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Für eine robuste Architektur des Euros – gerade nach dem Brexit!

Jakob von Weizsäcker ist Physiker und Volkswirtschaftler. Nach mehreren Jahren in der Wissenschaft war er von 2010 bis 2014 im Thüringer Wirtschaftsministerium und ist seit 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments. Bei der Konferenz EuropeCalling in Berlin sprach Jakob von Weizsäcker über die Zukunft der europäischen Gemeinschaftswährung.

Bild: Euro House Bild: Euro House Urheber: Mark Bridge Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0

Herr von Weizsäcker, was bedeutet der Brexit für die EU und den Euro?

Jakob von Weizsäcker: Der Brexit ist nicht das Ende der EU. Aber der Brexit ist ein lauter Warnschuss. Aus Sicht vieler Briten ist die EU inzwischen ein Verlierer-Club. Mit dem Brexit ist die ambitions- und visionslose Europapolitik der Alternativlosigkeit gescheitert. Statt weiterem Durchwursteln in der Eurokrise und der Flüchtlingskrise brauchen wir ein Europa, das etwas will und etwas wagt. Ein Europa, das die Probleme löst, statt sie zu verschleppen. Nur so kann Europa die Unterstützung seiner Bürger dauerhaft gewinnen. Und nur so wird Europa auf Augenhöhe mit Ländern wie den USA, China, Russland und Indien im 21. Jahrhundert die Regeln für unseren Planeten mitgestalten können.

PfE:Die vergangenen Jahre standen ganz im Zeichen der Euro-Krise, zahlreiche Stabilisierungsmaßnahmen wurden unternommen. Ist die Krise überwunden?

JvW: Nein. Die Euro-Rettungspolitik hat einen Zusammenbruch verhindert. Das war gut. Weniger gut war, dass zu wenig Wachstumsimpulse gesetzt und die strukturellen Ursachen der Krise nicht wirklich angegangen wurden. Solange wir keine neue, robuste Architektur für den Euroraum haben, wird er instabil bleiben.

PfE:Wie sollte eine solche robustere Architektur für den Euro aussehen?

JvW: Entscheidend ist die richtige Balance von Eigenverantwortung und Solidarität. Die finanzielle Eigenverantwortung von Staaten und vor allem ihren Gläubigern wird auf die Dauer nur funktionieren, wenn es innerhalb der Eurozone die Möglichkeit zur geordneten Insolvenz gibt. Aber damit das nicht ins Chaos führt, brauchen wir Solidarität in drei zentralen Bereichen, wie es die Glienicker Gruppe fordert, die ich mit initiiert habe:

•    Erstens müssen wir den Finanzsektor krisenfest machen und damit gleichzeitig den Steuerzahler vor ihm schützen - und zwar auch im Falle einer staatlichen Insolvenz. Hier war die Schaffung der Bankenunion ein ganz wichtiger Schritt.

•    Zweitens müssen wir die Lebenschancen aller EU-Bürger sichern. In einem solidarischen Europa ist es inakzeptabel, wenn im Falle einer Staatspleite eine ganze Generation ihrer Zukunftschancen beraubt wird, wie es heute die junge Generation in Griechenland befürchten muss. Hier brauchen wir neue Antworten, wie zum Beispiel eine europäische Arbeitslosenversicherung.

•    Und drittens müssen wir sicherstellen, dass europäische öffentliche Güter auch dann zuverlässig funktionieren, wenn ein Mitgliedstaat pleitegeht. Der Schutz der Außengrenzen und der humanitäre Umgang mit Flüchtlingen sind solche europäischen öffentlichen Güter, die aber leider im Schengenraum bislang national finanziert und organisiert werden. Das ist unsolidarisch, weil es den Ländern mit EU-Außengrenzen theoretisch die ganze Last aufbürdet. Und in der Praxis ist es unvernünftig, wenn das ganze System zusammenbricht, sobald ein Land wie Griechenland nicht mehr kann. Deshalb müssen europäische öffentliche Güter grundsätzlich europäisch finanziert und organisiert werden.

Eigenverantwortung für Gläubiger der Mitgliedstaaten, die Bankenunion, Lebenschancen für alle EU-Bürger, zuverlässige Bereitstellung der europäischen öffentliche Güter - all das ist leicht gefordert. Aber um das in die Praxis umzusetzen, braucht die Eurozone eine deutliche institutionelle Stärkung, mit Euro-Exekutive, Euro-Budget und für eine zuverlässige demokratische Kontrolle ein Euro-Parlament.

PfE: Werden wir in 10 Jahren noch mit der gemeinsamen europäischen Währung bezahlen?

JvW: Ich sage ja. Je mehr wir uns heute Sorgen machen um die Zukunft Europas und des Euros, desto wahrscheinlicher wird es, dass ich damit recht behalte. In der Vergangenheit war es oft so, dass Europapolitik im Sinne einer sich selbsterfüllenden Prophetie betrieben wurden: man redete sich Europa schön, um es zu ermöglichen. Aber so werden wir nicht aus der aktuellen Krise herauskommen. Wir dürfen nichts beschönigen, damit die drängenden Probleme endlich angegangen werden, um das Überleben des europäischen Projektes – und auch sein Florieren – zu sichern.

Links:
Die Konferenz EuropeCalling im Internet.
Die Euro-Währungsunion benötigt ein Euro-Schatzamt zum Überleben
Der Euro braucht ein Parlament
Glienicker Gruppe


Fokus Zeitenwende der Friedrich-Ebert-Stiftung: Eine neue Ära

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