Die FES wird 100! Mehr erfahren

„Too Big To Fail“ – Finanzunternehmen und ihr Einfluss auf Entwicklungsländer

Too Big To Fail-Firmen spielen beim Nettoabfluss von Finanzmitteln aus Entwicklungsländern in Industrieländer eine entscheidende Rolle. Das zeigt eine neue Studie von Finance Watch und der Friedrich-Ebert-Stiftung.

 


Nach der großen Finanzkrise herrschte ein breiter Konsens darüber, dass die "too-big-to-fail"-Banken die Hauptursache für die finanzielle Instabilität waren. Wir wussten schon damals, dass die G20-Finanzreformagenda von 2009 nicht alle Probleme lösen würde, aber nur wenige hätten gedacht, dass zu große, zu komplexe und zu mächtige Finanzinstitute, die nicht beaufsichtigt werden können, nur wenige Jahre später als Lösung für die Probleme der Welt angesehen werden würden.

Benoit Lallemand, Finance Watch, 2022

 

In den letzten Jahren haben sich Entwicklungsländer zunehmend in private Finanzsysteme integriert, die von marktbeherrschenden, transnationalen Finanzunternehmen beherrscht werden. Die Größe und die entsprechende Marktmacht der Too-big-to-Fail-Finanzunternehmen (TBTF) ermöglichen es ihnen, die Agenda der Entwicklungsfinanzierung zu beeinflussen und Finanzierungsformen zu fördern, die ihre Gewinne steigern. Damit tragen sie laut einer neuen Analyse von Finance Watch und FES entscheidend zu einem chronischen Nettoabfluss von Finanzmitteln aus peripheren Ländern in den globalen kapitalistischen Kern bei.

In Too big to fail: Still a problem - A look at development finance widmet sich Duncan Lindo diesem Thema. Lindos Studie verknüpft Debatten über Entwicklungsfinanzierung mit dem vom Globalen Norden dominierten internationalen Finanzsystem. Er skizziert drei Hauptwege, auf denen TBTF-basierte Finanzierungen Finanzabflüsse aus Entwicklungsländern verstärken: Auslandsverschuldung, Akkumulation von Währungsreserven, sowie illegale Finanzströme und Steuervermeidung.

Seit der Finanzkrise 2007/2008 hat die private Verschuldung im Vergleich zu bilateralen und multilateralen Formen der Verschuldung zugenommen. Die private Verschuldung unterliegt von Ratingagenturen auferlegten Bedingungen. Entwicklungsländer können von diesen Agenturen nur im Rahmen eines neoliberalen Wirtschaftsmodells, das in der Regel auf einer noch stärkeren Öffnung ihrer Märkte besteht, ein günstiges Rating erhalten. TBTF-Finanzunternehmen bestimmen durch ihre Kreditvergabepraktiken, welche Projekte in welcher Form finanziert werden. Dabei bevorzugen sie große, standardisierte und marktorientierte Finanzierungen, die nicht immer mit dem Wohlergehen der Entwicklungsländer übereinstimmen. Die momentan einzige Lösung für das Problem der Überschuldung ist der Schuldenabbau, einschließlich Umschuldung und Schuldenerlass. Dieser Ansatz geht jedoch nicht angemessen auf das zugrundeliegende strukturelle Problem ein - nämlich das Fehlen eines soliden, öffentlich finanzierten Geldsystems zur Generierung von Mitteln auf nationaler und internationaler Ebene.

Zweitens ist das TBTF-basierte Finanzsystem von Natur aus instabil, was die finanzielle Volatilität und das Risiko von Kapitalflucht für Entwicklungsländer erhöht. Diese Risiken werden dadurch verschärft, dass Entwicklungsländer nachdrücklich davon abgehalten werden, "marktfeindliche" Maßnahmen zur Bekämpfung der Kapitalflucht zu ergreifen. Vor diesem Hintergrund müssen Entwicklungsländer große Devisenreserven als "Selbstversicherung" aufbauen. Der Anstieg der Devisenreserven führt zu Nettokapitalströmen aus den Entwicklungsländern in die Industrieländer. Der Aufbau solcher Währungsreserven schränkt auch den fiskalischen Spielraum ein (z.B. für Investitionen in Gesundheit und Bildung) und führt zu anderen Formen der Finanzialisierung in den Entwicklungsländern.

Nicht zuletzt spielen illegale Finanzströme und Steuervermeidung eine Rolle bei der Aneignung von Finanzmitteln aus Entwicklungsländern. TBTF-Finanzunternehmen haben einen ermöglichenden Part bei diesen Transaktionen, indem sie Gelder zwischen internationalen Tochtergesellschaften und Niederlassungen einrichten und transferieren. Sie erleichtern und ermöglichen Gewinne auch dadurch, dass sie Lobbyarbeit für liberalisierende Regeländerungen betreiben und kontinuierlich neue innovative Finanzinstrumente entwickeln, die legale Steuerreduzierungen zum Ziel haben.

Die Stellung der TBTF-Finanzunternehmen im gegenwärtigen Finanzsystem gewährt ihnen einen großen Spielraum, welchen sie nutzen, um die Spielregeln zu ihren Gunsten zu verändern. Ihre Macht wird durch die Konditionalität von Kreditprogrammen, durch Handelsabkommen, durch den Einsatz von Rating-Agenturen und einer Vielzahl von anderen Möglichkeiten, internationalen politischen Druck auszuüben, weiter gestärkt. Entwicklungsländern bleibt kaum eine Wahl: sie müssen globalisierte, marktwirtschaftliche Normen basierend auf extraterritorialen Regeln übernehmen.

Was kann also getan werden? TBTF-Finanzunternehmen sind überwiegend im Globalen Norden ansässig. Genau hier müssen politische Veränderungen erwirkt werden, die die Situation der Menschen in Entwicklungsländern und im Globalen Norden verbessern könnten.

Lindo, Duncan

Too big to fail

Still a problem ; a look at development finance
Bonn, 2022

Publikation herunterladen (300 KB, PDF-File)


Ansprechpartner

Jochen Dahm

0228 883-7106
Jochen.Dahm(at)fes.de

Veranstaltungen, Projekte, Analysen und Hintergrundinformationen:

  • Demokratie
    Eine lebendige und starke Demokratie braucht Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität.
  • Engagement
    Demokratie lebt vom Engagement der Bürger_innen.
  • Rechtsstaat
    Der Rechtstaat muss Freiheit und Sicherheit in Einklang bringen.
  • Kommunalpolitik
    In den Kommunen wird Politik unmittelbar gestaltet und erfahren.

weitere Informationen

Ansprechpartnerin

Tina Blohm
Tina Blohm
+49 30 26935-7413
nach oben