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Timon Mürer über Robert Menasses "Europäischen Landboten".
Bild: Robert Menasse von Katjana Frisch/ FES
„Friede den Hütten, Krieg den Palästen”, so beginnt Georg Büchners revolutionäres Pamphlet „Der Hessische Landbote”. Robert Menasse hat 2012 seinen Essay „Der Europäische Landbote. Die Wut der Bürger und der Friede Europas” verfasst. Ihm geht es nicht um den Aufstand gegen feudale Herren. Vielmehr ist sein Essay eine leidenschaftliche Verteidigung der europäischen Friedensordnung der „Gründerväter” Jean Monnet und Robert Schuman. Und ein Appell, sie zu einer wahrhaft europäischen Union weiterzuentwickeln. Das ist durchaus revolutionär. Denn Menasse fordert den Abschied von der Nation.
Eigentlich wollte er ja einen Roman schreiben und hatte sich deshalb für einige Monate eine Wohnung in Brüssel genommen, um das Leben seiner Protagonisten, der Eurokraten, vor Ort zu erleben. Die trifft er auch – und ist überrascht. Denn seine Klischees werden einfach nicht bestätigt. Die vermeintlich faulen, regelwütigen, mausgrauen Beamt_innen tummeln sich auf Dichterlesungen und stehen Menasse (mit einer Ausnahme) nur zu gerne Rede und Antwort.
Entsprechend arbeitet er die bekannten Klischees über die EU ab, eins nach dem anderen: angefangen bei eben jenen Eurokraten, dem aufgeblasenen Apparat und „den Eliten”, über das Fehlen von „Kultur” und einer „Idee” des europäischen Einigungsprojektes hin zur angeblichen demokratischen Legitimation des Europäischen Rates. Vor allem letztem gilt seine scharfe Kritik. Denn dieser sei in erster Linie ein Forum für Regierungen, um sich als Verteidiger ominöser „nationaler Interessen” aufzuspielen, Kompromisse zu torpedieren und die Schuld dafür den anderen zu geben.
Überhaupt, diese nationalen Interessen. Wer sagt denn, dass die Menschen in Salamanca, Split oder Stuttgart einander widersprechende Interessen haben? Doch für Menasse ist es gerade die von den einzelnen Staaten betriebene und auf perfide Weise sich auf die Verteidigung der Demokratie berufende Politik, welche die „Demokratisierung der EU verhindert”. Und auch die weiche Variante der nationalen Identität sei nur „eine schäbige Ideologie, die regelmäßig zu Kriegen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit geführt hat.”
Die Klarheit und Dringlichkeit von Menasses Argumentation überzeugt. Seine uneingeschränkte Verteidigung der Kommission als durchweg vernünftige Bannerträgerin der europäischen Einigung mag optimistisch erscheinen und seine Überzeugung, dass das „Europa in Wahrheit ein Europa der Regionen” sei, nicht von jedem geteilt werden. Aber das ist auch gar nicht nötig. Notwendig ist hingegen die Debatte um die politische Zukunft unseres Kontinents. Man wünscht sich daher mehr Beiträge wie den „Europäischen Landboten“. Jedenfalls ist diesem Essay, der 2013 mit dem Preis „Das Politische Buch“ der Friedrich-Ebert-Stiftung ausgezeichnet wurde, weiterhin viel Aufmerksamkeit zu wünschen.
Anfang Juli sprach Robert Menasse anlässlich der Neueröffnung des FES- BayernForums in Anwesenheit des FES-Vorsitzenden Kurt Beck und des Geschäftsführers Dr. Roland Schmidt über das Europa der Zukunft. Die Wahl des Themas und des Referenten spiegelt die Bedeutung wider, die das Thema Europa für die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung insgesamt hat. Für Robert Menasse leben wir ganz wie die Helden seiner Lieblingsromane am Vorabend eines „großen Untergangs”. Doch sind wir selbst, die Europäerinnen und Europäer, die Helden in diesem Epos, in dem entweder das System der Nationalstaaten oder das System der Überwindung der Nationalstaaten untergehe. Wir sollten die Rolle annehmen.
Ansprechpartner in der Stiftung:
Ralf Melzer
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