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Eine Gefahrenmeldung - die hat der Politikwissenschaftler Claus Leggewie mit seinem jüngst im Suhrkamp-Verlag erschienen Buch „Die Anti-Europäer“ vorgelegt. Seine Botschaft: Die Lage ist ernst, aber Panik hilft nicht.
Bild: Europa von Dennis Basaldella lizenziert unter CC BY-NC-SA 2.0
Der große Schriftsteller Stefan Zweig nahm sich 1942 im brasilianischen Exil das Leben, „nachdem die Welt meiner eigenen Sprache für mich untergegangen ist und meine geistige Heimat Europa sich selber vernichtet“. So formulierte er es in seinem Abschiedsbrief.
Es sind diese Zeilen, die den Politikwissenschaftler Claus Leggewie den Anstoß gegeben haben, seinen Essay „Die Antieuropäer - Breivik, Dugin, al-Suri & Co.“ zu schreiben. „Das soll nicht noch einmal jemand so verzweifelt schreiben müssen“, erklärt Leggewie im Vorwort seines jüngst erschienenen Buches. Ende September stellte Leggewie auch auf einer Veranstaltung des Münchner Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kooperation mit der Evangelischen Stadtakademie sein Buch vor. Er möchte sein Werk als eine „Inspektion der Gegner“ verstanden wissen: „Europa hat Feinde, und dieses Buch benennt sie“, schreibt er. In München ruft er aber auch zum Kampf gegen deren zerstörerischen Ideen auf und für ein starkes und pluralistisches Europa.
Leggewie nimmt drei Gegner Europas in den Blick: Er analysiert die Schriften des Norwegers Anders Breivik, der sein im Netz veröffentlichtes Pamphlet „Eine europäische Unabhängigkeitserklärung“ nannte, die „Vierte Politische Theorie“ des Russen Aleksandr Dugin und den „Aufruf zum weltweiten islamischen Widerstand“ des Syrers Abu Musab al-Suri.
Leggewie gibt damit Einsichten in das Denken von Identitären, Eurasiern und Dschihadisten. „Ich möchte vergleichen, nicht gleichsetzen“, sagt der Politikwissenschaftler in München. Gemeinsam ist den drei Anti-Europäern ihr Hass auf den westlichen Individualismus, der mit der Abwertung von Frauen und Minderheiten einhergeht. Derweil formulieren sie eine politische Theorie des Sakralen, die - wenngleich in unterschiedlichen Ausprägungen - getragen ist durch die Befürwortung einer imperialen Weltordnung.
Unterschiede sieht Leggewie vor allem im konkreten Machtpotenzial und in ihrem realen Zugang zur Macht. Während Breivik 2011 in einer terroristischen Tat in Oslo und Utoya 77 Menschen, darunter überwiegend junge Sozialdemokrat_innen, tötete, ist der Russe Dugin mit seiner Idee der „Rettung des christlichen Abendlandes“ mittels eines eurasischen Imperiums auch Stichwortgeber rechtspopulistischer Bewegungen in ganz Europa - mit guten Verbindungen in den Kreml. Al-Suri wiederum gilt als einer der Chef-Ideologen des dschihadistischen Krieges gegen den Westen.
Trotz dieser Unterschiede mobilisieren alle drei eine erhebliche Anhängerschaft - nicht zuletzt durch die problemlose Verbreitung ihrer Gedanken im Netz: Alle drei Pamphlete sind frei verfügbar und vielfach in unterschiedliche Sprachen übersetzt. Gezielte Desinformationen und Cyberattacken sind wesentlicher Bestandteil der politischen Strategie vieler Anhänger_innen.
Der wahnhafte Charakter dieser politischen Vorstellungen erschwert ihre Bekämpfung. Auf die Frage Ellen Diehls, die die Veranstaltung für die FES organisierte und moderierte, wie konkrete Gegenstrategien dennoch aussehen könnten, unterstrich Leggewie vor allem, wie notwendig es sei, Diskursmacht zurückzugewinnen. Ein Mittel dazu sei auch gezielte Gegenpropaganda im Netz: Jede_r könne beispielsweise Falschmeldungen bewusst begegnen. Perspektivisch komme es darauf an, gesamteuropäische Netzwerke zu bilden und internationale Gegeninitiativen zu stärken. „Wir müssen aus der Defensivhaltung heraus“, fordert er. Deshalb sei Panik keine geeignete Antwort. So schloss übrigens auch Stefan Zweig seinen Abschiedsbrief 1942 - mit einer hoffnungsvollen, kämpferischen Geste: „Ich grüsse alle meine Freunde! Mögen sie die Morgenröte noch sehen nach der langen Nacht!“. Die Nacht ist vielleicht noch nicht angebrochen, aber - auch das ist eine Botschaft dieses Abends mit Claus Leggewie - der Kampf gegen die Anti-Europäer hat bereits begonnen.
Ansprechpartner in der Friedrich-Ebert-Stiftung:
Anna-Lena Koschig
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