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Geschlechtergerechtigkeit durch digitale Rechte und Daten-Governance

Chancen und Risiken der Digitalisierung für Frauen in der Covid-19 Krise. Eine Perspektive aus Asien im Rahmen des FES W7-Blogs von Benjamin Velasco.


Seit Beginn der COVID-19-Krise bietet die Digitalisierung sowohl Chancen als auch Risiken. Letztere betreffen insbesondere die Reproduktion von Geschlechterdiskriminierung und anderen Ungleichheiten. Ob die positiven Auswirkungen auf Frauen die negativen überwiegen werden, hängt maßgeblich von wirksamen Regeln und Fördermaßnahmen ab.


Die Reproduktion bestehender Ungleichheiten nach Klasse, Geschlecht und anderen Kategorien in der digitalen Welt und die Verschärfung dieser Ungleichheiten während der Pandemie haben es gezeigt: Wir brauchen dringend ein regulatorisches Rahmenwerk für alle Ebenen – international wie national. Ein Teil dieses Rahmenwerks sollte sich in ähnlicher Form wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der globalen Anerkennung digitaler Rechte widmen. Ergänzend sollten politische Maßnahmen zur Daten-Governance ergriffen werden. Dies gilt insbesondere für die globale Ebene, wo die großen Technologiekonzerne operieren. Darüber hinaus braucht es Politiken zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer und anderweitiger Gewalt im Netz, unter gleichzeitiger Wahrung der Freiheit von Rede und Ausdruck.

Digitalisierung und COVID-19

Die Beschleunigung der Digitalisierung im Zuge der Pandemie hat die bestehende digitale Kluft zwischen den Geschlechtern noch verschärft. In Asien besitzen weniger Frauen ein Smartphone und einen Internetzugang. In Südasien beträgt der Abstand zwischen Frauen und Männern 19% beim Besitz von Mobiltelefonen und 36% beim mobilen Internetzugang, und Frauen in Asien haben weniger Zugang zu Schulungsprogrammen, um ihre digitalen Fähigkeiten zu verbessern. Mobilitätseinschränkungen während der Pandemie machten es Frauen, die im informellen Sektor arbeiten, damit umso schwerer, Einkommensunterstützung zu beantragen, da viele kein Konto mit Online-Zugang haben oder mit der Technologie gar nicht erst vertraut sind.

In Südostasien sind Frauen zwar in puncto Schul- und Hochschulbildung mit Männern auf Augenhöhe, aber in Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik sind sie nach wie vor unterrepräsentiert. Immer noch sind Frauen weitgehend auf bestimmte Berufe festgelegt, die ihre traditionelle Rolle als Hausfrau und Sorgende widerspiegeln und weniger gut entlohnt werden. In den Philippinen sind über 80% aller Hausangestellten Frauen, die damit die überwiegende Mehrheit in der am schlechtesten bezahlten Beschäftigungskategorie bilden. So bleiben Frauen dauerhaft in den niedrigsten Lohngruppen gefangen.

Die Pandemie und die Lockdowns haben sich besonders negativ auf Sektoren in Asien ausgewirkt, die in die Weltwirtschaft eingebunden sind – zum Beispiel das Outsourcing von Geschäftsprozessen und die exportorientierte verarbeitende Industrie. In beiden Sektoren stellen Frauen den Großteil der Arbeitnehmenden. Während der Pandemie ging die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt in der Region dramatisch zurück, und es gab einen merklichen Trend zu mehr informellen Beschäftigungsverhältnissen. Sowohl in Südostasien als auch in Südasien arbeiten mehr Frauen als Männer in informellen Beschäftigungsverhältnissen (75,4 % zu 75,2 % bzw. 91 % zu 87 %). Damit wird nicht nur ein globaler Trend umgekehrt, sondern auch die Benachteiligung von Frauen verschärft, da Arbeitende im informellen Sektor von keinerlei sozialen Sicherungsmaßnahmen erfasst werden.

Digitale Rechte

Digitalisierung kann Vor- oder Nachteile bringen. Alles hängt davon ab, wer die digitalen Tools und Technologien besitzt, nutzt und kontrolliert. Aus diesem Grund kommt es auf effektive Regulierungs- und Fördermaßnahmen an, einschließlich der Anerkennung und Durchsetzung digitaler Rechte. Digitale öffentliche Güter und Dienstleistungen müssen allen zur Verfügung stehen; der Schwerpunkt muss darauf liegen, Frauen und Mädchen Zugang zum Internet zu verschaffen und sie beim Erwerb digitaler Endgeräte zu unterstützen. Ferner müssen Frauen und Mädchen besseren Zugang zum Erwerb digitaler Fähigkeiten und zur Ausbildung in MINT-Fächern erhalten.

Partizipative Mechanismen in der Gestaltung von Digitalpolitik sind von ebenso essenzieller Bedeutung wie die Steigerung des Organisationsgrads von Arbeitnehmenden im formellen und informellen Sektor und die Einbindung von Organisationen, die sich für Frauenrechte und andere gesellschaftliche Belange einsetzen. Der Schutz digitaler Rechte insbesondere von Frauen ist zwar Aufgabe nationaler Regierungen; die Festschreibung dieser Rechte in internationalen Übereinkommen kann jedoch einen wesentlichen Beitrag zu ihrer Verbreitung und Förderung leisten.

Daten-Governance

Als Millionen von Menschen während der Pandemie ihre Arbeit verloren, gab es insbesondere in Ländern wie Indien und den Philippinen einen merklichen Trend hin zu Jobs in der Plattform-Ökonomie. Das Geschäftsmodell der plattformbasierten Arbeit boomte schon vor COVID-19, aber die Pandemie hat ihm noch einmal deutlichen Auftrieb verliehen. Aufgrund der informellen Organisation dieser Arbeit sind die Jobs jedoch schlecht bezahlt, unsicher und potenziell gesundheitsschädlich. Dies trifft insbesondere Frauen, die weltweit ca. 40 % der Arbeitnehmenden web-basierter Plattformen darstellen. Apps, die in Asien gängig sind, operieren global oder sind lokale Ableger multinationaler Unternehmen. Ganz oben in der digitalen Geschäftswelt stehen die großen Technologiekonzerne. Technologieunternehmen egal welcher Größe besitzen, kontrollieren und monetarisieren die riesigen Datenströme, die die Algorithmen speisen, auf denen die gesamte Digitalisierung beruht.

Ein Governance-System für Big Data ist daher von essenzieller Bedeutung. Es betrifft individuelle Rechte auf Datenschutz und Eigentum an persönlichen Daten. Die Tech-Giganten müssen zu Impact-Analysen verpflichtet werden, um die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte und Geschlechterthemen zu messen und zu begrenzen. Ein Beispiel solcher Auswirkungen ist der lang geheim gehaltene schädliche Effekt, den Instagram insbesondere auf die psychische Gesundheit von Mädchen haben kann. Plattformen müssen geschlechterinklusiv gestaltet werden, Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, Transparenz garantieren und im Problemfall Wiedergutmachung anbieten. Staaten und Regierungen sollten ihr jeweiliges Steuer- und Arbeitsrecht im Sinne einer Umverteilung von Digitalisierungsgewinnen überarbeiten. Sie müssen die Erosion von Besteuerungsgrundlagen und die Profitverlagerung ins Ausland durch große (Technologie-)Konzerne bekämpfen. Dadurch können mehr Steuereinnahmen generiert werden, mit denen dann robuste öffentliche Dienstleistungen und soziale Sicherungssysteme finanzieren werden können – wie zum Beispiel Betreuungseinrichtungen für Kinder und ältere Menschen, mit denen die überproportionale Belastung von Frauen durch Haus- und Sorgearbeit abgemildert werden kann.

Online-Gewalt

Der sprunghafte Anstieg von geschlechtsspezifischer Gewalt während der Lockdowns ist bereits als "Schattenpandemie" bezeichnet worden. Viele Errungenschaften in Sachen Geschlechtergerechtigkeit wurden im Zuge der Pandemie wieder zunichte gemacht. Frauen und Mädchen waren schon vor COVID-19 einem erheblichen Grad an Online-Belästigung und digitaler Überwachung ausgesetzt; in der Pandemie kam es hier noch einmal zu einem Anstieg.

Die Tech-Giganten müssen dazu verpflichtet werden, konsequent gegen Online-Gewalt gegen Frauen, auch und gerade in den Sozialen Medien, sowie gegen die Nutzung von digitaler Technologie zu ungewollter Überwachung vorzugehen. Die Unternehmen sollten juristisch für Inhalte zur Rechenschaft gezogen werden können, die über ihre Algorithmen verbreitet werden. Initiativen, den Schutz von Frauen und Kindern in die UN-Frauenrechtskonvention aufzunehmen, müssen mit Priorität vorangetrieben werden, damit ein internationales Regelwerk für nationale Regierungen und globale Unternehmen geschaffen werden kann.

 

Benjamin Velasco ist Assistant Professor an der Universität der Philippinen in Diliman und Mitgestalter des Programms für alternative Entwicklung im Center for Integrative and Development Studies.


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Natalia Figge
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