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Um die Klimakrise zu bewältigen, muss die weltweilte Abhängigkeit von Energie aus fossilen Brennstoffen enden, schreibt Vivienne Kigondu (FES Kenia)
Dieser Artikel wurde im Rahmen der COP29-Veranstaltung „Implementing the COP28 Energy Package: African Perspectives and Opportunities for SDG7“ verfasst, die am 19. November 2024 im Deutschen Pavillon in Baku, Aserbaidschan, stattfand.
Um den steigenden Energiebedarf Afrikas zu decken und die Ziele zu erreichen, die sich die dortigen Regierungen für Energieversorgungssicherheit, Klimaschutz und Entwicklung gesetzt haben, müssen wir bis 2030 jedes Jahr über 240 Milliarden US-Dollar und damit mehr als doppelt so viel in den Energiesektor investieren wie bisher, wobei etwa drei Viertel in saubere Energie fließen müssen.
Laut dem „Tracking SDG7 Report“ von 2023 ist die weltweite Stromerzeugungskapazität aus erneuerbaren Energiequellen so schnell gewachsen wie nie zuvor in den letzten drei Jahrzehnten und wird sich bei den bisherigen politischen Vorgaben und Marktverhältnissen bis 2030 voraussichtlich noch einmal um das Zweieinhalbfache erhöhen. Das wird aber wohl trotzdem nicht ausreichen, um den Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 zu verdreifachen – ein Ziel, zu dem sich mehr als 130 nationale Regierungen auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP28) 2023 verpflichtet haben.
Auf der COP28 einigten sich die Parteien darauf, die Kapazitäten für erneuerbare Energien weltweit zu verdreifachen und bis 2030 das jährliche Tempo der Energieeffizienzsteigerung im weltweiten Jahresdurchschnitt zu verdoppeln. Zudem verpflichteten sie sich, den Übergang von fossilen Brennstoffen in Energiesystemen auf gerechte, geordnete und faire Weise zu vollziehen und diesen Übergang in diesem entscheidenden Jahrzehnt so zu beschleunigen, dass das Netto-Null-Ziel gemäß dem Stand der Wissenschaft (Abschnitt 28, CMA.5; COP28-Energiepaket) bis 2050 erreicht wird. Darüber hinaus stehen die UN-Mitgliedstaaten in der Pflicht, Ziel 7 der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (SDG7) – den Zugang zu bezahlbarer und sauberer Energie – umzusetzen.
Einerseits haben mehr als 600 Millionen Menschen in Afrika keinen Zugang zu Elektrizität; andererseits hat der afrikanische Kontinent (Afrika) laut einem Bericht der Internationalen Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA) das Potenzial, das Tausendfache seines voraussichtlichen Energiebedarfs aus erneuerbaren Energiequellen zu decken und seine Fossilbrennstoffexporte vollständig zu substituieren.
Die Investitionen in erneuerbare Energien in Afrika sind in den letzten zwei Jahrzehnten stark gestiegen, bewegen sich aber im Vergleich zu anderen Weltregionen immer noch auf einem relativ niedrigen Niveau. Der Kontinent hat enorme Ressourcen für Wasser-, Solar-, Wind-, Geothermie- und Bioenergie. Dennoch setzt Afrikas derzeitiger Energiemix weiterhin im Wesentlichen auf fossile Brennstoffe, während erneuerbare Quellen nur knapp 18 Prozent der Stromerzeugung ausmachen. Könnte das Potenzial für erneuerbare Energien auf dem Kontinent die Wende bringen bei den Bestrebungen, die Energiearmut zu überwinden und Entwicklung zu generieren?
In den vergangenen zehn Jahren wurden im Durchschnitt weniger als zwei Prozent der weltweiten Klimafinanzierung für erneuerbare Energien bereitgestellt. Der Großteil der für erneuerbare Energien geschaffenen Infrastrukturen – insbesondere für Solar-, Windenergie und Geothermie – ist jedoch nicht für die Versorgung von 600 Millionen Menschen ausgelegt, die bislang keinen Zugang zu Energie haben. Sie dienen vielmehr in erster Linie dem Export von Ökostrom nach Europa oder der Fertigung von Exportprodukten.
Um die Klimakrise zu bewältigen, muss Afrika mehr tun, als nur seine Industrien zu dekarbonisieren und den Zugang zu Energie zu verbessern. Es muss auch seinen Überschuss an sauberer und bezahlbarer Elektrizität nutzen und damit das eigene Potenzial ausschöpfen, indem es bei der Energieerzeugung in großem Maßstab Größenvorteile nutzt, die Kosten pro Einheit senkt und die Voraussetzungen für Effizienz und Innovation schafft.
Der Kontinent besitzt alle nötigen strategischen Mineralien für eine echte grüne industrielle Revolution, um die Grundlagen für Wohlstand zu schaffen und zu nutzen – und er verfügt über die Kapazitäten, um dieses Wachstum zu unterstützen, denn Afrika hat die jüngste Erwerbsbevölkerung der Welt. Was dem Kontinent fehlt, ist der Zugang zu lebenswichtigen Technologien, wie sie in Europa, den USA, China, Japan und Australien verfügbar sind, um in großem Maßstab erneuerbare Energien zu erzeugen und einzusetzen. Zudem fehlt es an politischem Willen und einer kohärenten Strategie, um die gesamte Wertschöpfungskette für die Erzeugung erneuerbarer Energien aus Solar-, Wind- oder geothermischen Infrastrukturen zu replizieren – und zwar nicht beschränkt auf ein einzelnes Land, sondern durch Nutzung der komplementär über den gesamten Kontinent verteilten Ressourcen und Fähigkeiten.
Die drei wichtigsten Bereiche, die Afrika in Angriff nehmen muss, um den Zugang zu Energie zu verbessern, sind Verkehr, sauberes Kochen und Energieinfrastruktur. Allein durch sauberes Kochen kann der Bedarf von 950 Millionen Menschen – hauptsächlich Frauen und Kinder –, die täglich giftige Dämpfe einatmen, auf dem gesamten Kontinent gedeckt werden. Hinzukommt, dass es bei Maßnahmen für sauberes Kochen immer auch um Energie, Gesundheit, Entwaldung, Klima und Geschlechtergerechtigkeit geht.
All das ist machbar, erfordert aber politisches Engagement und Kooperation – und zwar nicht nur national, sondern auch auf regionaler Ebene. Es braucht eine Süd-Süd- und Süd-Nord-Zusammenarbeit, um die vorhandenen Potenziale freizusetzen und einen „Zero-Dollar“-Klimaschutzplan zu verwirklichen.
Während der Ausbau der Infrastruktur für erneuerbare Energien Finanzmittel erfordert, setzen Pläne für kostenfreie Energie und Klimaschutz auf Joint Ventures und regionale Zusammenarbeit (Süd-Süd und Süd-Nord). Joint Ventures mit Ländern, die über die nötigen Technologien verfügen und durch Sachleistungen zur Replikation der Wertschöpfungskette auf dem gesamten Kontinent beitragen können, machen eine externe Finanzierung weitgehend überflüssig. Nur mit politischem Willen und Zusammenarbeit können wir das volle Potenzial des Kontinents erschließen. Das ist nicht das Einzige, was Afrika für den Klimaschutz benötigt, aber diese beiden Faktoren braucht es auch für eine wirkliche Entwicklung und einen Strukturwandel, damit der Kontinent endlich vom letzten Platz der wirtschaftlichen und geopolitischen Hierarchie nach oben rücken kann.
Entscheidend ist hier ein offener Dialog zwischen Regierungsvertretern, Expert_innen für Energie- und Klimapolitik, Entwicklungspartnern und Vertreter_innen der Zivilgesellschaft. In diesem Dialog muss ausgelotet werden, was praktisch unternommen werden kann, wo die Herausforderungen und Chancen liegen und mit welchen Maßnahmen Afrika sogar zum Vorreiter der globalen Energiewende werden könnte.
Afrika erhält insgesamt nur zwei Prozent der weltweiten Energiefinanzierung, verfügt aber über 60 Prozent der erneuerbaren Ressourcen. In Anbetracht seines Potenzials könnte Afrika eine Schlüsselrolle in einem neuen Finanzsystem übernehmen, das erkennt, was der Kontinent beim Umstieg auf erneuerbare Energien leisten kann. Programme wie der Africa Single Electricity Market (AfSEM) und der unterstützende Continental Power System Masterplan (CMP) können genutzt werden, um bestehende Energiemärkte zu erschließen und die entsprechende Finanzierung zu erleichtern. Finanzierungsinitiativen wie die Africa-EU Green Energy Initiative bieten zusätzliche Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit und die Bereitstellung von Finanzmitteln, um die Entwicklung erneuerbarer Energien auf dem Kontinent voranzutreiben. Die Finanzierung der Energiewende muss aber auch gerecht gestaltet werden, damit die Schuldenkreisläufe durchbrochen werden, in denen viele Länder des Globalen Südens gefangen sind.
Um den Zugang zu Energie und zu bezahlbarer Energie zu sichern, muss Afrika gemeinsam mit Ländern des Globalen Nordens Strategien für einen Schuldenerlass ausloten und die nötigen Voraussetzungen für eine faire, gerechte und ausgewogene private Finanzierung schaffen. Die lokalen Gemeinwesen müssen bei der Energiewende eine Vorreiterfunktion übernehmen, damit die problematischen Systeme, die diese Prozesse antreiben, nicht reproduziert werden. Für seine Mineralien, die für den Energieübergang benötigt werden, braucht Afrika faire Handelspraktiken.
Dieser Wandel wird sich nicht nur auf die Arbeitswelt auswirken, sondern auch von ihr angetrieben werden. „Leapfrogging“ hin zu einem gerechten und kostengünstigen Zugang zu Energie wird nicht nur für mehr menschenwürdige Arbeit auf dem Kontinent sorgen, sondern auch die Sozialschutzinstrumente, die mit Energie- und Klimapolitik einhergehen, qualitativ verbessern. Afrika braucht saubere Lösungen für alle.
Und: Afrika muss Korruption im Zusammenhang mit der Klimafinanzierung bekämpfen, die Systeme zur Rückverfolgung von Finanzströmen verbessern und die Länder dazu drängen, sich von fossilen Brennstoffen zu verabschieden, indem es auf der COP29 und anderswo auf ambitioniertere politische Verpflichtungen pocht.
Aus dem Englischen von Christine Hardung
Vivienne Kigondu ist Expertin für die Ausarbeitung von Umweltrichtlinien. Sie ist Leiterin des „Climate Justice, Urban Mobility and Young Leadership Programme“ der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Kenia. Sie hat einen Bachelor in Environmental Studies und Community Development und studiert derzeit im Masterstudiengang Umweltpolitik. Sie war Mitglied der Delegation der Friedrich-Ebert-Stiftung bei der COP29.
Zu ihren Interessen gehören sozial gerechte ökologische Transformationen, sozial gerechte öffentliche Politik und gerechte Urbanisierung.
Für eine gerechte Energiewende mangelt es auf globaler und auch nationaler Ebene an Dialogmöglichkeiten. Gewerkschaften könnten vermitteln, stoßen…
Ansprechpartner
Jochen Dahm
0228 883-7106Jochen.Dahm(at)fes.de
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