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In der Kranken- und Altenpflege arbeiten vor allem Frauen. Sie treten zunehmend selbstbewusst für ihre Rechte ein. Ein Beitrag von Ina Colle.
Bild: Mitarbeiter im öffentlichen Dienst beim Warnstreik in München, 2019 von picture alliance / SZ Photo | Catherina Hess
Im Frühjahr des Corona-Jahres 2020 haben viele für die Pflege applaudiert – auch die Abgeordneten des Deutschen Bundestags. Die Pandemie hat sichtbar gemacht, wie wichtig die Arbeit der Beschäftigten in Krankenhäusern, in der Altenpflege und in der Sozialen Arbeit ist. Doch Applaus zahlt keine Miete. In der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes war die allgemeine Wertschätzung auf Arbeitgeberseite plötzlich vergessen. Wir, die »systemrelevanten« Berufsgruppen in der öffentlichen Daseinsvorsorge, sollten froh sein, dass wir einen sicheren Arbeitsplatz haben, hieß es plötzlich. In einer harten Auseinandersetzung und mit Streiks konnte ver.di letztlich ein respektables Ergebnis erstreiten. Doch der Vorgang zeigt: Respekt bekommen wir nicht geschenkt – wir müssen ihn uns holen.
Was ist eine faire Entlohnung? Das hängt vom jeweiligen Standpunkt ab. Als Pflegekraft in der ambulanten oder stationären Pflege oder in Reha-Einrichtungen – wo insbesondere kommerzielle Träger ihren Beschäftigten keine Tariflöhne zahlen– ist der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) das Maß der Dinge.
Die meisten Beschäftigten kommunaler Krankenhäuser werden nach den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes bezahlt. Bekommen sie eine faire Entlohnung? Verglichen mit den vielen tariflosen Einrichtungen: ja. Gemessen an ihrer Qualifikation und Leistung: nein. Selbst mit TVöD werden Pflegekräfte deutlich schlechter vergütet als Beschäftigte mit vergleichbarer Qualifikation in der Industrie. Das hat auch damit zu tun, dass rund 80 Prozent der Krankenpflegekräfte und 83 Prozent der Altenpflegekräfte Frauen sind. Selbst im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gilt Frauenarbeit immer noch als weniger wert.
Pflegekräfte sind Profis ihres Fachs. Sie absolvieren Fachweiterbildungen, arbeiten mit modernster Technik, führen große Teams und tragen eine enorme Verantwortung. Ihre Bezahlung steht dazu in keinem Verhältnis. Noch immer herrscht das Bild vor, jede_r könne Patient_innen waschen und »füttern«. In keinem anderen Berufszweig würde erwartet, dass die Führungskraft in der Produktion mitarbeitet, um »den Laden am Laufen« zu halten. Bei Stationspflegeleitungen gehört es zum Alltag, dass sie selbst noch in der Pflege an den Patient_innen mitarbeiten, selbst wenn sie 60 Mitarbeiter_innen führen. Auch zu den extremen Belastungen infolge von Schichtarbeit und Personalmangel stehen Anerkennung und Bezahlung in keinem Verhältnis.
In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen für bessere Bedingungen zu sorgen, ist nicht nur im Interesse der Pflegekräfte, sondern für die gesamte Gesellschaft essenziell. Gerade in der Corona-Pandemie zeigt sich, welche Folgen der Personalmangel hat. In den Kliniken fehlt es weder an Technik noch an ärztlichem Personal – das Nadelöhr ist die Pflege. Aus dieser Erfahrung müssen die nötigen Schlussfolgerungen gezogen werden. Dazu gehören bedarfsgerechte und verbindliche Personalstandards, aber auch eine finanzielle Aufwertung. Teil dessen ist ein professionelles Selbstbild der Pflegekräfte und ein Bewusstsein der eigenen Fachlichkeit. Die Profis für die Pflege sind die Pflegenden.
Die von ver.di im öffentlichen Dienst durchgesetzte Pflegezulage ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Weitere müssen folgen. Besonders in der Altenpflege braucht es flächendeckende Tarifstandards. Hier ist die Bundesregierung gefragt, den von ver.di mit der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) ausgehandelten Tarifvertrag auf die gesamte Altenpflege zu erstrecken.
Es tut sich was in der Pflege. Zunehmend selbstbewusst treten Beschäftigte für ihre Interessen ein. Das mit Fug und Recht. Denn das Gesundheitswesen ist eine Wachstumsbranche, von hoher gesellschaftlicher aber auch wirtschaftlicher Bedeutung. Aufgrund anhaltender Proteste stellen Politik und Öffentlichkeit die Ökonomisierung des Gesundheitswesens – die für den Großteil der Probleme verantwortlich ist – offen in Frage. So machen wir weiter. Auch im neuen Jahr.
Autorin:
Ina Colle ist aktiv in der AG Frauen- und Gleichstellungspolitik und Mitglied im Vorstand des ver.di-Bundesfachbereichs Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen. Sie arbeitet beim kommunalen Krankenhauskonzern Vivantes in Berlin.
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Ansprechpartner
Jochen Dahm
0228 883-7106Jochen.Dahm(at)fes.de
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