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Der Investitionsschutz gehört zu den kontroversesten Elementen von TTIP. Streit gibt es insbesondere um die Einrichtung von Schiedsgerichten. Der neue Vorschlag der EU-Kommission bringt in wichtigen Punkten keinen entscheidenden Fortschritt.
Bild: Bild: TTIP und CETA: Der Widerstand wächst Urheber: Christian Mang/ Campact, veröffentlicht von „Mehr Demokratie e.V. Lizenz: CC BY-NC 2.0
Die Verhandlungen über das Freihandels- und Investitionsschutzabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen der EU und den USA sind Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen wie selten bei völkerrechtlichen Verträgen. Im vergangenen Jahr waren in Deutschland und anderen europäischen Ländern bei Großdemonstrationen Hunderttausende auf die Straße gegangen, um gegen das Abkommen, über das seit Juli 2013 verhandelt wird, zu protestieren.
Ein zentraler Punkt, an dem sich die Kritik entzündet, betrifft die geplanten Regelungen zum Investitionsschutz. Traditionell wird im internationalen Investitionsschutzrecht davon ausgegangen, dass die Investitionen ausländischer Unternehmen eines besonderen Schutzes bedürfen bzw. dass sie nicht diskriminiert oder enteignet werden dürfen. Diese Gefahr droht ausländischen Unternehmen vor allem in Ländern, in denen kein Rechtsstaat und kein funktionierendes Gerichtssystem existieren. Kritiker von TTIP bestreiten nun aber, dass diese Gefahr in Europa und den USA bestehen würde.
Aufgrund der massiven Kritik an dem bisher geplanten Vorhaben hat die EU-Kommission, welche die Verhandlungen für die EU führt, Ende letzten Jahres einen Alternativvorschlag zum Investitionsschutzkapitel in TTIP vorgelegt. Dieser reagiert insbesondere auf die Einwände gegen die privaten Schiedsgerichte. Die Hauptkritikpunkte am ursprünglichen Entwurf: mangelnde Unabhängigkeit der Richter_innen, keine Möglichkeit für Berufungsverfahren, ungenügende Transparenz, Verletzung der Rechtsstaatlichkeit, Gefahren für die Demokratie. Die Kommission schlägt nunmehr einen permanenten bilateralen Investitionsgerichtshof – das Investment Court System – mit von den Vertragsparteien (den USA und der EU) berufenen Richter_innen vor. Das setzt sich deutlich vom bislang vorgesehenen System ad-hoc berufener Juristengremien ab. Für Rhea Tamara Hoffmann und Prof. Dr. Markus Krajewski von der Universität Erlangen-Nürnberg stellt das „einen im Vergleich zur bisherigen Praxis innovativen Ansatz“ dar, wie sie in ihrer von der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Deutschen Gewerkschaftsbund in Auftrag gegebenen Studie zum Kommissionsvorschlag schreiben.
Allerdings dürfte hier fast der einzige Fortschritt liegen. Vor allem in materieller Hinsicht, das heißt die eigentlichen Schutzstandards und das Recht des Staates auf Regulierung betreffend, sehen die beiden Völkerrechtler_innen wenige Verbesserungen. Zwar habe die Kommission einige kritisierte Punkte berücksichtigt. Doch räume der Vorschlag auch weiterhin „ausländischen Investoren prozedurale wie materielle Sonderrechte [ein], ohne ihnen konkrete Pflichten aufzuerlegen.“ Entsprechend könne auch der Kommissionsvorschlag nicht ausschließen, dass ausländische Unternehmen diese Schutzrechte missbrauchen und Staaten auf Schadensersatz verklagen. Für ausländische Unternehmen unliebsame nationale Gesetze und Auflagen können weiterhin Ziel solcher Klagen werden – Gesetze mithin, die im öffentlichen Interesse sind, wie Arbeits-, Sozial- oder Umweltschutzgesetze. In Deutschland klagt etwa Vattenfall gegen den Atomausstieg. Das stelle das Ziel des Investorenschutzes auf den Kopf und mache den am Gemeinwohl orientierten und in Gesetze gegossenen öffentlichen Willen zum schützenswerten Gut. Die EU-Kommission mag sich dieser Problematik bewusst gewesen sein. Für Markus Krajewski und Rhea Tamara Hoffmann sind die Formulierungen im neuen Vorschlag aber zu vage, um den möglichen Missbrauch eindeutig ausschließen zu können. Er stelle daher keine grundsätzliche Abkehr vom bisher bestehenden Investitionsschutzregime dar und weise aus rechtsstaatlicher und demokratietheoretischer Sicht weiterhin erhebliche Mängel auf. Die EU-Kommission sollte diese Kritik ernst nehmen.
Rhea Tamara Hoffmann und Prof. Dr. Markus Krajewski: "Der Vorschlag der EU-Kommission zum Investitionsschutz in TTIP", FES 2016
Weitere interessante Links zu diesem Thema:Dokument der Europäischen Kommission in englischer Sprache
Dr. Jan Ole Voß und Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin: Brauchen Investitionen im TTIP Schutz? Überlegungen zum Investitionsschutz im transatlantischen Freihandelsabkommen, FES 2014Für diese Studie gibt es hier die Kurzfassung.
Bedroht der Freihandel unsere Freiheit? Politik für Europa, 2015
Prof. Krajewski hat für das Bundeswirtschaftsministerium auch einen Vorschlag für Kernelemente eines Modell-Investititionsschutzvertrages entwickelt.Davon gibt es auch eine einseitige Übersicht.
Dr. Jana Diels und Prof. Dr. Christian Thorun: Chancen und Risiken der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) für die Verbraucherwohlfahrt, FES 2014
Pia Eberhardt: Investitionsschutz am Scheideweg – TTIP und die Zukunft des globalen Investitionsrechts, FES 2014
Wie auch immer man zu TTIP & Co auch stehen mag, europäische Handelsabkommen sind die Zukunft, nationalstaatliche Lösungen die Vergangenheit.
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