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Braunkohle gefährdet Heimat

Ein sächsisches Dorf soll dem Kohleabbau weichen. Bei der Degrowth-Sommerschule diskutieren Anwohner und Klimaaktivistinnen Auswege.

Ein Garten vor dem ein Schild mit der Warnung "Privatgelände!" steht.

Bild: Warnschild des Bergbauunternehmens MIBRAG auf einem ehemaligen Wohngrundstück in Pödelwitz, Sachsen von FES

Banner der Initiative "Alle Dörfer Bleiben" hängt an einem Zelt.

Bild: Banner der Initiative "Alle Dörfer Bleiben" im Klimacamp Leipziger Land 2019 von FES

Gruppenfoto von vielen Menschen, die lachen und winken und ein großes Banner halten, auf dem steht "In solidarity with your territory, your body your spirit!".

Bild: Teilnehmer_innen der Degrowth-Sommerschule 2019 von FES

Vor einem Protestcamp gegen Braunkohleabbau in Deutschland stehen Selbst gemalte Wegweiser mit Sprüchen gegen Braunkohle und für Klimaschutz.

Bild: Zukunftswegweiser auf dem Klimacamp Leipziger Land 2019 von FES

„Alle Dörfer bleiben – weltweit“ – das war das Motto der diesjährigen, von der FES unterstützten Degrowth-Sommerschule im Dorf Pödelwitz im Leipziger Land. Anfang August diskutierten die weit über 1000 Teilnehmer_innen darüber, wie Klimaschutz und soziale Fragen zusammen passen. In unmittelbarer Nähe zum Tagebau Vereinigtes Schleenhain ging es darum, Lebensraum zu erhalten, den Ausstieg aus der Braunkohle zu schaffen und gleichzeitig Arbeitsplätze zu sichern – Anliegen, die auch den Pödelwitzer_innen selbst unter den Nägeln brennen. Denn das Dorf ist in Gefahr, obwohl die Kohlekommission Anfang des Jahres das Ende des Braunkohleabbaus beschlossen hat.

Ein Dorf soll abgebaggert werden

Pödelwitz scheint auf den ersten Blick ein Ort wie jeder andere zu sein: einige Bauernhöfe sind von Feldern und kleineren Waldgebieten umgeben, neuere Einfamilienhäuser reihen sich in das Bild ein. Es gibt eine Bushaltestelle und eine gut in Stand gehaltene Dorfkirche, einen Spielplatz sowie einige wenige kleinständische Unternehmen. Dorfidylle – so könnte man meinen. Doch bei genauerer Betrachtung ändert sich das Bild. Die Pödelwitzer_innen – noch gibt es 27 von ihnen – kämpfen einen ungleichen Kampf. Ihr Dorf ist von Devastierung bedroht. Die mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft MIBRAG möchte den Ort verlagern, um den nahestehenden Tagebau erweitern zu können.

Im Klartext heißt das, dass Pödelwitz von der Abbaggerung bedroht ist und für die Braunkohle weichen soll. Viele der ursprünglichen Einwohner_innen sind seit Anfang der 2000er Jahre bereits entschädigt worden und weggezogen – an ihren Häusern prangern nun vom Bergbauunternehmen MIBRAG installierte Schilder mit der Aufschrift „Privatgelände! Unbefugten ist das Betreten und Befahren verboten. Jede Zuwiderhandlung wird straf- und zivilrechtlich geahndet. Den Anweisungen des Werkschutzes ist Folge zu leisten. MIBRAG“. Für die verbliebenden Menschen im Ort muss das wie eine Drohung klingen.

Die Pödelwitzer_innen kämpfen um ihre Heimat

Sie aber wollen sich nicht einschüchtern lassen. Sie wollen bleiben und ihre Heimat verteidigen. Landwirt Jens Hausner ist einer der Pödelwitzer_innen, die die Sommerschule und das Klimacamp Leipziger Land zum zweiten Mal in Folge einluden. Er ist Sprecher der Bürgerinitiative „Pro Pödelwitz“, die sich für den Erhalt des Ortes stark macht. Im Netzwerk „Alle Dörfer bleiben“ hat sich die Initiative mit anderen Orten in ganz Deutschland zusammengetan, die ebenfalls abgebaggert werden sollen. Die Betroffenen wollen ihre Kräfte bündeln und gemeinsam Widerstand leisten. Die Einheimischen, die geblieben sind, sind überzeugt, dass ihr Ort eine Zukunft hat. Und für sie sind die Sommerschule und das Klimacamp ein Zeichen der Unterstützung und Solidarität.

Die Kohlekommission beschließt den Ausstieg, das Bergbauunternehmen macht weiter Druck

Tatsächlich müsste man meinen, die Chancen für den Erhalt von Pödelwitz stünden gut. Denn seit dem Beschluss der „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, der so genannten Kohlekommission, ist klar, dass das Ende der Kohle in Deutschland naht. Spätestens im Jahr 2038 soll Schluss sein, die Kommission hat Milliarden an Strukturhilfen versprochen. Die Bewohner_innen von Pödelwitz hoffen, dass diese Gelder auch in den Erhalt der bedrohten Dörfer und in die Verbesserung der Infrastruktur gesteckt werden.

Doch eine Zusage, dass ihr Dorf bleiben kann, bekommen die Pödelwitzer_innen weiterhin nicht. Dabei gibt es für eine mögliche Abbaggerung keine bergrechtliche Genehmigung. Pödelwitz ist in den Genehmigungen des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain bis etwa 2040 auch nicht offiziell für eine Abbaggerung vorgesehen. Laut Aussage der Initiative „Pro Pödelwitz“ dient „die geplante Devastierung von Pödelwitz durch die MIBRAG… nicht mehr dem Gemeinwohl der Bundesbürger, sondern ausschließlich wirtschaftlichen Interessen der Bergbautreibenden“.

Gewerkschaften sind gesprächsbereit

Unter einem roten Pavillon am Dorfrand sitzen einige Vertreter_innen der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Sie vertreten das Unternehmen während des Camps und der Sommerschule, sind freundlich, grüßen und sind zu Gesprächen bereit. Sie verweigern sich nicht gegen Klimaschutzmaßnahmen, haben aber Angst um Arbeitsplätze. Sie verstehen die Menschen, die ihre Heimat nicht verlassen wollen, scheinen aber auch keine wirkliche Alternative zu sehen. Die verbliebenen Pödelwitzer_innen dagegen fordern gleiche Rechte für sich. Sie sehen nicht ein, dass der Erhalt von Arbeitsplätzen mehr zählt als der Erhalt ihrer Heimat. Gerechtigkeit in der Energietransformation, so sagen sie, muss für alle gelten – für den Bergarbeiter wie für diejenigen, die ihre Heimat nicht der Braunkohle preisgeben wollen.

Sommerschule und Klimacamp als Zeichen der Solidarität

Die Degrowth Sommerschule und das Klimacamp Leipziger Land sind sehr empowernde, ermächtigende Orte. Menschen können sich vernetzen, unterstützen, in wertschätzender Atmosphäre lernen und gemeinsam überlegen, wie wir die Welt besser machen können. Das spüren auch diejenigen, die noch in Pödelwitz leben. Sie bereiten den Klima-Aktivist_innen und Teilnehmer_innen einen herzlichen Empfang. „Während des Klimacamps und der Sommerschule steigt die Einwohnerzahl von Pödelwitz rasant – alle hier sind dann Pödelwitzer“, so ein Nachbar mit einem Lächeln im Gesicht.

Das Ende der Braunkohle ist eigentlich nicht nur in Deutschland, sondern auch global absehbar. Auf dem Weltmarkt erzielt der klimafeindliche Rohstoff nur noch geringe Preise und wird längst von erneuerbaren Energien überholt. Es wäre daher nur folgerichtig, sich auf politischer Ebene dem Motto der Sommerschule anzuschließen – für die Zukunft aller Dörfer, weltweit.

 

Bei der Degrowth-Sommerschule diskutieren die Teilnehmer_innen jährlich in Workshops, Kursen und bei politischen Exkursionen über Klimaschutz und eine nachhaltige Zukunft für alle. Die Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützte die Sommerschule 2019 bereits zum vierten Mal und war mit 17 jungen Aktivist_innen aus Südafrika, Indien, Vietnam, Großbritannien, Mazedonien, Jordanien, Libanon, Ägypten, Ecuador und Argentinien vor Ort. Das Programm war riesig: neben informellen Diskussionsrunden und Treffen wurden 90 Workshops und 19 Kurse zu Themen wie nachhaltige ländliche Entwicklung, Degrowth & Postwachstum, nachhaltige globale Ernährungssysteme, Feminismus & Klima, Care Arbeit, Klimawandel & Ungleichheit, gerechter Strukturwandel national und international (Just Transition), Klima & Arbeit, Kreislaufwirtschaft, Klimakrise & Rechtsruck, Klimagerechtigkeit oder Gesundheit & Klimawandel angeboten – um nur einige zu nennen.

Mehr Informationen zur klima- und energiepolitischen Arbeit der FES auf unserer Themenseite Klimawandel, Energie und Umwelt.


Ansprechpartnerin

Manuela Mattheß
Manuela Mattheß
+49 30 26935-7408
FES@COP29
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