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Die Zukunft der EU ist ungewiss wie selten. Doch die momentane Starre muss überwunden werden, denn sie wird unbedingt gebraucht – zum Beispiel im Kampf gegen Steueroasen.
Bild: Briefkästen von strecosa lizenziert unter CC0 1.0
An Skandalen hat es wahrlich nie gemangelt. Jüngstes Beispiel sind die Enthüllungen der „Panama Papers“ durch Süddeutsche Zeitung und ein internationales Netzwerk von Investigativjournalisten. Erst ein Whistleblower brachte die häufig illegalen, stets aber zweifelhaften Machenschaften wie Steuervermeidung oder Geldwäsche ans Tageslicht. Dreh- und Angelpunkt der globalen Finanz-Intrigen bildete die (übrigens von dem Deutschen Jürgen Mossack mitbegründete) panamaische Kanzlei Mossack Fonseca. Das riesige, 2.600 GB umfassende, Datenleck spülte auch zahlreiche Ungereimtheiten (beziehungsweise illegale Handlungen) rund um die Geschäfte europäischer Prominenter ans Tageslicht. Der isländische Ministerpräsident Sigmundur Davíð Gunnlaugsson war da nur einer der bekannten Namen.
Doch längst nicht immer folgten dann auch handfeste Konsequenzen wie bei Gunnlaugsson, der nach zwei Tage währenden Massenprotesten zurücktrat. Dass Formel-1-Pilot Nico Rosberg gar nicht bei Mercedes selbst, sondern bei einer Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln unter Vertrag stand, ging spätestens mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft im allgemeinen Jubel unter. Und ob Donald Trump seine Steuererklärung jemals offenlegen wird, scheint dessen Anhänger nicht groß zu interessieren. Doch auch wenn die Empörungswellen zuverlässig abebben: die Probleme sind strukturell und bleiben. Denn Steueroasen richten massiven gesellschaftlichen Schaden an. Und zwar nicht nur durch den ruinösen Wettbewerb zwischen Staaten, sondern auch innerhalb der Steueroasen selbst. Dort entstehe leicht eine Führungselite, die sich vornehmlich an den Interessen der ausländischen Nutznießer_innen orientiert. In einer neuen Studie antworten Joseph E. Stiglitz und Mark Pieth darauf mit dem Ruf nach mehr Transparenz. Und räumen Europa eine wichtige Rolle dabei ein.
Dass der weltweit beachtete Ökonom und Nobelpreisträger Stiglitz und der Schweizer Strafrechtler Pieth ihre Studie „Die Schattenwirtschaft überwinden“ (auch auf Englisch verfügbar) bei der FES veröffentlichten, ist dabei mehr als eine Randnotiz. Die beiden Wissenschaftler arbeiteten auf Bitte der panamaischen Regierung in einer Regierungskommission zur Aufarbeitung der Machenschaften. Nun werfen sie ihr Blockade und mangelnden Reformwillen vor, stiegen aus und gingen auf eigene Faust an die Öffentlichkeit.
Die wichtigste Lektion aus ihrer Sicht: das schwächste Glied ist entscheidend. Um immer neue Verlagerungen der zweifelhaften Finanzaktivitäten und den Wettlauf nach unten zu stoppen, brauche es ein weltweites und konsequentes Vorgehen. Ähnlich wie beim Kampf gegen gefährliche Krankheitserreger schlagen sie vor, Steueroasen unter ‚Quarantäne‘ zu stellen. So könnte man Banken zum Beispiel untersagen, mit Kreditinstituten aus nicht kooperativen Staaten zusammenzuarbeiten. Europa und die USA sehen Stiglitz und Pieth als führende Wirtschaftsakteure dabei besonders in der Pflicht und in der Lage, auf solche Transparenz-Regeln hinzuarbeiten.
Die Durchschlagskraft solcher Papiere allein dürfte für echte Verbesserungen indes noch nicht ausreichen. Denn in den Steueroasen selbst fehlten den Lobbygruppen, die für mehr Transparenz streiten, die Mittel, um den Profiteur_innen einer nachlässigen Haltung effektiv zu begegnen. Auch deshalb richtet sich der Blick – gerade nach dem Amtsantritt Trumps – nun verstärkt auf Europa. Entsteht hier, wo der Gesellschaft Jahr um Jahr viel Geld über Steueroasen verloren geht und gesellschaftliche Gruppen besser organisiert sind, der notwendige Druck? Die Panama Papers und andere Enthüllungen (‚Leaks‘) haben möglicherweise ein Handlungsfenster aufgestoßen. Verbesserungen, die noch vor fünf oder zehn Jahren undenkbar gewesen wären, seien nun durchaus im Bereich des Möglichen, meint Thomas Mättig, der für die FES zu Globaler Ökonomie und Demokratieförderung arbeitet. Die deutsche G20-Präsidentschaft in diesem Jahr könnte ein Schritt dahin sein. Doch schon mit dem Brexit droht ein neuer Steuerwettbewerb direkt vor der Haustür der EU. Mättig ist sich sicher: „Die nächsten Jahre werden ganz entscheidend sein.“
Ansprechpartner in der Stiftung:
Thomas Mättig
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