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Durchbruch mit Hindernissen

Die Verabschiedung der EU-Lieferkettenrichtlinie durch das EU-Parlament war ein langer Weg. Was sie für Unternehmen auf dem europäischen Markt bedeutet, zeigt unsere neue Publikation.


 

EU-Parlament verabschiedet EU-Lieferkettenrichtlinie am 11. Jahrestag von Rana Plaza

 

11 Jahre nach dem verheerenden Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch, hat das Europäische Parlament für die EU-Lieferkettenrichtlinie (engl.: Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) gestimmt. Damit ist der Weg frei für eines der umstrittensten Vorhaben der EU im Bereich der unternehmerischen Sorgfaltspflicht. Formal muss nun auch noch der Europäische Rat zustimmen. Nach all den Kämpfen und Zugeständnissen der letzten Monate sind jedoch keine weiteren Hindernisse zu erwarten.

Die EU-Lieferkettenrichtlinie, umgangssprachlich auch EU-Lieferkettengesetz, verpflichtet große Unternehmen auf dem europäischen Markt Menschenrechte und Umweltschutz in ihren globalen Lieferketten zu achten. Auch außereuropäische Unternehmen, die in der EU Produkte verkaufen, sind von der Richtlinie erfasst. Die EU-Lieferkettenrichtlinie läutet damit einen Paradigmenwechsel ein, für den insbesondere Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Akteure in der EU und weltweit gekämpft haben. Unterstützt wurden sie von progressiven Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Wirtschaft. Denn statt freiwilliger Selbstverpflichtung setzt die Richtlinie auf verbindliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen, die geprüft und bei Nichteinhaltung sanktioniert werden können. Damit gibt die EU eine wichtige Antwort auf den weltweiten Aufschrei, der durch den Einsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik ausgelöst wurde und zu einer globalen Diskussion über Verantwortung, Menschenrechte und Ausbeutung geführt hatte.

 

Was steckt in der EU-Lieferkettenrichtlinie

 

  • In Zukunft müssen Unternehmen ihre Produktionswege und Lieferbeziehungen genau prüfen. Wenn es Risiken für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen gibt, müssen Unternehmen diese priorisieren und geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen. Im besten Fall treten Schäden an Mensch und Umwelt so gar nicht erst auf, sondern werden präventiv verhindert. Nationale Aufsichtsbehörden werden ab 2027 die Einhaltung der Sorgfaltspflichten von Unternehmen überprüfen. Bei Verstößen können sie Bußgelder von bis zu 5 Prozent des Jahresumsatzes verhängen.
  • Die EU-Lieferkettenrichtlinie stärkt die Rolle von Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Akteuren im Prozess der unternehmerischen Sorgfaltspflicht. So müssen Unternehmen Gewerkschaften und betroffene Menschen etwa bei der Risikoanalyse oder bei Maßnahmen zur Wiedergutmachung ernsthaft einbeziehen.
  • Mit der Richtlinie wird auch endlich der Zugang zu Rechtsschutz für Betroffene von Menschen- und Umweltrechtsverletzungen wirkungsvoll gestaltet. Durch die Haftungsregelung haben betroffene Menschen zukünftig die Möglichkeit, Schadensersatz von Unternehmen einzuklagen – wenn Unternehmen den Schaden hätten verhindern können, aber nicht aktiv geworden sind. Damit einher geht auch, dass Gerichte in Zukunft von Unternehmen verlangen können, die Dokumentation ihrer durchgeführen Sorgfaltsmaßnahmen vorzulegen. Auch die Verjährungsfrist wurde geringfügig auf 5 Jahre angehoben.

 

Und was heißt das für das deutsche Lieferkettengesetz?

 

Deutschland gilt mit seinem eigenen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) für viele Mitgliedsländer in der EU als wichtiger Referenzpunkt. Gerade die sozialdemokratischen Kräfte in Deutschland haben das Vorhaben auf europäischer Ebene maßgeblich nach vorne gebracht. Die europäische Richtlinie wird nun auch in Deutschland zu wichtigen Änderungen führen:

  • Zukünftig werden weitere Risiken abgedeckt: So müssen Unternehmen etwa Persönlichkeitsrechte, wie das Recht auf Familie oder Wohnen oder die Religionsfreiheit achten. Wichtige Änderungen gibt es auch beim Thema Lohn: Unternehmen müssen nicht mehr nur auf einen angemessenen Lohn für abhängig Beschäftigte in ihren Lieferketten achten, sondern auch auf ein existenzsicherndes Einkommen für Selbstständige.
  • Die umweltrechtlichen Risiken werden erheblich erweitert.
  • Die regelmäßige Risikoanalyse von Unternehmen muss sich auf alle wahrscheinlichen und schwerwiegenden Risiken der gesamten Aktivitätenkette konzentrieren.
  • Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Akteure müssen zukünftig umfassend einbezogen werden.
  • Es wird auch klargestellt , dass die Unternehmen Pflichten nicht einfach auf ihre kleinen und mittelständigen Zulieferer abwälzen können. Diese können von großen Unternehmen sogar Unterstützung, auch finanzielle Hilfen, verlangen. Das LkSG hat dies noch nicht hinreichend deutlich gemacht.
  • Die Mitgliedsstaaten sind nun verpflichtet, die europäische Richlinie in ihrem nationalen Recht umzusetzen. Deutschland muss also das LkSG überarbeiten. Dabei muss Deutschland auch eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage schaffen.

 

Kein Bürokratiemonster

 

Der Prozess zur EU-Lieferkettenrichtlinie dauerte insgesamt drei Jahre und konnte nur durch weitreichende Zugeständnisse an die Gegner zum Ende gebracht werden. Auch Deutschland vollzog gegen Ende der Verhandlungen eine drastische Kehrtwende und enthielt sich aufgrund der liberalen Kräfte schlussendlich im Europäischen Rat. Im Laufe dieser Kämpfe sind viele Mythen in die Welt gesetzt worden. Die EU-Lieferkettenrichtlinie ist weder ein „Bürokratiemonster” noch wird sie zahlreiche zivilrechtliche Klagen gegen Unternehmen hervorbringen. Vielmehr werden wir alle anerkennen müssen, dass die Richtlinie der längst überfällige Versuch ist, globales Wirtschaften an die ökologischen und sozialen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen. Unsere Globalisierung wird damit nicht nur gerechter und nachhaltiger, sondern auch widerstandsfähiger werden. Damit ist die Richtlinie auch ein Gewinn für die wirtschaftliche Entwicklung der EU und der Produktionsländer weltweit.

 

Vergleich zwischen der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und dem deutschen Lieferkettengesetz (LkSG)

 

Perspektive "Die EU-Lieferkettenrichtlinie - Weltweiter Schutz für Mensch und Umwelt"

 

In unserer Publikation analysiert der Rechtsanwalt Robert Grabosch, LL.M., ausführlich welche Pflichten für Unternehmen mit der EU-Lieferkettenrichtlinie einhergehen, welcher Schutz für Mensch und Umwelt künftig gewährleistet werden muss und welche Unterschiede zwischen der europäischen Richtlinie und dem deutschen Lieferkettengesetz bestehen. 

 

Grabosch, Robert

Die EU-Lieferketten-Richtlinie

Weltweiter Schutz für Mensch und Umwelt
Bonn, 2024

Publikation herunterladen (1,6 MB PDF-File)



Ansprechpartner

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0228 883-7106
Jochen.Dahm(at)fes.de

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