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Feministische Lösungen für einen sozial gerechten Wiederaufbau nach COVID-19

Zeiten von Krise und Erneuerung sind immer auch Gelegenheiten für mutige und innovative Veränderungen in der Politik. Es ist Zeit für feministische Alternativen! Ein neuer W7 Blogbeitrag vom Gender and Development Network (GADN).

Zeiten von Krise und Erneuerung sind immer auch Gelegenheiten für mutige und innovative Veränderungen in der Politik. Alle sind sich einig, dass der wirtschaftliche Wiederaufbau nach der Pandemie sozial gerecht ablaufen soll, aber wie dies erreicht werden soll, ist weiterhin Gegenstand schwieriger Debatten. Die große Herausforderung für die Staats- und Regierungschefs der G7 bleibt die konkrete Gestaltung des Wandels: Die 'Alte Normalität' muss einer Wirtschaft weichen, die menschliches Wohlergehen und die Sorge füreinander ins Zentrum stellt. Es ist Zeit für feministische Alternativen!
 

Ein feministischer Wiederaufbau nach der Pandemie

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau spricht sich ebenso für einen 'feministischen Wiederaufbau nach COVID-19' aus wie UN-Generalsekretär António Guterres. Zahlreiche Vorschläge aus aller Welt zeigen, dass feministische Alternativen in der Politik sowohl nötig als auch tragfähig sind.  Aufbauend auf diesen Arbeiten hat das Gender and Development Networkin Zusammenarbeit mit Feministinnen aus Argentinien, Indien, den Philippinen und Uganda in einem soeben erschienenen Bericht einige Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen dieser Länder mit der Pandemie zusammengefasst.
 

Staaten und Regierungen bekämpfen Ungleichheit nicht effektiv genug

Die Pandemie hat globale Ungleichheiten aufgedeckt und weiter verschärft. Die Auswirkungen spüren insbesondere Frauen mit intersektionalen Diskriminierungserfahrungen. Die anhaltenden Ungleichheiten schlugen sich auch in unausgewogenen staatlichen Reaktionen auf die Pandemie nieder.  

Die Belastung von Frauen durch unbezahlte Sorgearbeit ist als Folge von Schulschließungen, zusätzlicher Reinigungsarbeit, Krankenpflege und zeitaufwändigerer Lebensmittelbeschaffung sprunghaft angestiegen. Manche Frauen in Indien wurden sogar von ihren Familien davon abgehalten, einer bezahlten Arbeit nachzugehen, damit sie mehr Zeit für die zusätzliche Sorgearbeit hatten. Staatliche Maßnahmen zur Abmilderung dieser Sorgelast blieben jedoch die Ausnahme.

Die Arbeitslosenquote von Frauen ist stärker angestiegen als die von Männern. Ihre Rückkehr in die Arbeitswelt verläuft langsamer. Da Frauen oft in informellen Arbeitsverhältnissen stehen, haben sie weniger Zugang zu sozialer Sicherung – etwa in Indien, wo viele Frauen die Kriterien für die Inanspruchnahme von Hilfsleistungen nicht erfüllen. Die Rettungspakete der ugandischen Regierung richteten sich eher an große Unternehmen als an kleine, frauengeführte Betriebe. Auch Frauen, die ihre Arbeit behielten, wurden zusätzlich belastet. In Uganda durften Frauen weiter im Lebensmittelhandel tätig bleiben, um die Lebensmittelversorgung aufrecht zu erhalten, aber sie durften nicht mehr nach Hause pendeln, sondern mussten auf den Märkten übernachten. Dadurch stieg für sie das Risiko von Infektion und Gewalterfahrung. Sogar in Argentinien, dessen Regierung für ihre progressive Politik im Bereich der Sorgearbeit gelobt wurde, waren Hausangestellte mit gesteigerten Anforderungen oder Arbeitslosigkeit konfrontiert.
 

Lektionen für die Zukunft

Wenn der Wiederaufbau nach der Pandemie sozial gerecht verlaufen soll, brauchen wir eine transformative Politik, die auf den folgenden drei Säulen beruhen sollte:

  1. Bewahrung und Förderung partizipativer Entscheidungsmechanismen. Die am stärksten Betroffenen müssen im Fokus stehen. Organisationen zu fördern, die sich für Frauenrechte einsetzen, kann helfen, die Stimmen derjenigen zu verstärken, die am meisten marginalisiert sind. Lokale Aktivistinnen haben gezeigt, wie wichtig es ist, den Menschen vor Ort zuzuhören.
  2. Formulierung und konsequente Umsetzung politischer Maßnahmen, die die Lebensrealitäten von Frauen reflektieren und auf sie reagieren. Hierzu braucht es intersektionale Analysen. Die Tatsache, dass Frauen häufiger als Männer im informellen Sektor und in unterbezahlten Pflegeberufen arbeiten und die Hauptlast der Sorgearbeit schultern, muss sich in staatlichen Maßnahmen niederschlagen. Eine bessere Politik muss die Barrieren, denen Frauen gegenüberstehen, anerkennen. Eine universale soziale Sicherung wäre ein erster Schritt zur Verbesserung.
  3. Umsetzung feministischer Vorschläge für eine gerechtere und inklusivere Wirtschaft. Investitionen in soziale Infrastruktur könnten mehr Arbeitsplätze für Frauen schaffen, die unbezahlte Sorgelast reduzieren und die Pflegesituation für die gesamte örtliche Gemeinschaft verbessern. Die dadurch geschaffenen wirtschaftlichen Impulse würden perspektivisch zu mehr Steuereinnahmen führen. Existenzsichernde Löhne und die Durchsetzung von ILO-Konventionen würden zusätzliche gute Arbeitsplätze für Frauen schaffen.
     

Was sollten die Staats- und Regierungschef_innen tun?

Die politischen Entscheidungen und fiskalischen Handlungsräume der Staaten werden stark von der Weltwirtschaft mitbestimmt. Mangelnde Regulierung multinationaler Konzerne hat dazu geführt, dass Arbeitnehmer_innen im Globalen Süden die Hauptlast einer sinkenden Konsumnachfrage tragen, da deren Auswirkungen einfach durch die Lieferkette durchgereicht wurden. Kredite der internationalen Finanzinstitutionen (IFIs) sind wieder stärker an Bedingungen geknüpft, die die Staaten zu Sparmaßnahmen zwingen – obwohl die negativen Auswirkungen solcher Konditionalitäten bekannt sind. Das erschwert öffentliche Ausgaben und begünstigt eine regressive Besteuerungspolitik, was Investitionen in soziale Infrastruktur behindert. "Flexibilisierung" von Arbeitsbedingungen führt dazu, dass immer weniger menschenwürdige Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Die wachsende Schuldenkrise im Globalen Süden schränkt die Fähigkeit von Staaten und Regierungen, öffentliche Dienstleistungen oder soziale Sicherungsmechanismen zu finanzieren, weiter ein. 

Die Staats- und Regierungschefs der G7 müssen daher

Die Lösungen sind da – sowohl für nationale als auch für internationale Maßnahmen. Jetzt gilt es, einen gerechten Wiederaufbau nach der Pandemie zu gestalten, in dem Sorge, Pflege und Wohlergehen im Zentrum stehen. Es ist an den Staats- und Regierungschef_innen der Welt, ob in der G7, der G20 oder im Rahmen der internationalen Finanzinstitutionen, zu zeigen, dass sie den politischen Willen haben, zuzuhören, zu lernen und zu handeln.

 

 

Über die Autorinnen

Das Gender and Development Network (GADN) ist ein Netzwerk britischer NGOs, Berater_innen, Wissenschaftler_innen und Einzelpersonen, die zu Fragen von Geschlecht, Entwicklung und Frauenrechten arbeiten. Unser Ziel ist, dafür zu sorgen, dass die internationale Entwicklungspolitik und -praxis Geschlechtergerechtigkeit und die Rechte von Mädchen und Frauen fördert, damit alle Frauen und Mädchen ihre Rechte diskriminierungsfrei genießen können.

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Marius Müller-Hennig
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