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12 Euro Mindestlohn – Viel erreicht und jetzt geht es weiter

Rückblick auf die digitale Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung und des Deutschen Gewerkschaftsbunds vom 9. November 2022


Seit dem 1. Oktober 2022 gilt der neue Mindestlohn von 12 Euro. Diese deutliche Erhöhung von zuletzt 10,45 Euro war eines der zentralen sozialdemokratischen Versprechen aus den vergangenen Bundestagswahlen.

Gerade jetzt, da die Preise in fast allen Lebensbereichen sprunghaft steigen, kommt diese Anhebung aus Sicht der Beschäftigten zum richtigen Zeitpunkt. Rund 6,6 Millionen Beschäftigte dürften davon profitieren.

Damit diese Erhöhung im Leben der Beschäftigten aber auch tatsächlich einen Unterschied macht, ist es von zentraler Bedeutung, dass der Mindestlohn auch effektiv bei ihnen ankommt. Dass das nicht immer der Fall ist, weist die Bilanz der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), die für die Kontrolle des Mindestlohns zuständig ist, jährlich aus. Dabei sind sich Expert_innen einig, dass die durch die FKS angestoßenen Verfahren zu Mindestentgeltverstößen – jedes Jahr mehrere tausend – nur die sichtbare Spitze eines großen Eisbergs sind. Vor diesem Hintergrund organisierten FES und DGB eine digitale Fachtagung, die rund 120 fachlich mit der Thematik befasste Teilnehmende aus dem gesamten Bundesgebiet für einen intensiven inhaltlichen Austausch zusammenbrachte. Die einzelnen Veranstaltungsteile wurden aufgezeichnet und werden bis zum 9.11.2023 auf dieser Webseite allen Interessierten zur Information zur Verfügung gestellt:

 

Begrüßung und moderiertes Interview, Vortrag


Mit: Daniela Kolbe, stellvertretende Vorsitzende der FES;
Stefan Körzell, Mitglied im Bundesvorstand des DGB;
Lilian Tschan, Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales;
Brigitte Faust, Mitglied des Präsidiums der BDA, Mitglied der Mindestlohn-Kommission;
Prof. Gerhard Bosch und Frederic Hüttenhoff, Universität Duisburg-Essen, Institut Arbeit und Qualifizierung.

Präsentation von Gerhard Bosch

 

 

Fachforum 1: (Personelle) Stärkung des Zolls bzw. der Finanzkontrolle Schwarzarbeit: Stand und Handlungsansätze


Mit: Stefan Adamski, Finanzkontrolle Schwarzarbeit, verdi Bundesfinanzverwaltung, Hauptpersonalrat BMF;
Claudia Gürkov, Journalistin, Bayerischer Rundfunk;
Frank Hönigschmied, Leiter des Referats III A3, Finanzkontrolle Schwarzarbeit, Bundesfinanzministerium;
Moderation: Dr. Robby Riedel, Referatsleiter Tarif- politische Koordinierung und Mindestlohn, DGB.

 

 

Fachforum 2: Verbesserte Zusammenarbeit der arbeitsmarktregulierenden Akteure: Stand und Handlungsansätze


Mit: Frank Buckenhofer, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei/Zoll;
Dominique John, Leiter Faire Mobilität Sebastian Klähn, DGB-Rechtsschutz, Sachsen;
Dr. Philipp Schwertmann, Leiter des Fachbereichs Migration und gute Arbeit“, Arbeit und Leben Berlin-Brandenburg DGB/VHS e.V.;
Moderation: Joana Marta Sommer, Referentin für Migration und Integration, FES.

 

 

Fachforum 3: Objektive, verlässliche und zugängliche Arbeitszeiterfassung: Stand und Handlungsansätze


Mit: Antonius Allgaier, IG BAU;
Christian Riechert, Leiter des Referats III a 6, Tarifrecht, Mindestlohnrecht, Entsenderecht, Bundesministerium für Arbeit und Soziales;
Amélie Sutterer-Kipping, Hugo Sinzheimer Institut für Arbeits- und Sozialrecht;
Moderation: Susan Javad, Referentin für Arbeit, Qualifizierung und Mitbestimmung, FES.

Präsentation von Amélie Sutterer-Kipping

Präsentation, Modellprojekt Soka-Bau Berlin, digitale Zeiterfassung

 

 

Mindestlohn – Und wie geht es nun weiter, damit er auch tatsächlich ankommt?


Mit: Dr. Mario Bossler, Leiter der Arbeitsgruppe „Mindestlohn“, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung;
Axel Knoerig, MdB, stellv. Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales, CDU/CSU-Fraktion;
Andrea Kocsis, stellv. Vorsitzende von Ver.di und Mitglied der Mindestlohnkommission;
Bernd Rützel, MdB, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales, SPD-Fraktion.

 


Beantwortung offen verbliebener Fragen aus der Veranstaltung
 

In den Diskussionen offen verbliebene Fragen, wurden im Nachgang der Fachtagung von den Referent_innen beantwortet. Im Folgenden stellen wir Ihnen die Antworten zur Verfügung:

Frage an das Bundesfinanzministerium: Ist angedacht, die FKS des Zolls zukünftig kriminalpolizeilicher aufzustellen, um MiLo-Missbrauch risikoreicher zu machen?

Antwort des Bundesfinanzministeriums:  Auf der Grundlage des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes haben die Beschäftigten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Zollverwaltung umfangreiche Prüf- und Ermittlungsbefugnisse. Sie führen Personenbefragungen durch und ...

... prüfen Geschäftsunterlagen. Die FKS geht bei ihren Prüfungen risikoorientiert vor, das heißt es erfolgt eine risikoorientierte Auswahl der zu prüfenden Sachverhalte, bei der einzelne oder mehrere Risikokriterien ausschlaggebend sein können. Bei der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten haben sie nach der Strafprozessordnung und dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten die gleichen Befugnisse wie die Polizeivollzugsbehörden. Die FKS ist für die wirksame Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung, wozu auch die Kontrolle und Ahndung von Verstößen im Hinblick auf die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns gehört, fachlich sowie personell gut aufgestellt und auch für die Zukunft gerüstet.

Frage an den DGB: Gibt es außer der Tariftreue in der öffentlichen Auftragsvergabe weitere konkrete Vorschläge zur Steigerung der Tarifbindung?

Antwort des DGB: Zusätzlich zum Bundestariftreuegesetz fordert der DGB eine Reform der Allgemeinverbindlicherklärung von geltenden Tarifverträgen. Wenn ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wird, müssen sich aller Arbeitgeber einer Branche daranhalten – ganz gleich, ob sie den Tarifvertrag mit abgeschlossen haben. Das würde der Tarifflucht vieler Arbeitgeber einen Riegel vorschieben.

Weitere Maßnahmen, die für mehr Tarifbindung sorgen würden: die verbindliche Fortgeltung von Tarifverträgen in ausgegliederten Unternehmenseinheiten und bei Betriebsübergängen, die Abschaffung von sogenannten „Ohne-Tarif“-Mitgliedschaften (OT-Mitgliedschaften) in Arbeitgeberverbänden, mit denen die Tarifflucht von Arbeitgebern gefördert wird. Zudem muss ein digitales Zugangsrecht zu den Beschäftigten eines Betriebes für Gewerkschaften geschaffen werden. Alle DGB-Forderungen finden sich hier.

Frage an den DGB: Wie wollen Sie in der Landwirtschaft die Arbeitszeiten kontrollieren und die Auszahlung des Mindestlohns?

Antwort des DGB: Bezüglich der Arbeitszeiterfassung gibt es ein neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt. Alle Unternehmen, also auch landwirtschaftliche Betriebe, sind laut dem BAG-Beschluss vom 13. September 2022 verpflichtet, die geleistete Arbeitszeit zukünftig zu erfassen. Eine Kontrolle der Arbeitszeit im gegenseitigen Vertrauen reicht künftig nicht mehr aus.

Die neue Ampel-Regierung hatte im Januar in einem ersten Referentenentwurf zum Mindestlohn-Erhöhungsgesetz vorgesehen, eine elektronische Zeiterfassung vorzuschreiben. Dieser Passus wurde jedoch gestrichen. Nach dem Erfurter Urteil ist der Gesetzgeber jedoch zum raschen Handeln gezwungen. Die Frage nach der Umsetzung bleibt noch offen und wird sicherlich nicht einfach, aber es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Zusätzlich müssen die Kontrollen zu Mindestlohnverstößen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit deutlich ausgeweitet werden. Noch haben Betriebe gute Chancen, niemals eine staatliche Kontrolle zu erleben.

Zudem unterstützt das Projekt „Faire Mobilität" dabei, gerechte Löhne und faire Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aus dem mittel- und osteuropäischen EU-Staaten über Ländergrenzen hinweg durchzusetzen. Faire Mobilität ist zudem Teil der Initiative Faire Landarbeit. Im Bündnis mit der IG BAU, den Beratungsstellen von EVW und Arbeit und Leben sowie weiteren Organisationen werden bundesweit Feldaktionen durchgeführt, um einen Erstkontakt zu Saisonbeschäftigten herzustellen und sie über ihre Arbeitsrechte zu informieren.

Frage an Faire Mobilität: Gibt es schon Erkenntnisse, ob die digitale Arbeitszeiterfassung in der Fleischwirtschaft im Sinne des Gesetzes auch funktioniert?

Antwort von Faire Mobilität: Gesicherte Daten gibt es dazu bisher nicht. Nach unserer Beratungserfahrung funktioniert die Arbeitszeiterfassung mittlerweile aber recht gut. Ein wesentlicher Grund dafür ist, ...

... dass die Personalabteilungen der großen Unternehmen, die ja auch Zugang zu den elektronischen Anwesenheitsdaten (Chipkarte) haben, die Stunden nicht so manipulieren können wie die Subunternehmen in irgendeinem Außenbüro, denn das würden ja unzählige Mitarbeitende der Verwaltungen mitbekommen.

Andere Gründe dafür sind auch der öffentliche Druck, die vielen Kontrollen und das Risiko, erwischt zu werden, aber auch die Tatsache, dass die Unternehmen aufgrund des Arbeitskräftemangels ohnehin höhere Löhne zahlen müssen.

Das FES Impuls von Prof. Gerhard Bosch und Frederic Hüttenhoff zu diesem Thema finden Sie hier:

 

Bosch, Gerhard; Hüttenhoff, Frederic

Der Mindestlohn von 12 Euro ist da - und nun?

Ursachen wachsender Durchsetzungsprobleme und Maßnahmen zur Verbesserung
Bonn, 2022

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