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Die PiS-Regierung ist nicht nur EU-skeptisch und nationalistisch, sie bietet auch Sozialprogramme. Eine weitere Herausforderung für Sozialdemokraten und Linke.
Bild: blackprotest_czarnyprotest von Grzegorz Zukowski lizenziert unter CC BY-NC 2.0
Seit gut einem Jahr regiert in Polen die national-konservative Partei PiS (Prawo i Sprawiedliwość; Recht und Gerechtigkeit). Geführt wird sie von Jarosław Kaczyński, Zwillingsbruder des ehemaligen Präsidenten Lech Kaczyński, der 2010 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Der deutliche Wahlsieg von PiS überraschte: zwar hatten die Umfragen einen Vorsprung vor der liberalkonservativen Bürgerplattform vorausgesagt. Dass er aber so eindeutig ausfallen würde, war nicht angenommen worden. Seitdem regieren Ministerpräsidentin Beata Szydło und die PiS mit absoluter Mehrheit, ein Novum in der jüngeren polnischen Geschichte. Zudem stellt die PiS mit Andrzej Duda auch den Präsidenten. Besonders im Ausland wurde der Regierungswechsel als Rechtsruck (erstmals seit dem Ende des Kommunismus ist keine linke Partei im Sejm) wahrgenommen.
Die neue Regierung ging auch gleich ans Werk und machte mit einer Reihe von Politikvorhaben von sich reden. Vor allem die Umgestaltung des Verfassungsgerichtshofs und die Medienreform wurden als Demontage des Rechtstaats verstanden und bringen der Regierung scharfe Kritik ein, sowohl von Seiten der Opposition und Zivilgesellschaft in Polen, als auch aus Brüssel – unter anderem läuft ein Rechtsstaatsverfahren der EU-Kommission. Jüngst musste die Regierung in Warschau aber dem Protest in der Bevölkerung nachgeben. Der Plan Abtreibungen zu kriminalisieren, trieb zehntausende Menschen auf die Straßen und wurde fallen gelassen.
Der Staatsumbau, der auch nicht Halt vor der Verfassung macht, gehört mittlerweile zum Standardrepertoire von rechten und rechtspopulistischen Regierungen in Europa, wofür besonders das Beispiel Ungarn steht. Aber die neue Warschauer Regierung ist auch mit einem alternativen Wirtschaftsprogramm zur Wahl angetreten. Dieses zeichnet sich durch den markanten Gegensatz zur bisherigen marktliberalen, auf Öffnung für Auslandsinvestitionen ausgerichteten Politik. Sie bricht mit der Zurückhaltung bei den Ausgaben und geriert sich damit national bzw. nationalistisch und sozial.
Eine Einordnung der Wirtschaftspolitik der polnischen PiS-Regierung hat der ehemalige Mitarbeiter des Warschauer FES-Büros Dr. Martin Albers vorgelegt. „Zwischen Ideologie und Pragmatismus“ ist das Papier überschrieben und bietet einen Überblick der von der neuen Regierung angestrengten Vorhaben in der Wirtschaft- und Sozialpolitik. Darin schreibt er, dass die PiS-Regierung einen „spezifisch polnischen Entwicklungsweg einschlagen und somit die angeblich eingeschränkte Souveränität Polens auch ökonomisch wiederherstellen [will]. In der Praxis beweist die Regierung jedoch bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen ein hohes Maß an Pragmatismus.“
Damit kann sie nach Meinung Albers auch gewisse Erfolge verbuchen. Angetreten war sie zur Wahl mit einem umfangreichen Programm der Neuausrichtung in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Konkret bedeutet das unter anderem die Umwandlung von Fremdwährungskrediten für Eigenheimbesitzer, die Erhöhung des Mindestlohns, die Einführung eines Kindergelds, die Rücknahme einer Rentenreform und ein großes, staatliches Wohnungsbauprogramm. Während des Wahlkampfs wurde PiS ob der kostspieligen Ankündigungen vorgeworfen, unseriöse Versprechungen zu machen und die Wirtschaft des Landes gegen die Wand zu fahren.
Im Gegensatz dazu ist die wirtschaftliche Entwicklung weiterhin stabil, und das auch nach der Einführung des Kindergelds und der Mindestlohnanhebung. Gerade das Kindergeld – 500 Złoty ab dem zweiten Kind, umgerechnet ca. 120 Euro – ist ungemein populär. Albers argumentiert zudem, dass „der Zeitpunkt der höheren Ausgaben vor dem Hintergrund sinkender Preise zu einer realen Steigerung der Nachfrage und des Wirtschaftswachstums“ führe. Bei den anderen Vorhaben, vor allem der Rücknahme der Rentenreform von 2012, die eine Erhöhung des Rentenalters mit sich gebracht hatte, war die Regierung zunächst vorsichtiger, hält aber weiterhin daran fest. Kurzfristig wären die Kosten dafür zwar überschaubar, auf lange Sicht kämen aber erhebliche Kosten auf die Staatskasse zu. Denn die demographische Entwicklung Polens zeigt einen noch größeren Rückgang der arbeitsfähigen Bevölkerung als in Deutschland an. Bis 2060 könnte sich ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung um bis zu 40 Prozent verringern, berichtet der Economist.
So verfolgt die PiS-Regierung eine Politik der „Loyalitätsbeschaffung durch Massenklientelismus“ und erkauft sich quasi Unterstützung – ein Kennzeichen populistischer Parteien, so der Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller. Das sollte linken und sozialdemokratischen Parteien in Europa zu denken geben. Sicher, eine Politik der Abschottung hat bei ihnen nichts verloren, und Nationalismus ist nicht nur keine Option, sondern ein politisches, gesellschaftliches und kulturelles Übel. Gleichzeitig muss man sich in der EU aber auch von der wirtschaftlichen Einheitspolitik verabschieden, die derzeit allzu sehr von Dogma der Austerität geprägt ist. Der Sozialstaat darf den Rechten nicht überlassen werden.
Ansprechpartner in der Friedrich-Ebert-Stiftung:
Martin Albers
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