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Wie Europa Russlands Klimapolitik begegnen kann

Russlands ambivalente Klimastrategie und die geopolitischen Spannungen stellen Europa vor erhebliche Herausforderungen. Die Do's and Don'ts, wie Europa proaktiv handeln kann, um Klimaziele zu sichern, benennt Sabrina Kaschowitz FES-Regionalbüro in Wien


Das Bild Russlands als Nation, die dem Klimawandel wenig Aufmerksamkeit schenkt, ist in Europa weit verbreitet. Diese Wahrnehmung beruht auf der starken Abhängigkeit des Landes von fossilen Brennstoffen sowie seinem begrenzten Engagement in internationalen Klimavereinbarungen. In einer aktuellen Analyse beleuchtet Sabrina Kaschowitz vom FES-Regionalbüro in Wien, wie Russland den klimatischen Herausforderungen begegnet – insbesondere in der Arktis und beim Übergang zu erneuerbaren Energien. Angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen infolge des Ukrainekriegs gewinnt ein besseres Verständnis von Russlands Klimastrategien für die internationale Klimazusammenarbeit an Bedeutung.

Zwischen Pragmatismus, Profit und Ohnmacht

Die Analyse zeigt, dass Russland den Fokus auf technologische Anpassungen statt auf Emissionsreduzierung legt, was eine tiefgreifende Ambivalenz in der russischen Klimadiskussion verdeutlicht. Der Klimawandel wird einerseits als Problem anerkannt, andererseits aber als Chance für geopolitische Gewinne genutzt. Trotz des Krieges und der internationalen Isolation wahrt Russland nach außen hin den Schein, an klimabezogener internationaler Kooperation interessiert zu sein, konzentriert sich dabei jedoch stärker auf Anpassungsstrategien als auf Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels. Letzteres würde eine Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen erfordern. Gleichzeitig deuten Russlands Bestrebungen, seinen militärischen und diplomatischen Einfluss in ressourcenreichen Regionen wie Afrika auszubauen, auf ein geopolitisiertes Verständnis des Klimawandels und der angestrebten ressourcenintensiven grünen Wende hin. Im öffentlichen Diskurs gegenüber ehemals kolonisierten Ländern präsentiert sich Russland als Partner, der eine Welt fördert, in der Kooperation auf Augenhöhe stattfindet und westliche Kolonialmächte keinen negativen Einfluss mehr auf den Globalen Süden ausüben. Obwohl Russland selbst eine Politik verfolgt, die den Zugang zu Ressourcen im Austausch für den Machterhalt lokaler Eliten sichert, fällt die Instrumentalisierung antiwestlicher und antikolonialer Narrative für die eigenen Interessen auf fruchtbaren Boden.

Unsicherheitsfaktor Arktis

Die hohe Wahrscheinlichkeit eines eisfreien Sommers in der Arktis bis Mitte des Jahrhunderts birgt das Risiko, dass ohne ein Kooperationsabkommen zwischen den Anrainerstaaten die fehlende Kontrolle über dieses ressourcenreiche Gebiet in strategische Rivalitäten mündet. Russlands starke Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, sein Narrativ, das die Abkehr von fossilen Brennstoffen nicht als Klimaschutz, sondern als Schwächung der eigenen Wirtschaft darstellt, sowie die Unsicherheiten an den Außengrenzen durch eine eisfreie Arktis könnten eine verstärkte Militarisierung und Geopolitisierung des Klimawandels zur Folge haben und die Klimadiplomatie mit Russland über den Ukrainekrieg hinaus erschweren.

Empfehlungen für eine europäische Strategie

Das Papier betont die Notwendigkeit einer proaktiven Strategie der Europäischen Union im Umgang mit Russlands Klimapolitik. Auch wenn die aktuellen geopolitischen Spannungen eine Zusammenarbeit erschweren, ist die langfristige Einbeziehung Russlands in Klimastrategien unerlässlich.


Zu den zentralen Empfehlungen gehören:

  • CO2-Regulierungen stärken: Die EU sollte strenge CO2-Regulierungen beibehalten und sicherstellen, dass jede Kooperation mit Russland transparente und überprüfbare Verpflichtungen zur Emissionsreduzierung umfasst.

  • Forschungskooperationen aufrechterhalten: Die EU sollte Wege für klimarelevante Forschung, insbesondere in der Arktis, offenhalten, wo gemeinsame Interessen bestehen.

  • Arktische Kooperation für den Klimadialog nutzen: Die EU könnte Russland im Gegenzug für Kooperationen in der Arktis, etwa in Form von Energieabkommen und Infrastrukturinvestitionen, zu konkreten Klimaschutzverpflichtungen bewegen. Die Arktis bedarf eines besonderen Schutzes, und Russlands Bereitschaft zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit bietet Chancen, Maßnahmen voranzutreiben.

  • Märkte für Wasserstoff und erneuerbare Energien fördern: Russland verfügt über ein erhebliches Potenzial im Bereich der erneuerbaren Energien und könnte künftig eine bedeutende Rolle im Wasserstoffmarkt spielen. Die EU sollte zum Dialog bereit sein, wenn die geopolitischen Rahmenbedingungen dies erlauben.

Zwei zentrale Fallstricke sind dabei zu vermeiden: Erstens, es zu versäumen, Ländern außerhalb Europas glaubwürdige Kooperationsalternativen auf Augenhöhe anzubieten, was Russland weiteren Nährboden für die Instrumentalisierung antiwestlicher Stimmungen gäbe. Zweitens sollte die EU vermeiden, zur weiteren Geopolitisierung des Klimawandels beizutragen. Angesichts der historischen kolonialen Rolle Europas in Afrika und Lateinamerika sollte die EU diese Regionen auf gleichberechtigter Basis in Klimadiskussionen einbeziehen und integrative Ansätze fördern. Russland sollte dabei langfristig nicht ausgeschlossen werden, um zu zeigen, dass Klimaschutzmaßnahmen nicht gegen Russland, sondern für alle Staaten gleichermaßen unerlässlich sind.

Zusammenfassend ist ein tieferes Verständnis der russischen Klimastrategien im Kontext geopolitischer Spannungen entscheidend für Chancen zur internationalen Zusammenarbeit in der Klimapolitik und für die Analyse zukünftiger Risiken. Sollten sich die geopolitischen Rahmenbedingungen ändern, muss eine Reintegration Russlands in globale Klimainitiativen angestrebt werden. Die Dringlichkeit, den Klimawandel zu bekämpfen, überschreitet nationale Grenzen und erfordert Zusammenarbeit sowie ein entschlossenes Vorgehen gegen die geopolitische Vereinnahmung des Klimawandels.

 

Kaschowitz, Sabrina

Russia's stance on climate change

Powerless towards nature, paranoid towards policy, pragmatic towards profit
Wien, 2024

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Über FES ROCPE

Das FES-Regionalbüro für Zusammenarbeit und Frieden in Europa (FES ROCPE), das 2016 gegründet wurde, befasst sich mit den tiefgreifenden Herausforderungen der heutigen europäischen Sicherheit. Zudem arbeitet es eng mit der OSZE zusammen, um junge Stimmen in die europäischen Sicherheitsdebatten einzubringen und den Bereich an der Schnittstelle von Sicherheit und Umwelt zu stärken.


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