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Sozialdemokratische Parteien haben vielerorts in Europa mit dramatischen Stimmverlusten und der Konkurrenz neuer linker sowie rechter Parteien zu kämpfen. Wie sieht eine sozialdemokratische Vision für Europa aus?
Bild: Time Jumper von Hartwig HKD lizenziert unter CC BY-ND 2.0
Die SPD ist mit ihrem bislang schlechtesten Ergebnis bei Bundestagswahlen nicht allein, überall in Europa haben es sozialdemokratische Parteien zurzeit schwer: 2017 ist die niederländische Partij van de Arbeid bei den Parlamentswahlen von zuvor 26 auf sechs Prozent abgestürzt, die französische Parti Socialiste im ersten Wahlgang der Parlamentswahlen von 29 auf sieben Prozent. In Griechenland und Tschechien sind die Einbrüche ähnlich, anderswo geht es etwas langsamer mit der Wählerabwanderung – aber selbst die sozialdemokratische Bastion Skandinavien bleibt nicht verschont.
Seit der Finanz- und Eurokrise geraten sozialdemokratische Parteien überall in Europa unter Druck. Linke Bewegungen werfen ihnen neoliberale Reformen vor, nach Meinung der Rechten tun sie zu Migrationsfreundlich. Einigen sozialdemokratischen Parteien gelingt es trotzdem, bei Wahlen Boden gutzumachen, so zum Beispiel in Portugal und Großbritannien. Wie soll sich die europäische Sozialdemokratie also positionieren und präsentieren? Unter dieser Leitfrage brachte eine Diskussionsveranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Brüssel europäische Sozialdemokrat_innen zusammen.
Jernej Pikalo, dessen slowenische Socialni Demokrati bei den letzten beiden Parlamentswahlen insgesamt rund 80 Prozent ihrer Wähler_innen verloren hat, analysierte, dass sozialdemokratische Ideen sowohl im Mainstream als auch bei rechten Parteien wiederzufinden seien, sodass nicht länger das Original gewählt wird. Hier müsse die Sozialdemokratie nicht nur politisch liefern, sondern auch die Medienarbeit und Berichterstattung zu eigenen Erfolgen verbessern. Die steigende soziale Ungleichheit als Begleiterscheinung der Globalisierung müsse nicht nur national, sondern auch auf europäischer und globaler Ebene angegangen werden, so Pikalo. Eine entsprechende Mission fehle der EU, die nach Jahrzehnten der Deregulierung nachdenken müsse außerdem mehr über fortschrittliche „Reregulierung“ nachdenken müsse. Jo Leinen sieht globale Entwicklungen wie Digitalisierung, Steuervermeidung multinationaler Unternehmen oder Überwachung als zentrale Herausforderungen für die europäische Sozialdemokratie. Johanna Uekermann und Kati Piri stimmten überein, dass sozialdemokratische Parteien zunächst auf nationaler Ebene wiedererstarken müssten, um sich dann gemeinsam in der Europäischen Union effektiv für ein soziales Europa einsetzen zu können. Udo Bullmann beschreibt das gegenwärtig dominante Wachstumsmodell, das sich nur steigenden Bruttoinlandsprodukten verschreibt, als überholt. Ein neues Modell müsse hingegen Aspekte der Nachhaltigkeit, der gesellschaftlichen Inklusion und der Bewahrung sozialer Beziehungen berücksichtigen.
Die sozialdemokratischen Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität ziehen nach wie vor. Allerdings so gut, dass sie von den neuen rechtspopulistischen Parteien vereinnahmt werden-. Gerechtigkeit und Solidarität werden dabei jedoch nur auf das eigene „Volk“ gemünzt – unter dem Deckmantel der Behauptung, Sozialstaat und Einwanderung gingen nicht zusammen. Aber auch wenn momentan jeder über Einwanderung redet, ist das über den Tag hinausweisende und allumfassende Thema die Veränderung der Arbeitswelt im Industrie- und Dienstleistungssektor. Inhaltlich sollte sich die europäische Sozialdemokratie diesem traditionellen Kernbereich ihrer Expertise besonders intensiv widmen. Organisatorisch muss sie außerdem ihre politischen Ambitionen und Erfolge besser öffentlich kommunizieren, aber auch die Basis so einbinden, dass diese zentralen Zukunftsfelder dynamisch und inklusiv vorangebracht werden können.
Ansprechpartnerin in der Stiftung:
Arne Schildberg
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