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Die Welt muss sich drehen und nichts kann so bleiben

5 Fragen an SEEED-Sänger Peter Fox zu Klimaschutz, Verantwortung und Gerechtigkeit.

Schwarz-weiß-Foto von Sänger Peter Fox in einem Fotostudio. Er trägt ein dunkles Shirt und Hose. Dazu helle Schuhe.

Bild: Peter Fox von Erik Weiss

Pierre Baigorry ist ein deutscher Reggae- und HipHop-Musiker und ein Sänger der Dancehall-Band SEEED. Kürzlich erschien das Album BAM BAM, und die angekündigten Konzerte waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Als Kunstfigur Peter Fox gilt er nach wie vor als einer der bekanntesten und erfolgreichsten Berliner Musiker, denn er kreierte mit dem Album „Stadtaffe“ 2008 einen prägenden Soundtrack eines Lebensgefühls, das viele teilen konnten.

Jenseits der großen Bühne mischt er sich ein: Er hat eine Podcast-Reihe „Politricks“  bei Radioeins und engagiert sich bei der digitalen Künstler-Plattform  #GehtAuchAnders, die sich mit gesellschaftlichen und politischen Fragen auseinandersetzt. Eine politische Herausforderung unserer Zeit ist zweifelsfrei die Klimakrise. Neben der internationalen Fridays-4-Future-Bewegung, die seit Monaten streikt und eine gerechte Klimapolitik fordert, gründete sich Extinction Rebellion (XR), die mit zivilem und friedlichem Ungehorsam gegen die Klimakrise kämpft. Ihre Forderungen in Deutschland finden sich in einem offenen Brief an die Regierungen wieder, den auch viele Kulturschaffende unterstützen.

Pierre Baigorry unterschreibt diesen Brief nicht. Mehr noch, er reagiert mit einem öffentlichen Statement in den sozialen Medien.

Auf deiner Facebook-Seite Ende Oktober erklärst du, aus welchen Gründen du den offenen Brief von XR nicht unterschreiben kannst. Was stört dich konkret an ihren Forderungen?

Ich hätte das unterschrieben, wenn die Forderung „Klimaneutral bis 2030 oder 2035“ heißen würde. Bis 2025 ist unter keinen Umständen zu schaffen und klingt mir daher zu sehr nach Provokation, die den Gegnern des Protestes leichte Munition ("total unseriös") liefert. Ich finde, man muss in Anbetracht der Ernsthaftigkeit der Situation vermeiden, auch nur im Ansatz als Spinner-Bewegung etikettiert werden zu können. Auch 2030 oder 2035 wird vermutlich nicht erreicht werden und würde - anders als im komplett schwachen Klimapaket der Bundesregierung vorgesehen - extreme Umbauten der Lebensweise (Verkehrsrevolution etc.) bedeuten. Diese Umbauten müssen auch unbedingt her, insofern würde ich das auch fordern - aber 2025 kann ich nicht als ernsthafte Forderung unterschreiben, da ich es selbst theoretisch für unschaffbar halte.

Unter welchen Umständen würdest du eine soziale Bewegung unterstützen? Bist du Teil der Artists-for-Future-Bewegung?

Ich unterstütze gerne eine Bewegung, wenn ich mich mit den Zielen identifizieren kann. Dass es selten eine 100%ige Übereinstimmung gibt, liegt in der Natur der Sache. Mein Social-Media-Post zu Extinction Rebellions offenem Brief war der Versuch, eine konkrete Differenz zu artikulieren, bei grundsätzlicher Übereinstimmung... das kann also durchaus als „kritische Unterstützung" gewertet werden. Oft fehlt mir die Zeit, um so eine Aktion oder Kommentar zu durchdenken und zu leisten. Artists-for-Future kenn ich nicht, sehe auch nicht, wieso es so eine exklusive Gruppe aus Künstlern extra brauchen würde.

Findest du dich in den klimapolitischen Positionen der aktuellen Bundespolitik wieder?

Nein. Die gehen mir nicht weit genug. Ich sehe das Bemühen, sich in die richtige Richtung zu bewegen und sozialen Ausgleich für bestimmte Maßnahmen zu schaffen, am Ende finde ich aber besonders die CO2-Bepreisung viel zu niedrig angesetzt - so wird es nicht den dringend notwendigen Umbau der Wirtschaft und des Verkehrs vorantreiben.

Was verstehst du persönlich unter einer gerechten Klimapolitik und wer muss dafür was leisten?

Erst mal ist klar, dass die Industrieländer des Westens, die auf eine große Erfolgsgeschichte zurückblicken können und dabei für den Großteil der Emissionen der letzten 100 Jahre verantwortlich sind, einen größeren Beitrag leisten müssen als Entwicklungs- oder Schwellenländer. Diese Einsicht ist leider nicht bei allen Regierungen dieser Länder eingezogen, und dafür muss auf internationalem Parkett, insbesondere auf EU-Ebene vermehrt gestritten werden.

Andererseits gibt es auch innerhalb der erfolgreichen Industrienationen Menschen, die die Kosten von Klimaschutz weniger gut tragen können als andere. Mein amateurhafter Vorschlag wäre, die Verteuerung von Energieverbrauch in der Produktion, beim Konsum und Verkehr deutlicher als bisher geplant zu erhöhen, so dass auch tatsächlich der nötige Spareffekt eintritt.

Menschen mit hohem Einkommen, die sich den verteuerten Energieverbrauch trotzdem leisten können, sollten außerdem eine neue Umweltsteuer leisten, die Menschen mit geringem Einkommen zugutekommt. Dass dabei auch gut verdienende Menschen zur Kasse gebeten werden, die sich vielleicht schon relativ umweltbewusst verhalten, würde ich in Anbetracht der zu lösenden Probleme fürs Erste als kleine Unwucht in Kauf nehmen. Die Statistiken zeigen, dass die meisten Gut-Verdiener - mich eingeschlossen - trotz kleiner Einschränkungen, auch um das Gewissen zu beruhigen, einen besonders hohen Energieverbrauch und damit C02-Ausstoß haben.

Welche Rolle kann Musik bei der Gestaltung einer gerechteren Welt spielen? Wie politisch sollte sie sein?

Ich schätze die Rolle realistisch als sehr klein ein. Musik muss nicht politisch sein. Sie sollte in erster Linie gut sein…was auch immer das heißt...

 

 

Das Interview führte Zina Arvanitidou.

Anmerkung der Redaktion: Extinction Rebellion Deutschland hat in einer Pressemitteilung vom 22.11.2019 die Instrumentalisierung des Holocaust und Verhalten von Roger Hallam verurteilt und sich distanziert.

 


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