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Eine Partnerschaft für die Demokratie. Die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Portugal

Bis zur Demokratisierung in den 1970er-Jahren war seine Gesellschaft diktatorisch geprägt, die Demokratisierung setzte – wie auch bei seinem einzigen Nachbarn Spanien – relativ spät ein. Und hier beginnt auch die Geschichte des Engagements der Friedrich-Ebert-Stiftung in Portugal.

Portugal ist ein geografisch und bevölkerungsmäßig kleines Land am südwestlichen Rand Europas. Bis zur Demokratisierung in den 1970er-Jahren war seine Gesellschaft diktatorisch geprägt, die Demokratisierung setzte – wie auch bei seinem einzigen Nachbarn Spanien – relativ spät ein. Und hier beginnt auch die Geschichte des Engagements der Friedrich-Ebert-Stiftung in Portugal, dessen bewegte Geschichte im aktuellen Band der Reihe zur internationalen Arbeit der FES dargelegt wird.

Nachdem die europäische Nachkriegsordnung die portugiesische Diktatur eher verfestigt hatte, beendet die sogenannte „Nelkenrevolution“ vom 25. April 1974 die Diktatur. In den Folgejahren fand das Land den Weg zu einer parlamentarischen Demokratie nach westeuropäischem Muster. Die Nelkenrevolution markierte auch den Auftakt einer Demokratisierungswelle im Süden Europas: Sturz des Obristen Regimes in Griechenland 1974, Ende des Francismus in Spanien 1975. Die neuen portugiesischen politischen Akteur_innen brauchten Freunde. Das Ende des Kolonialismus, die Rückkehr und die Integration vieler Portugies_innen aus den ehemaligen Kolonien und zeitgleich die Öl- und Wirtschaftskrise führten zu extremer Instabilität des portugiesischen Staates und seiner politischen Struktur.

Antonio Muñoz Sánchez, der Autor des ausführlichen Beitrags, gewährt einen lebendigen Einblick in die junge portugiesische Demokratiegeschichte und in die klare und konsequente Zusammenarbeit der FES mit den demokratischen und progressiven Akteur_innen Portugals in entscheidenden Phasen der jungen Demokratie. Damit wird das Gewicht einer zivilgesellschaftlichen Außen- und Entwicklungspolitik deutlich, weil sie Veränderungen von innen unterstützt, statt interventionistisch einzugreifen. Progressive Parteien, Gewerkschaften und Forschungseinrichtungen entwickelten in der Zusammenarbeit mit der FES eigene, abgestimmte politische Gegenentwürfe zum Autoritarismus in Portugal. So erweiterten Staat, Politik und Zivilgesellschaft ihre Möglichkeiten, das Land nachhaltig und in seiner Vielfalt demokratisch zu gestalten und es in die Linie europäischer Demokratien einzureihen.

 

Grundvoraussetzung war der politische Wille dazu: Nur diejenigen, die langfristig, fortwährend und effizient auf demokratischer Teilhabe bestanden, konnten verlässliche Träger_innen einer solchen Entwicklung sein. Sie mussten grundsätzlich bereit sein, für die Verwirklichung der Menschenrechte, die Konsolidierung politischer Parteien und des Parlaments und für die Realisierung von Arbeitnehmerrechten in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zu kämpfen. Demokratie konnte auch in Portugal nur erfolgreich verankert werden, weil sie von den gesellschaftlichen Kräften im Land gewollt war, ihren Interessen entsprach, und selbst verantwortet wurde. Die unabhängige Auswahl von Partner_innen gleicher oder ähnlicher Wertvorstellungen ließ das Vertrauen zur FES wachsen und sicherte ihren Zugang zur fortschrittlichen politischen Elite des Landes. Die FES unterstützte sie – anfangs in Zeiten der Diktatur ­– bei ihren mutigen Entscheidungen für Demokratie, Fortschritt und Emanzipation. Ihre Aktivitäten entwickelten sich zu einer regelrechten Paralleldiplomatie: Dank der Arbeit der FES, der SPD und der von ihr geführten Bundesregierung eröffneten sich neue Wege der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit neuen demokratischen Kräften. Diese Politik stand in einem wohltuenden Gegensatz zur sogenannten „apokalyptischen“ Strategie der USA: Außenminister Henry Kissinger wollte als Warnung für andere europäische Länder Portugal zu einem tragischen Sowjetsatelliten mutieren lassen.

Auf der Grundlage von Originaldokumenten und Interviews verbindet der Autor das Engagement der FES mit den Entwicklungen in Portugal zu Zeiten des Kalten Kriegs und mit den politischen und wirtschaftlichen Beziehungen des Landes zur Bundesrepublik. Muñoz Sánchez schildert dabei detailreich und anschaulich die allgemeine politische Entwicklung Portugals vor und nach der Nelkenrevolution und die Interdependenzen zwischen neuer sozialistischer Bewegung, deutscher Sozialdemokratie und offizieller deutscher Außenpolitik. Am spannendsten ist der Teil, in dem geschildert wird, wie sich die FES von der SPD-Linie unter Willy Brandt absetzte und sich klar zur Partido Socialista (PS) um Mario Soares bekannte. Während die Partei noch auf die Öffnung des offiziellen Portugals hoffte, trat die FES als Bereiterin neuer Wege und Allianzen in Erscheinung. Die deutsche Sozialdemokratie setzte danach beeindruckend klar auf die PS. Dies beschränkte sich nicht nur auf symbolische Anerkennung. Gemeinsam mit der FES hilft die SPD, Mittel zum Aufbau einer organisatorischen  Infrastruktur oder zur Unterhaltung einer Meinungsplattform bereitzustellen, unterstützt Auslandsreisen der portugiesischen Akteur_innen für das Werben um weitere Unterstützung und um den Anschluss der PS an internationale Netzwerke zu ermöglichen.

 

Die Gründung der PS am 19. April 1973 als Oppositionspartei zur rechtsgerichteten Diktatur des so genannten „Estado Novo“ markiert nach Ansicht des Autors eine herausragende Leistung der FES in den 50 Jahren ihres internationalen Engagements. Ohne das Engagement von FES und SPD wäre die PS Portugals nicht so frühzeitig und zeitgerecht gegründet worden. Kurz nachdem die FES in Bad Münstereifel ihre neue Bildungsstätte eröffnet hatte, stellte sie den portugiesischen Sozialist_innen sowohl Mittel als auch Logistik für einen Gründungskongress in eben jener Bildungsstätte zur Verfügung. Damit wird das FES-Bildungszentrum zu einem historischen Ort. Von da an, so betont der Autor des Buches, war die enge, vertrauensvolle und produktive Beziehung zwischen der PS und der deutschen Sozialdemokratie nachhaltig etabliert und nahm in den Folgejahren bedeutenden Einfluss auf die Portugalpolitik der sozial-liberalen Bundesregierung.

Während der Nelkenrevolution fokussierte die FES ihre Tätigkeit zunächst auf die Infrastruktur der zukünftigen PS und auf die Ausbildung neuer Akteur_innen der Partei. Die Bildungsarbeit war zentral für eine Organisation, die zu Beginn der Demokratisierung nur 50 Aktivisten zählte und sich in radikalisierter Rhetorik erging, in der sie scheinbar eine der bestorganisierten kommunistischen Parteien Europas zu übertreffen suchte. Zwar erreichte man bis 1976 einiges bei der Entwicklung der Parteistruktur der PS, erzielte aber fast keine Fortschritte bei der Bildungsarbeit. Ende der 1970er-Jahre erweiterte die FES ihr Repertoire um klassische, politische Bildungsarbeit. Unter anderem unterstützte sie das Instituto de Estudos e Documentaço (Institut für Forschung und Dokumentation), ein Forschungsinstitut, das der PS als Think Tank diente. Die Gründung eines zweiten Gewerkschaftsdachverbands bereitete dem kommunistischen Gewerkschaftsmonopol ein Ende. Die Förderung der dazugehörenden Fundação José Fontana gehörte zu den flankierenden Maßnahmen. Die Leser_innen erfahren aber auch, wie in schwierigen Stunden politische Entscheidungen Vorrang vor administrativen hatten. Zeitzeug_innen berichteten, dass die FES nach dem Fall der Diktatur den portugiesischen Genoss_innen Gelder „Bona Fide“ übergab, ohne Nachweise über damit getätigte Ausgaben zu verlangen. Alles andere schien in der Hektik der Revolution nicht praktikabel. Hier zeigte sich, wie fragil und angreifbar die demokratische Verfasstheit in Zeiten von Revolution und Transition war und wie groß die Bereitschaft zur Solidarität. Bald wurde diese Praxis jedoch zugunsten seriöser und transparenter Finanzierung umgestellt, ein Standard, der langfristig von der internationalen Entwicklungspolitik übernommen wurde.

Muñoz Sánchez räumt ein, dass die Geschichtsschreibung in ihrer Interpretation der ausländischen Unterstützung der Nelkenrevolution noch ambivalent ist. Aber es steht für ihn außer Frage, dass die FES einen historischen Ehrenplatz für die Konsolidierung der Demokratie in Portugal beanspruchen kann. Muñoz Sánchez attestiert der FES, in Portugal ihr diversestes, ambitioniertestes und einflussreichstes Projekt in der 50-jährigen Geschichte ihres internationalen Engagements umgesetzt zu haben.

Abschließend stechen für den Autor zwei Lehren aus der Arbeit der FES in Portugal hervor: In Übergangsphasen und schwierigen politischen Kontexten müssen – ohne Bürger_innen in Gefahr zu bringen – nichtstaatliche Akteur_innen zu Rate gezogen werden und danach mutig aber differenziert über Ansatz, Weg und Ziel eines Engagements entschieden werden. Für ihn war in Portugal überdies die politische Weitsicht bei der Auswahl der Partner_innen  erfolgsentscheidend in allen Phasen der Transition und Konsolidierung des demokratischen Systems. Allen Zweifelnden, aber auch allen Interessierten empfehle ich zum Schluss, Antonio Muñoz Sánchez´ Beschreibung und Analyse des Portugal-Projekts der FES im Buch „Partnerschaft für Demokratie“ nachzulesen.

Joachim Schlütter


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