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Zurück zu Hause oder zurück „in der Hölle“?

Wie erleben Menschen die Zeit nach der Rückkehr in ihr Herkunftsland? Welche Hürden und welche Hilfen gibt es für sie? Ein Überblick von Zeynep Şahin-Mencütek, Ruth Vollmer, Katja Mielke, und Clara Schmitz-Pranghe über die Erkenntnisse der Reintegrationsstudie des Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC).



Rückkehr ist nicht gleich Rückkehr

Jahr für Jahr kehren unzählige Menschen nach dem Erreichen ihrer Migrationsziele oder aus privaten Gründen selbstbestimmt in ihr Herkunftsland zurück. Viele haben aus der Migration Verwandte im Herkunftsland unterstützt und sich eine Grundlage für einen Neustart nach der Rückkehr erworben. Andere kehren zurück, weil sich ihre Ziele als unerreichbar darstellen oder weil auch nach vielen Jahren keine Familienzusammenführung möglich ist. Staatliche Rückkehrpolitik richtet sich primär an Menschen, die im Zielland kein Bleiberecht erhalten. Die Steigerung der Ausreisezahlen – speziell von abgelehnten Asylbewerbern und irregulär eingewanderten Menschen – ist eine Priorität deutscher und EU-Migrationspolitik. Allerdings gilt für diese Menschen deutlich häufiger, dass sie ohne Rückkehrabsicht migriert sind und auf Grund von Integrationshindernissen ihren Migrationszielen nicht nähergekommen sind.

Komplexe Reintegrationshindernisse nach angeordneter Rückkehr

Eine Rückkehr unter diesen Umständen bedeutet, den gleichen strukturellen Zwängen ausgesetzt zu sein wie vor der Migration. Erschwerend kommt oft hinzu, dass für die Migration Eigentum verkauft oder Schulden angehäuft wurden und Rückkehrende in manchen Regionen soziale Stigmatisierung erfahren. Laut der vergleichenden, überregionalen Studie des BICC bildet die mangelnde Existenzsicherung die größte Hürde für die Reintegration. Häufigste Ursachen sind ein schwacher oder nur punktuell vorhandener Produktions- und Verarbeitungssektor, geringe Löhne, eine lückenhafte Durchsetzung arbeitsrechtlicher Bestimmungen, und ein hoher Anteil an informellen und temporären Beschäftigungsverhältnissen. Hinzu kommen unzureichende oder fehlende soziale Absicherung, Patronagesysteme, die auch Hochqualifizierten den Berufseinstieg erschweren, und Ausbildungssysteme, die nicht auf die Arbeitsmarktbedarfe abgestimmt sind. Zusätzlich zu der Unsicherheit während der Migration und dem oft erlebten Kontrollverlust während der Rückkehr, belasten anhaltende wirtschaftliche Schwierigkeiten und nicht eingehaltene Hilfsversprechen auch die psychische Gesundheit zurückgekehrter Menschen. In den Interviews sprachen manche Befragte von einer Rückkehr „in die Hölle“.

Reintegrationsunterstützung: lückenhaft und vorübergehend hilfreich

Reintegrationsunterstützung – wie sie von einer Vielzahl staatlicher und nichtstaatlicher Akteur:innen angeboten wird - ist durchaus geeignet, unmittelbare Notlagen zu lindern, die von Rückkehr in Wohnungs- und Erwerbslosigkeit, akuten gesundheitlichen Problemen oder Mangel an Papieren herrühren. Allerdings korrespondieren die Zugangsmöglichkeiten nicht mit Bedürftigkeit: Rückkehrberatungsangebote unterscheiden sich stark in Qualität, Beratungsansatz und transnationalem Vernetzungsgrad; viele Betroffene misstrauen zudem öffentlichen Einrichtungen auf Grund von negativen Vorerfahrungen oder verweigern aus Angst die Auseinandersetzung mit Rückkehr und Reintegration. Der Umfang der Unterstützungsleistungen variiert nicht nur nach rückführendem - und Herkunftsland; für Abgeschobene gibt es, wenn überhaupt nur reduzierte Hilfen. Maßnahmen, die Perspektiven im Sinne einer langfristigen Reintegration eröffnen sollen, sei es durch die Förderung von Selbständigkeit oder Arbeitsmarktintegration, wirken meistens nur dann, wenn die Begünstigten ohnehin über gute Voraussetzungen, wie berufliche Vorerfahrungen, Ausbildung oder Zugang zu zusätzlichem Investitionskapital verfügen. Die komplexen Probleme bedürftiger Familien (Wohnungslosigkeit, geringes oder kein Einkommen, unbehandelte gesundheitliche oder psychische Probleme, hoher Pflegeaufwand) verschärfen sich oft noch nach dem Auslaufen der Reintegrationsunterstützung.

Gesucht: wissensbasierte Strategien statt Dauerreparaturen und Verantwortungsdiffusion

Positiven Einfluss auf die Reintegration haben laut empirischen Erhebungen vor allem ein hohes Maß an Integration im Zielland, ein selbstgewählter Rückkehrzeitpunkt, belastbare soziale Netzwerke (lokal und transnational) und fortbestehende Mobilitätsoptionen. Allerdings sind diese Voraussetzungen sehr ungleich verteilt und für viele unerreichbar. Wissenschafter:innen fordern daher seit Jahren umfassende und koordinierte Langzeitstrategien zur Schaffung von Reintegrations- und Bleibeperspektiven. Die Rückkehrpolitik der Zielländer sollte unabhängig vom Ausgang des Asylverfahrens die realen individuellen Reintegrationsperspektiven berücksichtigen und das Potenzial von Integrationschancen für erfolgreiche Rückkehr stärker nutzen. In den Herkunftsländern kann z.B. die Entwicklungspolitik den Aufbau lokaler Wertschöpfungsketten und Strukturen zur Förderung mittelständischer Unternehmen, die Reform von Institutionen der Berufsbildung und Arbeitsvermittlung und Verbesserung sozialer Sicherungssysteme unterstützen. Nicht nur der jüngst erzielte Asylkompromiss zeigt jedoch, dass sich Migrations- und Rückkehrpolitik von der Suche nach vermeintlich schnellen Lösungen, institutionellen Neuerungen und Mobilitätsbeschränkungen bestimmen lässt.


Über die Autorinnen:

Dr. Zeynep Şahin-Mencütek ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am BICC und 'research affiliate' der Ryerson University in Toronto, Canada. Am BICC leitet sie das EU-finanzierte Forschungsprojekt 'GAPS: Decentring the Study of Migrant Returns and Readmission Policies in Europe and Beyond'. Sie forscht zu Migrationssteuerung, Diasporapolitik sowie Rückkehr und Reintegration, u.a. im Nahen Osten und der Türkei. Sie hat in internationalen Beziehungen promoviert.

Dr. Katja Mielke hat als wissenschaftliche Mitarbeiterin des BICC im BMZ-finanzierten Projekt „Trajectories of Reintegration“ die Fallstudie zum Irak betreut. Sie forscht zu Prozessen und Politik von (Im)Mobilität, Flucht und Asyl in Pakistan, Afghanistan, Deutschland und Irak und hat in Entwicklungsforschung promoviert.

Clara Schmitz-Pranghe ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am BICC und forscht zu Rückkehr und Reintegration in Serbien und Bosnien Herzegovina, sowie zuvor zu langanhaltenden Fluchtsituationen in Uganda, Thailand und Ecuador. Sie hat ihr Studium in Regionalwissenschaften Lateinamerikas abgeschlossen.

Ruth Vollmer ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am BICC und arbeitet zu europäischer Migrationspolitik sowie zu Prozessen von Rückkehr und Reintegration im Kontext von Mobilität mit Schwerpunkt auf Albanien, Kosovo und Deutschland. Sie hat Politikwissenschaft, Linguistik und Psychologie studiert.


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