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Das Dilemma der Alterssicherung

Plädoyer für eine umfassende Systemreform

Bild: von picture alliance/Westend61

Altersarmut bei gleichzeitig steigenden Kosten—kaum ein Thema wird so ausführlich in der Öffentlichkeit diskutiert wie unser Rentensystem. Bis 2025 reicht die sogenannte „doppelte Haltlinie“ der schwarz-roten Koalition. Nach dieser sind Sicherungsniveau und Beitragssatzbei 48% bzw. 20% begrenzt und gewähren Erwerbstätigen ein Mindestmaß an Sicherheit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Würde der Staat dies bis 2060 halten wollen, läge der Mehraufwand schätzungsweise bei 64 Milliarden Euro und der Eigentumscharakter unseres Rentensystems würde verschwimmen, erklärt Thomas Ebert, Autor der Studie „Das Dilemma der Alterssicherung. Plädoyer für eine umfassende Systemreform“. Und selbst mit diesen enormen Mitteln stehen wir bereits jetzt einem kritischen Ausmaß an Altersarmut gegenüber und es scheint kein Ende in Sicht. Was kommt nach 2025 mit dem Ende der „doppelten Haltlinie“? Es kann scheinbar zweifelsfrei festgestellt werden, dass wir in einem Dilemma stecken, welches auf lange Sicht nur mit grundlegend neuen Ansätzen gelöst werden kann. Der Autor hat sich mit seiner Studie auf die Suche danach gemacht.

Die Teilprivatisierung der gesetzlichen Rentenversicherung

Bereits in den 90er Jahren steckte das Rentensystem in einer Legitimitätskrise. Die rot-grüne Koalition sah sich zum Handeln gezwungen. Das grundlegende Versprechen der gesetzlichen Rente, das einen gewissen Lebensstandard für alle Rentner_innen vorsah, wurde aufgegeben. Es folgte die Teilprivatisierung, welche mehr Renditen bei geringeren Beiträgen bringen sollte. Trotz finanzieller Anreize durch den Staat konnte sich dieser Ansatz bis heute nicht durchsetzen und 30% der sozialversicherungspflichtigen zwischen 25 und 65 Jahren besitzen keinerlei Zusatzvorsorge. Insgesamt stagniert die Anzahl der Riester-Verträge und das Projekt Teilprivatisierung ist nicht effizienter geworden als die Rentenversicherung vor der Reform.

Viele Reparaturen, aber keine langfristige Lösung

Um dies aufzufangen wurden bislang Anpassungen im Rahmen des bereits bestehenden Systems vorgeschlagen und vorgenommen. Ab Januar 2021 tritt zudem die Grundrente in Kraft, welche eine Kombination diverser systematischer Möglichkeiten der Mindestsicherung im Alter darstellt. Dennoch sind all das Reparaturen, die das zuvor genannte Dilemma nicht abschließend lösen können. Auch die hinzugezogene Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ konnte nicht den gewünschten neuen Generationenvertrag hervorbringen und langfristige Lösungen blieben aus. Rahmenbedingungen wie das Äquivalenzprinzip und die berufsständische Gliederung des Rentensystems gelten weiterhin.

Eine umfassende Reform—Das zweistufige Alterssicherungssystem

Sichere Finanzierung und Schutz vor Altersarmut sind grundlegende Voraussetzungen für eine solche Lösung. Eine Möglichkeit eines progressiven Vorschlags, der die Grenzen des alten Systems verlässt, ist die Einführung eine Basisrente am soziokulturellen Existenzminimum von 946€. Diese wird jedem aufenthaltsberechtigten Menschen ab der Altersgrenze zuteil. Auf diesem Sockel wird eine Zusatzrente aufgebaut, in die alle Erwerbstätige, einschließlich Beamt_innen und Selbstständige, nach dem Modell der heutigen Rentenversicherung einzahlen. Die Basisrente wird hingegen durch einen prozentualen Wertschöpfungsbeitrag finanziert, welcher von Einkommen aller Art erhoben wird. Für das Jahr 2018 würde sich damit eine gesamte Beitragsbelastung von 14,7% ergeben. In der Realität lag diese bei 18,6% bzw. ohne Bundeszuschuss bei 23,8%. Neben der geringeren Belastung bietet der Ansatz weitere Vorteile wie einen verringerten bürokratischen Aufwand, da bspw. keine Bedarfsprüfungen nötig wären. Außerdem setzt man durch die Nichtanrechnung auf die Basisrente einen Anreiz, auch bei geringen Ansprüchen die Zusatzrente aufzubauen.

Die Alternative—Erwerbstätigenversicherung mit Wertschöpfungsbeitrag und Mindestrente

Eine dermaßen tiefgreifende Reform ist aus verschiedenen Gründen nicht immer möglich. Eine Alternative wäre eine Erwerbstätigenversicherung mit Wertschöpfungsbeitrag und Mindestrente. Auch bei diesem Vorschlag werden alle Erwerbstätigen einbezogen, jedoch findet hier eine Aufstockung auf eine Mindestrente statt, auf die steuerpflichtige Einkommen angerechnet werden. Darüber hinaus wird auch der Wertschöpfungsbeitrag genutzt, welcher die gesamte Rentenversicherung zur Hälfte mitfinanziert. Der andere Teil bleibt bei der bekannten Finanzierung nach dem Äquivalenzprinzip. Insgesamt ist der Ansatz weniger tiefgreifend, da keine Zweiteilung des Systems stattfindet, allerdings gehen Vorteile wie etwa eine positive Anreizwirkung verloren.

Der Schlüssel liegt im offenen Diskurs

Ob diese Instrumente einen Ausweg aus dem Dilemma darstellen, gilt es zu diskutieren. Grundsätzlich sollte ein offener Austausch stattfinden, der den Blick auch über die bestehenden Grenzen hinaus richtet. Denn wenn die Leistungskapazitäten in Zukunft erreicht werden, sollten langfristige Lösungen in Sicht sein.


Ansprechpartnerin in der FES: Iva Figenwald

Ebert, Thomas

Das Dilemma der Alterssicherung

Plädoyer für eine umfassende Systemreform
Bonn, 2020

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Ansprechpartner

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Jochen.Dahm(at)fes.de

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