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UNCITRAL vertrödelt Zeit bei der Reform der Investor-Staats-Schiedsgerichtsbarkeit (ISDS).
Jane Kelsey, Professorin für Rechtswissenschaften an der Universität Auckland, und Kinda Mohamadieh vom Third World Network veröffentlichten jüngst eine detaillierte Studie zum aktuellen Reformprozess für die Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten (ISDS) in der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL). In ihrem Beitrag „UNCITRAL fiddles while countries burn” geben sie Aufschluss über einen undurchsichtigen und ungleichen Prozess, dessen Reformschwerpunkt auf „Verfahrensweisen statt Inhalten” liegt.
Kinda, seit ein paar Jahren ist die Investor-Staats-Schiedsgerichtsbarkeit (ISDS) harscher Kritik durch eine breite Öffentlichkeit ausgesetzt. Was liegt bei diesem System im Argen?
Die ISDS ist ein schiedsgerichtlicher, internationaler Streitbeilegungsmechanismus, der ausschließlich ausländischen Investoren zu dem Zweck dient souveräne Staaten zu verklagen. Er ist in zwischenstaatliche Investitionsabkommen eingebettet, die als Überbleibsel der Entkolonialisierung hauptsächlich darauf ausgelegt sind, Investitionen von Kolonial- und Imperialmächten vor unabhängig gewordenen Entwicklungsländern zu schützen. Die ISDS wird als Mittel genutzt, um eine ganze Reihe von staatlichen regulatorischen Eingriffen, wie z.B. Steuerreformen, anzufechten, die eigentlich der Bewältigung der Finanzkrise und des Klimawandels oder sogar der Coronapandemie dienen sollen.
Jane, die EU schlägt einen multilateralen Investitionsgerichtshof (MIC) vor. Das klingt nach einem vielversprechenden Ansatz. Was ist falsch an dem Konzept der EU?
Zunächst einmal werden dadurch die mangelhaften Regeln in den Investitionsabkommen zugunsten der Investoren in keiner Weise beseitigt; ein System, das in neuen Kleidern daherkommt, aber der Durchsetzung schlechter Regeln dient, kann das Problem nicht lösen. Das zweite Problem ist ein Gerichtssystem, das aus den mannigfaltigen Klauseln aus verschiedenen Abkommen eine Art Präzedenzfall schafft und dadurch einen negativen Präzedenzfall festschreiben könnte. Drittens dürften jegliche Investitionsgerichtshöfe ihren Sitz wohl in reichen kapitalexportierenden Ländern haben, und diejenigen, die als qualifiziert gelten, um Schiedsrichter*innen zu werden, kommen wahrscheinlich überproportional aus dem globalen Norden. Schlussendlich werden einige mächtige Länder, namentlich die USA und Japan, einem solchen multilateralen Investitionsgerichtshof nicht zustimmen. Das System wird genauso unvorhersehbar und zersplittert sein wie jetzt.
Die Auswirkungen der ISDS auf die Haushalte der Länder sind enorm. Es mutet etwas seltsam an, dass die Diskussionen über ein so wichtiges und einflussreiches Instrument in einer kaum bekannten Organisation wie der UNCITRAL geführt werden. Kinda, warum findet diese Erörterung unter dem Radar vieler Politiker*innen und Zivilgesellschaften statt?
Die UNCITRAL ist kein Forum, in dem üblicherweise Entwicklungsländer als Gruppe aktiv werden. Die Gesetze in diesem Forum werden oft von einer kleinen Zahl vorrangig nördlicher Länder unter umfassender Beteiligung von Berufsgruppen und Verbänden gemacht. Im Fall der Reformverhandlungen zur ISDS haben zwei Gruppen nichtstaatlicher Akteure – ein Forum von Akademikern und eines, das aus Praktikern zusammengesetzt ist, von denen die meisten Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen sind, die im Bereich der ISDS als Anwälte oder Schiedsrichter*innen tätig sind – wesentlichen Einfluss auf das Verfahren. Im Allgemeininteresse handelnde Organisationen machen nur einen Bruchteil der überwiegend nichtstaatlichen Beteiligungen in den Sitzungen der Arbeitsgruppe III aus. Einige spezifische Interessen werden auch vertreten. Einer der Hauptgründe war der Wunsch der EU einen multilateralen Bereich zu schaffen, in dem die Idee des multilateralen Investitionsgerichtshofs verfolgt werden kann.
Und wie wird sichergestellt, dass Entwicklungsländer auf Augenhöhe teilhaben können?
Dazu bedarf es viel mehr als nur der Erstattung der Reisekosten. Geeignete Maßnahmen müssen die Entwicklungsländer in die Lage versetzen, wirksame Beiträge zu dem Verfahren zu leisten, anstatt dass man nur auf die Anzahl der vertretenen Länder achtet. Alle Ausgestaltungen, Entwürfe und sonstigen Arbeiten müssen offen und partizipativ erfolgen, wobei die Staaten über die Teilnahme von Sachverständigen bei Beratungen zu sowie der Überprüfung und Kommentierung von Entwürfen umfassend zu informieren sind.
Jane, in Ihrer Publikation schildern sie sehr detailliert, warum das Mandat der Arbeitsgruppe III zu eng umrissen ist, als dass dadurch angemessen auf die systemischen Bedenken der ISDS reagiert werden könnte. Wie sollte das Mandat stattdessen ausgestaltet werden? Und wie wahrscheinlich ist das zum jetzigen Zeitpunkt?
Wenn die UNCITRAL diese Reformen diskutieren soll, muss sie zu der Debatte zurück, in der das Mandat für die Arbeitsgruppe III beschlossen wurde, nämlich der Notwendigkeit die Legitimationskrise im internationalen System des Investitionsrechts anzugehen. Inhaltliche und verfahrensrechtliche Fragen sind auch nach Auffassung vieler Entwicklungsländer in der Arbeitsgruppe untrennbar miteinander verbunden. Die UNCITRAL ist Teil des Systems der Vereinten Nationen. Die Teilnehmerstaaten müssen ihre Verantwortung für die Entwicklung in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen, nicht an den Rand.
Kelsey, Jane; Mohamadieh, Kinda
Jane Kelsey and Kinda Mohamadieh. - Bonn ; Geneva : Friedrich-Ebert-Stiftung e.V. ; FES Geneva, September 2021. - 47 Seiten = 670 KB, PDF-File. - (Study). - (Global and regional order)Electronic ed.: Geneva : FES, 2021ISBN 978-3-96250-942-2
Zum Download (PDF) (670 KB, PDF-File)
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