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Privatschulen - Elitäre Einrichtungen für Reiche oder eine Bereicherung des Schulwesens?
Bild: FES Studie - Privatschulen in Deutschland von Shutterstock
Für die einen sind sie elitäre Einrichtungen, Angebote vor allem für Kinder und Jugendliche reicher Eltern. Für manche sind sie sogar ein Beleg dafür, dass Bildung käuflich ist. Für andere sind sie eine willkommene Bereicherung des öffentlichen Schulwesens, weil sie die Vielfalt der Bildungsangebote fördern und Qualitätsentwicklung durch Wettbewerb ermöglichen. Nicht wenige halten sie für die innovativeren und reformfreudigeren Schulen.
Die Kontroverse um das Privatschulwesen in Deutschland hält an. Die Positionen können unterschiedlicher kaum sein und nicht selten sind sie interessengeleitet. Grundlagen zu schaffen für eine rationale Argumentation, ist das Anliegen dieser Studie. Sie will einen prägnanten, soweit möglich datengestützten Überblick über das Privatschulwesen in Deutschland geben und die vom Netzwerk Bildung der Friedrich-Ebert-Stiftung im Jahr 2011 vorgelegte Studie aktualisieren.
Die Studie zeigt: Von einem überwältigenden Ansturm auf private Schulen, von einer Flucht aus öffentlichen Schulen zu sprechen, scheint unangemessen. Im Schuljahr 2015/2016 haben ca. 9% der Schüler_innen in Deutschland die mehr als 3.600 allgemeinbildenden privaten Schulen besucht. Der Anteil hat sich seit 1992 nahezu verdoppelt, ist aber im Wesentlichen auf einen Nachholeffekt in den ostdeutschen Ländern zurückzuführen. Unbestritten ist, dass Privatschulen an Bedeutung gewonnen und ihr Wachstumspotenzial möglicherweise noch nicht ausgeschöpft haben. Aber im Vergleich zu Ländern wie den Niederlanden, wo ca. 70 Prozent aller Schüler_innen in Privatschulen unterrichtet werden, sind Privatschulen bei uns zurzeit noch immer eher die Ausnahme als die Regel.
Wo öffentliche Schulen fehlen, werden häufig private Schulen gegründet, nicht selten Zwergschulen. Hier stellt sich die Frage, inwieweit der Staat, der für das Schulwesen verantwortlich ist, sich vollends mit eigenen Schulen aus ländlichen Regionen zurückziehen und die Schulversorgung freien Trägern gänzlich überlassen sollte. Solche Fälle gibt es.
Sollen konfessionslose Kinder eine kirchliche Schule besuchen müssen? Sollen Eltern, die eine reformpädagogische Orientierung nicht wollen, ihr Kind trotzdem auf einer solchen Schule anmelden müssen? Wenn ja, wer zahlt das Schulgeld? Auch das wird deutlich: Private Schulen sind nur bedingt privat, denn ihre Kosten werden weit überwiegend vom Staat finanziert. Sie haben einen grundsätzlichen Anspruch auf Subventionierung, der von den Ländern erfüllt wird. Die von einzelnen freien Trägern vorgetragene Behauptung, das Privatschulwesen insgesamt sei wegen einer unzureichenden staatlichen Finanzhilfe existentiell gefährdet, ist schwer nachvollziehbar – zumal angesichts der kontinuierlich wachsenden Zahl privater Schulen.
Problematisch ist jedoch, dass dem Verbot der Sonderung nach den Besitzverhältnissen in einzelnen Ländern nicht ausreichend Beachtung geschenkt wird. Es ist im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass Ersatzschulen zur Finanzierung ihres Eigenanteils Schulgeld verlangen. Aber die zum Teil beträchtliche Höhe der Gebühren kann als Verstoß gegen das Prinzip der Chancengleichheit gedeutet werden, als Verstoß gegen den vom Verfassungsgeber verfolgten sozialstaatlichen, egalitären Ansatz, eine Etablierung von Standesschulen zu verhindern. Dies zu unterbinden, ist Aufgabe der Länder und dringend geboten.
Privatschulen sind frei bei der Gestaltung des Schulbetriebs nach eigenen pädagogischen, religiösen und weltanschaulichen Grundsätzen. Entsprechend unterschiedlich sind ihre pädagogischen Konzepte. Programmatisch setzen sie nicht selten auf ein ganzheitliches Bildungsverständnis, auf eine Pädagogik vom Kind aus. Sie betonen dabei den Erziehungsauftrag der Schule und verstehen sich eher als Lernwerkstatt denn als Lehranstalt. Sie fördern die Vielfalt des Schulangebots, indem sie Angebote für unterschiedliche Vorstellungen von Bildung und Erziehung unterbreiten. So gesehen sind sie eine Bereicherung des Schulwesens. Individuelle Förderung, Ganztag, das Verständnis von Schule als Lern- und Lebensraum – das wird jedoch längst auch in öffentlichen Schulen großgeschrieben.
Die vorliegende Studie zeigt, dass private Schulen qualitativ nicht besser sind als öffentliche. Empirische Evidenz für die vermeintliche generelle Überlegenheit privater Schulen findet sich nicht. Gemessen an den erreichten Kompetenzständen unterscheiden sich die Bildungserfolge der Kinder und Jugendlichen aus Schulen in privater und öffentlicher Trägerschaft nur geringfügig in einem Einzelbereich, sofern man die Effekte des sozial selektiven Zugangs zu Privatschulen berücksichtigt.
Damit bestätigen aktuelle Daten die bisherigen Befunde. Kinder und Jugendliche mit Zuwanderungshintergrund besuchen deutlich seltener private Schulen; jene aus Elternhäusern, die über einen höheren Bildungsstand verfügen und finanziell bessergestellt sind, hingegen erheblich häufiger. Klientel privater Schulen sind oft Eltern aus gehobenen Milieus und der bürgerlichen Mitte, die private Schulen aufsuchen, weil sie für ihre Kinder Milieunähe und Vorteile durch Distinktion suchen. Privatschulen scheinen denen, die auf Abgrenzung und Statussicherung bedacht sind, eine Option zu bieten, ihre Intentionen im Bildungsbereich umzusetzen – mit möglicherweise problematischen Folgen für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Wie sollen junge Menschen unterschiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft einander verstehen lernen, wenn sie keine gemeinsamen Erfahrungen machen konnten? Wie soll sich so Empathie, wie Solidarität entwickeln? Weil Schulen eine Sozialisationsfunktion zu erfüllen haben, ist es wichtig, die Privatschulen danach zu befragen, wie sie diese erfüllen wollen.
Dass soziale und ethnische Segregation durch das Privatschulwesen verstärkt werden, ist ein problematischer Befund. Allerdings dürfen wir eines nicht vergessen: Das größere Problem ist die Selektivität unseres Bildungswesens insgesamt. Sonderung nach Herkunft gibt es nämlich auch dort, wo kein Schulgeld verlangt wird – im öffentlichen Schulsystem. Die künftige Entwicklung privater Schulen wird auch davon abhängen, inwieweit es ihnen gelingen wird, den absehbaren Lehrkräftebedarf zu decken. Hier stehen sie in Konkurrenz zu öffentlichen Schulen, die jedoch als Vorteil oft den Beamtenstatus und höhere Gehälter anbieten können. Andererseits werden sich alle Schulen auf eine zunehmend heterogene Schülerschaft einstellen müssen – denken wir etwa an die Einführung inklusiver Schulen oder an den weiter steigenden Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Erscheinen öffentliche Schulen damit überfordert, könnte sich der Trend zu privaten Schulen, könnten sich Segregationstendenzen verstärken. So gesehen hängt die Zukunft öffentlicher Schulen auch vom erfolgreichen Umgang mit Heterogenität ab.
Wir danken den Autor_innen dieser Studie Prof. i.R. Dr. Klaus Klemm, Universität Duisburg-Essen, Lars Hoffmann, IQB, Prof. Dr. Petra Stanat, IQB, sowie Prof. Dr. Kai Maaz, DIPF, für die Erstellung dieser Studie. Wir hoffen, damit die weitere Debatte zu Trends und Perspektiven privater und öffentlicher Schulen auf Grundlage neuer Daten zu befördern, und wünschen eine spannende Lektüre.
Trends und Leistungsvergleiche / Klaus Klemm, Lars Hoffmann, Kai Maaz, Petra Stanat. - Berlin : Friedrich-Ebert-Stiftung, Abt. Studienförderung, 2018. - 84 Seiten = 1,9 MB PDF-File. - (Schriftenreihe des Netzwerk Bildung)Electronic ed.: Berlin : FES, 2018ISBN 978-3-96250-057-3
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Bildungs- und Hochschulpolitik Florian Dähneflorian.daehne(at)fes.de Lena Bülowlena.buelow(at)fes.de
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