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Industrie 4.0: Ein Mittel gegen regionale Ungleichheit in Deutschland?

Die Digitalisierung, so die Hoffnung, lässt räumliche Distanz unwichtiger werden und bietet daher Chancen für strukturschwache Regionen. Eine Bestandsaufnahme.



Die Digitalisierung schreitet voran – sie wird Gesellschaft und Wirtschaft verändern. Und sie erfordert eine baldige Modernisierung der deutschen Industrie.  

Mit der Implementierung von „Industrie 4.0“, der umfassenden Digitalisierung der industriellen Produktion, ergeben sich neue Chancen, neue Potentiale für die Zukunft. So könnten die großen regionalen Unterschiede in Deutschland – zwischen Ost und West, zwischen den Großstädten und dem Land – abgebaut werden. Das zumindest ist die Hoffnung.  

Bislang sind die starken Regionen die Profiteure 

Denn „Industrie 4.0“, so eine Annahme, lasse Raum und Distanz immer unwichtiger werden und biete gerade für ländliche Räume und die dort ansässigen KMUs neue Entwicklungschancen. Aber lassen sich die hierzulande stark ausgeprägten Disparitäten in der regionalen Wirtschaftskraft so wirklich reduzieren? 

Bislang jedenfalls hat die Digitalisierung von Prozessen, Produkten und Dienstleistungen kaum einen Beitrag zum Abbau von räumlicher Ungleichheit leisten können. Die innovativen Unternehmen, die Digitalisierungsvorreiter, sind überwiegend in den Städten oder den urbanen Ballungszentren zu finden. Vor allem die wirtschafts- und forschungsstarken Regionen in Deutschland haben bisher von der Digitalisierung profitiert. Das ist naheliegend und legitim: neue Technologien werden oft dort zuerst eingeführt, wo Wertschöpfungsnetzwerke und Know-How bereits vorhanden sind. Aber das kann dazu führen, dass  regionale Disparitäten eher größer werden. 

Mit welchen struktur- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen können die ländlichen und strukturschwachen Regionen bei der Umsetzung von Industrie 4.0 angesichts dieser Entwicklung gestärkt werden? Wie kann gewährleistet werden, dass die kleinen und mittelständischen Unternehmen und innovative Start-ups im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig bleiben? Denn diese spielen bei der Stärkung der Peripherie eine entscheidende Rolle. Wie kann es gelingen, dass die Lücke zwischen Stadt und Land, zwischen fortschrittlichen und abgehängten Regionen nicht weiter aufreißt? Wie also kann dem im Grundgesetz verankerten Gebot der „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ mit Hinblick auf die Digitalisierung Rechnung getragen werden? 

Vier Strategien und großer Handlungsbedarf 

Die vom Arbeitskreis Nachhaltige Strukturpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebenen Studie ist diesen Fragen nachgegangen – sie hat untersucht, inwieweit räumliche Disparitäten durch die „Industrie 4.0“ eher vertieft oder eher relativiert werden.  

Die vier Zukunfts- und Digitalisierungsstrategien der Länder Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen und Nordrhein-Westphalen wurden hierfür untersucht. Der Fokus lag auf dem produzierenden Gewerbe, denn dieses ist – trotz der Entwicklung hin zu einer postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft – noch immer ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Deutschland.  

Das Ergebnis: Die Länder nutzen ihre Steuerungsmöglichkeiten und Investitionen höchst unterschiedlich, weil auch die Ausgangslagen und Wirtschaftsstrukturen unterschiedlich sind. Aber von einer flächendeckenden Umsetzung von „Industrie 4.0“ kann noch längst keiner Rede. Insgesamt ist der Handlungsbedarf groß.  

Es besteht die Gefahr weiterer räumlicher Polarisierung durch technologische Entwicklungen wie „Industrie 4.0“. Wichtig ist daher, die Raumwirksamkeit der Digitalisierung stärker in den Blick zu nehmen und nicht nur die Starken weiter zu stärken, sondern auch die kleineren und mittleren Industriebetriebe in den ländlichen Räumen bei deren Umsetzung zu unterstützen.  

 


Räumliche Verortung der Anwendungsbeispiele von Industrie 4.0 und technischer Hochschulen

(Bild durch Anklicken vergrößern)


Über die Autor_innen

Prof. Dr. Wolfgang Schroeder ist Leiter des Fachgebiets PolitischesSystem der BRD – Staatlichkeit im Wandel an der Universität Kassel und Fellow am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Abteilung Demokratie und Demokratisierung; Staatssekretär a. D.

Dr. Samuel Greef ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Politisches System der BRD – Staatlichkeit im Wandel an der Universität Kassel.

Alexander Berzel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Politisches System der BRD – Staatlichkeit im Wandel an der Universität Kassel.
 

Ansprechpartner in der FES: Max Ostermayer

 

 

Schroeder, Wolfgang; Greef, Samuel; Berzel, Alexander

Digitalisierung industrieller Wertschöpfung

Industrie 4.0 und regionale Ungleichheit in Deutschland
Bonn, 2021

Publikation herunterladen (8,7 MB, PDF-File)


Ansprechpartner

Jochen Dahm

0228 883-7106
Jochen.Dahm(at)fes.de

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