Diese Webseite verwendet Cookies
Diese Cookies sind notwendig
Daten zur Verbesserung der Webseite durch Tracking (Matomo).
Das sind Cookies die von externen Seiten und Diensten kommen z.B. von Youtube oder Vimeo.
Geben Sie hier Ihren Nutzernamen oder Ihre E-Mail-Adresse sowie Ihr Passwort ein, um sich auf der Website anzumelden.
Eine Mahnung zum diesjährigen Internationalen Frauentag: Geschlechter- und urbane Gerechtigkeit lassen sich am besten dadurch erreichen, dass Frauen vor Ort unterstützt werden. Und: Wir müssen die Silo-Mentalität überwinden.
Von Priscila Izar und Tatu Limbumba
Zum Internationalen Frauentag häufen sich in Tansania und auf der ganzen Welt wieder die Versprechungen, mehr für die Geschlechtergerechtigkeit zu tun. Wir sollten diesen Tag zum Anlass nehmen, um das Augenmerk auf die Frauen zu lenken, die in prekären Stadtvierteln leben und schwer zu kämpfen haben. Frauen sind von städtischer Armut und Marginalisierung stärker betroffen als Männer. Frauen, die in Armut leben und den Haushalt führen, kämpfen für ein besseres Leben ihrer Familien, Nachbarn und Gemeinschaften und haben es schwerer als Männer. Da sie mit größeren Familien zusammenleben, muss ihr Einkommen für mehr Personen ausreichen. Frauen verdienen nicht nur weniger, sondern erfüllen zusätzlich jeden Tag viele Stunden unbezahlte Betreuungsaufgaben. Wenn Frauen vom Land in die Stadt abwandern, tun sie dies in der Hoffnung, dort bessere Chancen zu haben. In Wahrheit erwartet sie in den Städten ein harter Kampf – vor allem wegen der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt.
Gleichzeitig halten Frauen im Alltag die Nachbarschaften zusammen und schützen die Existenzgrundlagen – von der Trinkwasserversorgung über die Abfallentsorgung bis hin zum Schulbesuch ihrer Kinder. Hierzu bauen sie starke soziale Netzwerke auf, bilden strategische Allianzen und setzen sich für die Rechte der armen Stadtbevölkerung ein. In dem tansanischen Frauensong „chochea maendeleo“ heißt es: „Frauen sitzen nicht herum und warten, bis ihnen jemand hilft“. Das ist ein Appell, sich dem Kampf der Frauen für Veränderungen anzuschließen, ausgehend von ihren Bedürfnissen und ihrem alltäglichen Leben – und zwar dort, wo sie leben und arbeiten.
Dass in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara und gerade in Tansania die Verstädterung in einem noch nie dagewesenen Tempo voranschreitet, ist allgemein bekannt (nach Schätzungen der Weltbank dürfte die Urbanisierungsrate, die 2018 noch bei 34 Prozent lag, bis 2040 auf 49 Prozent steigen). Die Verstädterung spielt sich zum großen Teil in Gebieten ab, die meist als informelle Siedlungen bezeichnet werden. Wir würden sie eher „Selbstbauviertel“ nennen. Diese Viertel wachsen immer weiter durch die Eigenarbeit und die schrittweisen Investitionen der hier lebenden Bevölkerung. Beim Bau und bei der Instandhaltung dieser Stadtviertel spielen Frauen eine maßgebliche Rolle. Dennoch werden ihre Arbeit, die von ihnen geschaffenen Lebensräume und die Frage, wie diese Erfahrungen auf ihr Leben einwirken, in der politischen Diskussion über Stadtentwicklung und Gleichstellungsförderung häufig ignoriert. Solange die Alltagspraxis und die gelebte Erfahrung von Frauen ausgeblendet werden, wird sich an den geschlechtsspezifischen Ungleichheiten nichts ändern.
Tansanias Land and Village Act stärkt zwar die Gleichstellung der Geschlechter, indem es den Landrechten von Frauen Vorrang einräumt. In der Praxis ist für Frauen in Tansania, die verwitwet sind oder sich scheiden lassen, die Gefahr von Gewalt, Enteignung und Zwangsräumungen unverändert hoch. Mehr Arbeitsmöglichkeiten (im Niedriglohnsektor) allein werden Frauen vermutlich nicht aus der Armut befreien, da Armut und Unterdrückung ein vielschichtiges Problem sind. So bietet zum Beispiel das „Property and Business Formalization Program“ (MKURABITA) – Tansanias wichtigstes Instrument zur Regelung von Besitzverhältnissen, Grundstücksvergaben und Unternehmenserweiterungen – wenig Hilfestellung für Frauen, die seltener Kredite beantragen und bekommen. In Dar es Salaam greifen Frauen, die im informellen Sektor zum Beispiel als Lebensmittelhändlerinnen arbeiten und sich Geld leihen, auf ihre sozialen Netzwerke und nicht auf Finanzinstitute zurück.
Damit Frauen in Selbstbauvierteln gestärkt werden, brauchen sie Zugang zu sauberem Trinkwasser, sanitären Einrichtungen, Mobilität und Nahrungsmitteln sowie Besitzsicherheit und andere grundlegende Menschenrechte. Jahrzehntelang fehlte es aufgrund makroökonomischer Krisen an öffentlichen Investitionen. Um eine Wende herbeizuführen, muss der öffentliche Sektor aktiv werden und gemeinsam mit Bewohnerinnen und Bewohnern, kommunalen Organisationen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen die Strukturen auf Stadtteilebene unterstützen. Tansania investiert zwar inzwischen in erheblichem Umfang in die städtische Infrastruktur, aber diese Investitionen fließen vorrangig in Großprojekte, die die Exportwirtschaft ankurbeln und Investoren anziehen.
Die Debatten über Stadtentwicklung und Gleichstellung sollten grundsätzlich die realen Erfahrungen der Frauen in den Städten in den Fokus rücken. Sie sollten thematisieren, wie diese Frauen vor Ort kämpfen, Allianzen bilden und arbeiten. In Tansanias Städten organisieren sich Bevölkerungsgruppen inzwischen in lokalen Ortsverbänden der Tanzanian Federation of the Urban Poor (TFUP), die von Frauen geleitet werden. Für die „Federation Women“, wie sie sich selbst nennen, und ihre Gemeinschaften können solche Initiativen eine große Hilfe sein. Die Verbesserungen, die sie mit sich bringen, werden jedoch schnell wieder zunichte gemacht, wenn ständig Dienstleistungen an die Privatwirtschaft outgesourct werden.
Die Losung „chochea maendeleo“ bringt es auf den Punkt: Tansanische Frauen, die in ihrem konkreten Lebensumfeld für ihre Existenz kämpfen, legen nicht die Hände in den Schoß und warten nicht auf Hilfe von außen. Sie schmieden strategische Allianzen und tun sich zusammen. Wenn es um die Stärkung der Geschlechtergerechtigkeit und der urbanen Gerechtigkeit geht, müssen die Alltagspraktiken, Strategien und Lebenserfahrungen von Frauen und ihre Formen aktiver Solidarität in den Blick genommen werden.
Die in diesem Beitrag geäußerte Meinungen müssen nicht notwendigerweise mit denen der FES übereinstimmen.
Dr. Priscila Izar ist Gastwissenschaftlerin an der School of Architecture and Planning, Centre for Urbanism and the Built Environment Studies (CUBES), University of the Witwatersrand, Johannesburg, Südafrika. Priscila ist Mitglied der Just City Platform (JCP) in Tansania.
Dr. Tatu Mtwangi Limbumba ist Forschungsbeauftragte am Institute of Human Settlements Studies der Ardhi University. Sie ist spezialisiert auf Wohnen, Informalität und urbane Armut. Tatu ist Mitglied der Just City Platform (JCP) in Tansania.
Aus dem Englischen von Christine Hardung
Folge dem Duft der Milch und lerne das harte Leben Jargal Avirmeds, einer Hirtin im Altai-Gebirge kennen. Denn Hirtinnen nehmen in der mongolischen…
Wie alternative Ansätze der Friedensförderung im Rahmen einer feministischen Außenpolitik transformative Konfliktbewältigung auf dem afrikanischen…
Die nordkoreanische Gesellschaft existiert nur dank des Durchhaltevermögens der weiblichen Bevölkerung und der Opfer, die diese erbringt. Ein…
Ein Dokumentarfilm der Friedrich-Ebert-Stiftung über Wege von Frauen in Nepal mit Wasserknappheit und Überschwemmungen umzugehen.
Was konkret getan werden muss, um mehr Frauen in die Politik zu bringen. Ein Interview mit der Aktivistin Shad Begum über das Empowerment von Frauen…
Wie in Uganda die Anerkennung von Sorgearbeit Geschlechtergerechtigkeit fördern könnte. Ein FES W7-Blogbeitrag von Tricia Gloria Nabaye.
Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg und Gewalt. Menschen sind erst dann "sicher", wenn sie ihre Potenziale frei entfalten können. Frieden und menschliche Sicherheit sind die Konzepte, auf denen unser friedens- und sicherheitspolitisches Engagement beruht. weiter
Das FES-Regionalbüro für Kooperation und Frieden in Europa (FES ROCPE) in Wien widmet sich den Herausforderungen für Frieden und Sicherheit in Europa seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor einem Vierteljahrhundert, die es zu bewältigen gilt. weiter