alle darstellt – die auch nur gemeinsam gelöst werden können.

Großen Raum in der Diskussion nahm auch das Thema des EU-Beitritts der Türkei ein. Der zivilgesellschaftliche Vertreter in der Delegation, der Psychologe Prof. Dr. Ali Gitmez von der „Vereinigung für Solidarität mit Asylsuchenden und Migranten“, bestätigte, dass für alle türkischen Parteien der EU-Beitritt ein wichtiges Thema bleibt – entgegen der vermeintlichen neo-osmanischen Neuorientierungen der Türkei. So befürwortete auch Dorothee Schlegel die schnelle Eröffnung der Kapitel 23 und 24, die rechtsstaatliche Standards für einen EU-Beitritt festlegen. Man stelle sich die Republik Türkei mit einer freien Presse, unabhängigen Gerichten und fairen Prozessen vor – wäre das nicht ein echter Partner auf Augenhöhe und EU-Kandidat, nicht nur ein strategischer Partner, ein Pufferstaat nach Osten, wie Herr Çakırözer zurecht beklagte?

In der abschließenden Publikumsrunde meldete sich auch Rita Süssmuth, ehemalige Bundestagspräsidentin, zu Wort. Sie lobte den offenen Diskurs auf dem Podium, aber auch allgemeine positive Veränderungen wie zum Beispiel in den griechisch-türkischen Beziehungen. Das Wort „Deal“ hingegen gefalle ihr überhaupt nicht, es könne nicht nur um das „Gibst du mir, geb ich dir“ gehen. Eine Mahnung auch in Richtung EU und Türkei vor dem Abkommen.

Weitere Links zum Thema:

Petra Bendel: „Die Flüchtlingspolitik der EU – Menschenrechte wahren!“ FES 2015, analysiert detailliert die europäische Flüchtlingpolitik und mach konkrete Handlungsvorschläge.

Felix Eikenberg und Friederike Stolleis: „Jenseits von Lampedusa: Flucht und Migration im Nahen Osten und Nordafrika“, FES 2015, diskutiert das Thema mit Bezug zum Verhältnis zur EU sowie über die Flüchtlingssituation in der Türkei.

Rückblick: Schon 2013 ein Thema, fast die gleiche Diskussion – Kommentar aus der taz, 05.12.2013.

Die European Stability Initiative (ESI) schreibt, warum ein Scheitern des Abkommens auch menschenrechtlich verheerende Folgen hätte, 16.04.2016

 


Bildungs- und Hochschulpolitik
Florian Dähne
florian.daehne(at)fes.de

Lena Bülow
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