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Warum fehlt es an Vielfalt in kommunalen Spitzenämtern?

Diese Frage stand im Zentrum einer digitalen Veranstaltung des FES-Landesbüros Baden-Württemberg am 1. Juni 2021. Wir sprachen mit Organisator Florian Koch über die Hintergründe.



FES: Herr Koch, was hat den Ausschlag für die Organisation dieser Veranstaltung gegeben?

Das Fritz Erler Forum, das Landebüro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Baden-Württemberg, arbeitet seit vielen Jahren zu kommunalen Themen und unterstützt damit Menschen, die sich vor Ort gesellschaftspolitisch beteiligen möchten. Neben der Arbeit im Gemeinderat, legen wir dabei ein besonderes Augenmerk auf kommunale Spitzenpositionen, insbesondere auf das Amt der Bürgermeisterin bzw. des Bürgermeisters. Im Rahmen dieser Arbeit kam die Frage auf, inwieweit Bürgermeister_innen die heutige Gesellschaft repräsentieren. Das Ergebnis war leider sehr eindeutig: Neben Menschen mit ausländischen Wurzeln sind Frauen in diesem Amt nach wie vor stark unterrepräsentiert. Dieser Missstand ist nicht neu, er muss aber kontinuierlich diskutiert werden, um in der Gesellschaft und bei Entscheidungsträgern_innen ein Bewusstsein für die Notwendigkeit für Veränderungen zu schaffen. Dazu wollten wir mit dieser Veranstaltung einen Beitrag leisten. Letztlich geht es um die Frage wie wir zukünftig und solidarisch miteinander leben wollen.

Was ist Ihnen aus der Diskussion in besonderer Erinnerung geblieben?

Die Debatte war sehr vielseitig, was eine kurze Antwort auf diese Frage schwierig macht. Es war toll zu hören, mit welch positiver Energie die beiden Kommunalpolitiker_innen, Timur Özcan, Bürgermeister in der Gemeinde Walzbachtal, und Afra Gamoori, Stadträtin in Hannover, auf dem Podium von ihrer Arbeit berichteten und mit welchem Elan sie an die Aufgaben gehen. Trotz gewisser Widerstände haben sie sich nie entmutigen lassen, sich zu engagieren. Das Credo der beiden ist, ihre Person und ihre Kompetenzen in den Vordergrund zu stellen, ihre Herkunft spielt für sie dabei keine Rolle. Sehr gut gefallen hat mir zudem, dass sich die beiden durchaus als Vorbild für andere sehen und aus dieser Funktion Kraft für ihr Tun ziehen.

In Erinnerung bleiben wird mir aber auch die Kritik an Parteien, verbunden mit der Aussage, dass sie grundsätzlich nicht im Interesse der Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund sprechen. O-Ton eines Gastes: „Die Parteien verschlafen die Potenziale dieser Gruppen.“ Zu häufig scheinen die festgefahrenen und behäbigen Strukturen der Parteien den Aufstieg von Menschen mit Einwanderungsbiographie zu behindern.

Zentral war für mich die Forderung, von Dr. Cihan Sinanoglu, der mahnte,mehr in Bildung zu investieren und das Bildungssystem durchlässiger zu machen. Studien belegen, dass der sozio-ökonomische Status darüber entscheide, ob jemand politisch aktiv sei oder nicht. Auch dies erkläre die Repräsentationslücke, da Migrant_innen und ihre Kinder im Durchschnitt häufiger aus Haushalten mit niedrigem Einkommen stammen und auch der Bildungsaufstieg dadurch erschwert ist. Zudem verhindern institutioneller Rassismus und strukturelle Hürden häufig noch den Aufstieg dieser Bevölkerungsgruppen.

Sie konnten spannende Podiumsgäste für Ihre Veranstaltung gewinnen und haben auch einen Video-Clip mit ihnen zusammengestellt. Welche Botschaft vermittelt der Clip?

Dass es sich lohnt, sich zu engagieren und es zunehmend positive Beispiele dafür gibt, dass es Migranten_innen auch in (kommunale) Spitzenämter schaffen. Nach wie vor sind Widerstände zu erwarten, doch zeigt der Clip, dass sich das Land verändert und junge Migranten_innen und ihre Kinder Verantwortung übernehmen wollen.

Das Landesbüro der FES bietet auch Kompetenztrainings im Rahmen der KommunalAkademie Baden-Württemberg an. Welche Rolle spielt Vielfalt hier und wie arbeiten Sie und Ihre Kolleg_innen daran, die Kommunalpolitik „im Ländle“ vielfältiger zu gestalten?

Das Thema Vielfalt in der Kommunalpolitik spielt eine wichtige Rolle für das Fritz Erler Forum. Wir arbeiten seit einigen Jahren dazu und werden dies innerhalb der KommunalAkademie (KA), aber auch durch weitere Dialogveranstaltungen, weiter intensivieren. Im Rahmen der KA werden wir auch dieses Jahr wieder den kommunalpolitischen Grundkurs anbieten, der sich an Integrationsbeiräte_innen richtet. Darüber hinaus planen wir mit einer Interessensvertretung für Migranten_innen für dieses und nächstes Jahr eine Reihe, bei der wir diskutieren wollen wie Parteien Migranten_innen auf kommunaler Ebene stärker einbinden können bzw. sollten. Ausgangspunkt war die FES-Studie Brücken bauen für die Demokratie, die auch für migrantische Interessenvertretungen interessant ist.

Wir danken für das Gespräch!


Florian Koch ist Referent im Fritz-Erler-Forum Baden-Württemberg der Friedrich-Ebert-Stiftung.

 

Das Video finden Sie hier:

Marius Müller-Hennig
030 26935-8328
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