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Die Stimmen der Zivilgesellschaft in nationalen Klimaschutzplänen: Perspektiven aus Kenia, Kirgistan, Marokko und den Philippinen

Fünf Jahre ist es bereits her, dass das Pariser Klimaschutzabkommens verabschiedet wurde. Die Erarbeitung von nationalen Klimaschutzplänen, den sogenannten Nationally Determined Contributions (NDCs), ist ein besonders wichtiger Bestandteil dieses Abkommens. Jedoch sind die NDCs aller Länder weltweit aktuell bei weitem nicht ausreichend, um die Erderwärmung auf maximal 2 Grad zu begrenzen. Daher ist eine Ambitionssteigerung der NDCs dringend notwendig. Eine neue FES-Publikation in englischer Sprache untersucht, welche Rolle die Zivilgesellschaft bei der Ambitionssteigerung von NDCs und den damit verbundenen Anstrengungen für einen umfassenden Klimaschutz spielen kann. Vier Fallstudien aus Kenia, Kirgistan, Marokko und den Philippinen bieten kritische Einblicke in einen möglichen transformativen Wandel.

Marianne Toftgaard und Jana Merkelbach vom internationalen Klima-Netzwerk Climate Action Network International haben die Idee dieser Publikation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung entwickelt und sie gemeinsam mit ihren Partnernetzwerken in den Regionen umgesetzt. Wir fragten nach Entstehung der Idee und deren Umsetzung:

FES: Warum ist es wichtig, die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung von nationalen Klimaschutzplänen zu betrachten? Inwieweit sind die Ergebnisse der Publikation für die globale klimapolitische Debatte relevant?

Marianne Toftgaard (MT): Um nationale Klimaziele zu erreichen und Lösungen zu erarbeiten, die lokal akzeptiert und umgesetzt werden können, ist der gesellschaftliche Dialog zentral. Er erfordert eine vollwertige Inklusion und Teilhabe aller beteiligten Stakeholder, einschließlich lokaler Gruppen und Gemeinschaften.

Die Corona-Pandemie verdeutlicht die Schwächen und systematische Ungerechtigkeit und Ungleichheit unserer Gesellschaft. Um diese Schwächen zu bekämpfen, müssen Menschen bei der Ausformulierung und Umsetzung von Klimazielen an erste Stelle gestellt werden. Gesellschaftsweite Konsultationen stellen somit eine Chance für Regierungen dar, um sicherzugehen, dass nationale klimaschutzpolitischen Grundsätze und Ziele spezifisch auf Prioritäten, Bedürfnisse und Forderungen der Menschen vor Ort eingehen. Das umfasst Armutsbekämpfung, Gesundheit, soziale Gerechtigkeit, Ernährungssicherheit, Biodiversität und Bedürfnisse marginalisierter sowie besonders gefährdeter Bevölkerungsgruppen. Lokale Gemeinschaften verfügen über wertvolles Wissen und Erfahrungen, die einen wichtigen Beitrag für nachhaltige, soziale und lokal eingebettete Lösungen leisten können - wenn sie Gehör finden.

In diesem Sinne kann Zivilgesellschaft einen entscheidenden Beitrag leisten zur Ausgestaltung und erfolgreichen Umsetzung wirksamer Strategien, sofern sie von Anfang an an deren Entwicklung beteiligt sein konnten.

Könnt ihr uns erklären was genau das Climate Action Network ist? Was macht eure Organisation besonders?

Jana Merkelbach (JM): Das Climate Action Network (CAN) gründete sich 1989 and verbindet seit über 30 Jahren zivilgesellschaftliche Akteure im Bereich Klima. Vor allem unter dem United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) ist der NGO-Dachverband eine renommierte und einflussreiche Größe.

CAN zeichnet sich durch Vielseitigkeit aus: Als Dachverband bringen wir diverse zivilgesellschaftliche Organisationen zusammen, von lokalen Grassroots-Akteuren bis zu großen internationalen Organisationen wie Greenpeace oder WWF - insgesamt über 1300 zivilgesellschaftliche Organisationen in über 120 Ländern. Wir vereinen dadurch einen Reichtum an Perspektiven und Expertise, und können gemeinsam als starkes Bündnis auftreten und unsere Forderungen und Lösungsvorschläge für transformativen Wandel lokal, national, regional und international vertreten und einbringen.

Warum habt ihr diese vier Länder als Fallbeispiele ausgewählt?

JM: Es ist wichtig zu betonen, dass nicht alle Länder gleichermaßen zum Klimawandel beigetragen haben. Die Länder, die wir in dieser Studie betrachten, haben alle im Vergleich zu großen Industrienationen einen fast verschwindend geringen Anteil. Allerdings sind die Folgen des Klimawandels bereits heute weltweit dramatisch - und dies vor allem in Ländern, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Daher ist die Beteiligung von den Menschen, die unmittelbar betroffen sind, in nationalen Klimaschutzplänen überall auf der Welt höchst relevant, um nachhaltige, soziale und lokal eingebettete und akzeptierte Lösungen für die Folgen und die Eindämmung der Klimakrise effektiv zu gestalten.

In dieser Studie wollten wir Einblicke in vier Länder in vier verschiedenen Weltregionen schaffen, und Empfehlungen für Akteure vor Ort entwickeln. Wir hoffen damit diese dabei zu unterstützen, die zivilgesellschaftliche Einbindung bei der Erarbeitung nationaler Klimaschutzpläne zu stärken. Außerdem hoffen wir, mit den Ergebnissen auch Anregungen zu schaffen, die diesen Dialog über die nationalen Grenzen dieser Studie hinaustragen.

Für die Länderauswahl dieser Studie konsultierten verschiedene regionale Netzwerkstellen innerhalb CANs um Länder zu identifizieren, in denen sowohl der politische Kontext als auch die Kapazität vor Ort diese Forschung so wertstiftend wie möglich würde. Die regionalen Netzwerkstellen in CAN gaben schließlich ihre Empfehlungen ab, identifizierten nationale Researcher, die vor Ort die Forschung umsetzen würden, und konsultieren auch die regionalen FES-Büros zu diesem Projekt. So kam es schließlich zu der Länderauswahl in der Studie.

Die Corona-Pandemie hat auch große Auswirkungen auf die klimapolitischen Entwicklungen im letzten Jahr gehabt. Wie hat die Corona-Pandemie die Umsetzung des Publikationsprojekts konkret beeinflusst?

MT: Leider schafft die Pandemie weitere Hürden für die wirkungsvolle Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure: Etliche nationale NDC-Review-Prozesse und damit verbundene zivilgesellschaftliche Konsultationen wurden aufgrund der Pandemie verschoben oder eingeschränkt. Vor allem letzteres führt dazu, dass die zivilgesellschaftliche Teilhabe an diesen Prozessen maßgeblich reduziert wird. Dies ist eine neue Herausforderung, für die es gilt Lösungen zu finden - denn die zivilgesellschaftliche Einbindung ist und bleibt wichtig für eine Krisenbekämpfung.

Auch die Forschung im Rahmen des Projekts musste sich anpassen: Ursprünglich hatten wir geplant, dass die nationalen Researcher lokale Gruppen und Gemeinschaften interviewen sollten. Aufgrund von Corona und den entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Gesundheit war dies so nicht möglich. Die Researcher mussten stattdessen auf Skype-Interviews und schriftliche Fragebögen ausweichen. Die Ergebnisse der Forschung sollten eigentlich in einer Serie nationaler Workshops diskutiert werden, um darauf aufbauend Strategien zu entwickeln, um die Teilhabe von Zivilgesellschaft in nationalen Konsultationsprozessen zu stärken. Diese Workshops finden zwar noch statt, allerdings online und dadurch leider in einem reduzierten Umfang. Dennoch bietet die Studie auch unter diesen Umständen wertvolle Empfehlungen und Einblicke, die die Arbeit vor Ort unterstützen.

Welche Botschaft der Publikation ist euch ganz besonders wichtig? Und an welche Akteure möchtet ihr euch mit dieser Botschaft richten?

MT: Im Vordergrund steht für mich, wie wichtig die vollwertige Einbeziehung der Menschen vor Ort von Anfang ist, wenn es um die Entwicklung von Klimapolitik geht - wir nennen dies das bottom-up-Prinzip. Dadurch wird nicht nur die Ambition von Klimazielen maßgeblich gesteigert, es kann auch nur so gesichert werden, dass Klimaschutz und Klimaanpassung letztendlich durch die Menschen vor Ort mitgetragen und mitumgesetzt werden. Deshalb ist es meiner Meinung nach absolut zentral, dass Regierungen und Ministerien, die für die Entwicklung von Klimaschutzplänen zuständig sind, anerkennen, dass die vollwertige Einbindung von Zivilgesellschaft maßgeblich für deren erfolgreiche Umsetzung ist.

 

Marianne Toftgaard ist Head of Climate Action and Ambition Department in CAN International – unterstützt das Netzwerk dabei, auf nationaler und internationaler Ebene einen einheitlichen Ansatz in Bezug auf klimagerechte, faire, integrative und gerechte Gesellschaften zu verfolgen.

Jana Merkelbach ist Head of Network Development & Outreach - zuständig für die Koordination mit CAN’s regionalen und nationalen Netzwerkstellen, um das effektive Zusammenspiel nationaler, regionaler und globaler Arbeit zu stärken.

People's voices in national climate plans

Civil society perspectives from Kenya, the Kyrgyz Republic, Morocco and the Philippines
Berlin, 2021

Publikation herunterladen (360 KB, PDF-File)



Ansprechpartnerin

Manuela Mattheß
Manuela Mattheß
+49 30 26935-7408
FES@COP29
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