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Kanada liebt CETA. Warum eigentlich?

Das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der EU ist fertig verhandelt. Doch der Widerstand vieler Europäer_innen hält an. In Kanada gibt es derweil wenig Kritik.

Es ist die kleine Schwester des Transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP: CETA - das Freihandelsabkommen Kanadas und der Europäischen Union. Doch während bei TTIP nicht zuletzt wegen der Anfang Mai von Greenpeace veröffentlichten Geheimdokumente der Zeitplan einer Verabschiedung unklar bleibt, steht CETA kurz davor, in Kraft zu treten.

Das Abkommen ist fertig verhandelt, im Oktober soll es unterzeichnet werden. Doch in Europa regt sich Widerstand: Die EU-Kommission sieht die Ratifizierung des Abkommen als ausschließliche Angelegenheit der Union. Eine Abstimmung in den Parlamenten der Mitgliedsländer wäre dann nicht notwendig, es reicht die Zustimmung des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments. Dagegen und gegen den CETA-Vertragstext selbst begehren zahlreiche nationale Parlamente auf.  Zuletzt forderte das luxemburgische Parlament die Regierung auf, CETA erst einmal nicht zuzustimmen. Obwohl das Votum rechtlich nicht bindend ist, könnte es die luxemburgische Regierung unter Druck setzen. Ähnliche Bestrebungen gibt es auch in anderen Mitgliedsländern, so äußerte sich zuletzt die italienische Regierung kritisch.

Kritische Debatte in Kanada? Fehlanzeige.

Es ist vor allem die europäische Öffentlichkeit, die gegen CETA aufbegehrt. Ein Bündnis deutscher Nichtregierungsorganisationen wie foodwatch wollen gegen das Abkommen klagen. Ihr Argument: CETA sei TTIP durch die Hintertür, weil amerikanische Firmen mit kanadischen Tochtergesellschaften schon jetzt von weitreichenden Handelserleichterungen profitieren könnten und die Verabschiedung des Abkommens ein wichtiges politisches Signal für die TTIP-Verhandlungen sende.

Eine derart ablehnende und kritische Debatte gibt es in Kanada kaum. Tatsächlich unterstützt nicht nur die liberale Regierungspartei um Premier Justin Trudeau CETA, sondern es befürworten auch die zuvor regierende konservative Partei sowie die kanadischen Sozialdemokraten (NDP) die Freihandelsbestrebungen. Unterstützung kommt auch von den kanadischen Provinzregierungen und Kommunen. „Die verbleibenden kritischen Interessengruppen in Kanada sind die milchverarbeitende Agrarindustrie, die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes und  die traditionell kritischen Bürgerrechtsgruppen am linken Rand“, sagt Raoul Gebert. Der kanadische Politikwissenschaftler und NDP-Politiker hat für die Friedrich-Ebert-Stiftung die Stimmungslage rund um das Abkommen analysiert.

Die kanadischen Sozialdemokraten

Aus den Reihen der NDP kommt wenig Kritik. Wichtigster Diskussionsgegenstand ist derweil auch jenseits des Atlantiks der Investitionsschutz. Hier hatten die kanadischen Sozialdemokrat_innen Nachbesserungen verlangt. Besonders wichtig ist dieser Punkt auch, da sich die wirtschaftlichen Verflechtungen Kanadas und Europas besonders stark auf Investitionen beziehen. Kanada ist für Europa nur der zwölftgrößte Handelspartner, die EU für Kanada immerhin der zweitgrößte.

Ein anderes Bild zeigt sich bei den bilateralen Investitionen: Mit jeweils 120 Milliarden Euro im Jahr sind die gegenseitigen Investitionen für beide Seiten von großer Bedeutung. „Die kanadische Regierung schätzt, dass der bilaterale Handel durch CETA vor allem durch gegenseitige Investitionen um bis zu 20 Prozent zunehmen und dadurch 80.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden könnten", analysiert Gebert.

Investitionsschutz - Die rote Linie?

Umso wichtiger also scheinen die Regelungen rund um den Investitionsschutz. Und tatsächlich konnte die NDP hier Verbesserungen erwirken, nachdem sie die liberale Regierung unter Druck gesetzt hatte. So kritisierte die NDP-Handelssprecherin Tracy Ramsy beispielsweise, die Regelungen zum Investorengerichtshof (die so genannten Schiedsgerichte) hielten die CETA-Verhandlungen auf: „The ISDS [Investor-state dispute settlement] is holding up CETA- the Liberals should re-examine this Conservative negotiated trade deal.“

Nun soll ein permanent besetzter Gerichtshof samt Revisionsverfahren installiert werden, um Klagen von Unternehmen gegen Staaten zu verhandeln. Auch diese Regelungen dürften letztlich dazu beigetragen haben, dass die kanadische Bevölkerung dem Abkommen eher wohlwollend gegenübersteht. Zudem gäbe es - entgegengesetzt zur europäischen Debatte - die Hoffnung, dass höhere europäische Standards zum Beispiel bei der Hormonzufuhr bei Hühnern oder der Etikettierung von Gen-Produkten in Kanada Anwendung fänden, schätzt Raoul Gebert.

Die gesamte Publikation finden Sie hier:

Raoul Gebert: CETA eine sozialdemokratische Perspektive aus Kanada, FES 2016

Weiterführende Links

Gerald Spindler, Christian Thorun: Analyse und Bewertung von CETA aus verbraucherpolitischer Perspektive, FES 2016

Markus Krajewski, Rhea Tamara Hoffmann: Der Vorschlag der EU-Kommission zum Investionsschutz in TTIP, FES 2016


Fokus Zeitenwende der Friedrich-Ebert-Stiftung: Eine neue Ära

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