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Was braucht Kommunalpolitik im ländlichen Raum, um den Herausforderungen in den Bereichen Digitalisierung, Klimaschutz und Energiewende, Mobilität und Daseinsvorsorge zu begegnen? Vor welchen besonderen Schwierigkeiten stehen die ländlichen Räume und welche Best Practices gibt es? Und wie können gute Erfahrungen für andere nutzbar gemacht werden? Gemeinsam luden FES KommunalAkademie und Bundes-SGK Kommunalpolitiker_innen aus dem ländlichen Raum zur Diskussion dieser Fragen am 3. November 2020 zur Online-Fachkonferenz ein.
Bild: von stux lizenziert unter Pixabay License
Die ländliche Region zukunftsfähig zu machen, ist Aufgabe der Kommunalpolitik. Bei der gemeinsamen digitalen Fachkonferenz von Bundes-SGK und FES KommunalAkademie „Neuer Schub für die Entwicklung der ländlichen Räume" am 3. November 2020 ging es um die besonderen Ausgangslagen und die dazu passenden politischen Strategien für den ländlichen Raum.
„Normalerweise würden wir uns jetzt in den Räumen der Friedrich-Ebert-Stiftung mit einem Kaffee oder Wasser in der Hand persönlich begrüßen und uns dann in den Konferenzraum begeben. Da das zurzeit nicht geht, ist diese virtuelle Konferenz ein guter Ersatz und ermöglicht, dass wir uns trotzdem heute hier austauschen können.“ Herzlich hieß Anne Haller, die Leiterin der KommunalAkademie der Friedrich-Ebert-Stiftung die Kommunalpolitiker_innen zur digitalen Tagung willkommen. Bereits zum dritten Mal luden Bundes-SGK und FES gemeinsam zum Austausch zwischen Expert_innen und Praktiker_innen aus dem ländlichen Raum ein, stellte Manfred Sternberg, Geschäftsführer der Bundes-SGK fest und stimmte die Runde auf die erste Rednerin ein:
Anita Schneider, Landrätin des Landkreises Gießen, beschrieb in ihrem Eröffnungsstatement einige der besonderen Herausforderungen und Handlungsansätze für die ländlichen Räume. Sie wies daraufhin, dass die bereits bestehenden Ungleichheiten zwischen bestimmten Regionen, wie sie zum Beispiel im sozioökonomischen Disparitätenbericht der FES 2019 beschrieben wurden, durch die Corona-Pandemie noch verschärft würden. Schneiders Hauptpetitum für den ländlichen Raum ist die Stärkung der Daseinsvorsorge. Dabei zählt sie neben den „klassischen“ Bereichen, wie Nahversorgung, Wohnraum, Gesundheit und öffentlichem Nahverkehr, auch die Digitalisierung mit zur Daseinsvorsorge. „Breitband und Mobilfunk muss Daseinsvorsorge sein“, so ihr Plädoyer.
Dieser Forderung konnte sich der zweite Redner, Frederik Fischer, Geschäftsführer der Neulandia UG, nahtlos anschließen. Er stellte den rund 35 Teilnehmer_innen innovative Ideen für neues Leben und Arbeiten auf dem Land vor: Die geplanten KoDörfer in Erndtebrück und Wiesenburg, sowie die Pioneers of Leerstand in Wittenberge sind Projekte, die Kreativen aus den Großstädten das Landleben ermöglichen soll: Denn, so Fischer: „Die Provinz wird für eine wachsende Zahl von Menschen zum Sehnsuchtsort — zum Refugium, in dem man Kraft tanken, die Natur genießen und sich bauliche Qualität noch leisten kann.“ Die KoDörfer, die in direkter Nähe zu Regionalbahnhöfen auf dem Land entstehen sollen, bestehen zum Beispiel aus 50 bis 150 kleinen Häusern und einigen größeren Gemeinschaftsgebäuden. Dies können sein: Coworking Spaces, Gemeinschaftsküchen, Kinos Seminarräume, Bars, Restaurants oder Clubs — kurzum: Alles, was Großstädter_innen in der Stadt hält. Warum KoDörfer nicht überall im ländlichen Raum entstehen, beantworteten einige Teilnehmer_innen in Kleingruppendiskussionen – Breakout-Sessions – mit der speziellen Lage: Besonders der ländliche Speckgürtel rund um Ballungszentren und Großstädte erweist sich als geeignete Ansiedlungsregion: Nicht mitten drin, aber irgendwie doch in der Nähe.
In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum wurde schnell klar, dass die Attraktivität der ländlichen Räume durch Digitalisierung nur steigen kann, ja, dass sie sogar Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit vieler Regionen ist, da sie Arbeitsplätze sichern und so Landflucht stoppen kann.
Beim zweiten Themenschwerpunkt lud Björn Weber vom Deutschen Institut für Urbanistik ein, das Thema Umwelt- und Klimaschutz noch mehr auf die Agenda ländlicher Kommunen zu heben und bereits entwickelte Klimaschutzkonzepte tatsächlich umzusetzen. Der Teamleiter für Umwelt- und Klimaschutz benannte die Energiewende, die Gebäude- und Infrastruktur, Mobilität und Landwirtschaft als die Handlungsfelder an der Schnittstelle zum Klimaschutz. Bei der Energiewende im ländlichen Raum gehe es auch um kontroverse Themen, wie die Ästhetik des Landschaftsbildes und die Konkurrenz um Flächen, wenn beispielsweise Windenergieanlagen oder Biomasse-Produktion geplant seien. Webers Einschätzung nach böte der ländliche Raum aber viele Potentiale für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende. Seine Prognose: „Die Energiewende wird nur mit dem Ausbau erneuerbarer Energieträger gelingen, sie wird eine Veränderung in der Flächennutzung mit sich bringen und positive regionale Wertschöpfungseffekte erzeugen.“ Er ergänzte überzeugt: „Wir brauchen einen langen Atem beim kommunalen Klimaschutz.“ Der Kreis der Kommunalpolitiker_innen stimmte ihm zu und legte den Finger in einige Wunden: Die Kommunen profitierten bisher zu wenig von der Wertschöpfung, die bei der Produktion erneuerbarer Energie entstehe. Nico Steinbach, Mitglied des Landtags in Rheinland-Pfalz und selbst Ortsbürgermeister, ermutigte andere Kommunen „einfach mal selbst zu machen“ und beispielsweise Photovoltaik-Flächen als Kommune selbst zu betreiben und den Markt nicht allein privaten Akteuren zu überlassen.
Energiewende und Verkehrswende müssen Hand in Hand gehen! Dieser Wunsch aus dem Kreis der Teilnehmenden bot Meinhard Zistel von den Kölner Verkehrsbetrieben AG eine gute Vorlage für seinen Input zum Thema „Mobilität im ländlichen Raum – Standortfaktor und Lebensqualität vor Ort. Einen Fokus legte er auf die Rolle des ÖPNV im ländlichen Raum, wo sich viele Menschen bisher noch vor allem mit dem privaten PKW bewegen. Große Unterschiede bei den Mobilitätsgewohnheiten bestünden nach wie vor zwischen großen Städten und ländlichen Regionen. Seine Empfehlung für den Öffentlichen Nahverkehr im ländlichen Raum: Ein differenziertes Angebot, das sich aus einem übergeordneten Bus-Bahn-Hauptnetz, einem lokalen Linienverkehr und flexiblen Bedienformen „on demand“ zusammensetzt. Auch alternative Mobilitätsangebote wie Carsharing, Bikesharing und Ridesharing sollten seiner Einschätzung nach mitgedacht werden. Großen Zuspruch aber auch rechtliche Fragen gab es zu den Vorschlägen, Personen- und Güterbeförderung zu kombinieren. Zusammenhänge stellten die Teilnehmenden auch zum Bereich Digitalisierung her, in der Diskussion um autonomes und automatisiertes Fahren oder auch smarten, verbundübergreifenden Tickets.
Von medizinischer Versorgung, ambulanter Pflege, über Angebote der Nahversorgung, dezentrale Bildungsangebote bis hin zu sozialen und sportlichen Angeboten reicht die Daseinsvorsorge. Einige gute Beispiele aus LEADER-Regionen präsentierte Moritz Kirchesch, Referent bei der Deutsche Vernetzungsstelle ländliche Entwicklung. Viele Projekte stehen und fallen mit dem Engagement der Bürger_innen, stellte der Kreis der Eingeladenen fest. Dass wichtige Elemente der Daseinsvorsorge aber sichergestellt und stabil sein müssen und nicht nur von Ehrenamtlichen getragen sein können, war einhellige Meinung der Diskutierenden. Das Ehrenamt müsse politisch gefördert werden, dürfe aber nicht zur zentralen Säule der Daseinsvorsoge werden.
Die Konferenz-Teilnehmer_innen schlossen den Tag mit einer Sammlung von Forderungen an den politischen Raum, die dem Geschäftsführer der Bundes-SGK, anvertraut wurden. Gute neue Ideen, Best-Practices und viel Engagement bringen „neuen Schwung für den ländlichen Raum, befand Manfred Sternberg am Ende des Konferenz-Tages.
Das war das Programm!
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