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Wir sprachen mit der Gründerin von Intrare Hannah Töpler.
Bild: Pharmacy in Tijuana, Baja California von Omar Bárcena lizenziert unter CC BY 2.0
Bild: Hannah Töpler von privat
In Mexiko hoffen tausende Migrant_innen und Geflüchtete aus Honduras auf ein besseres Leben. Ihr Ziel: die USA. Doch wie ist die Situation im Transitland Mexiko?
FES: Frau Töpler, Sie leiten in Mexiko ein Start-Up zur Integration von Geflüchteten. Was sind die Ziele Ihrer Arbeit und wie gehen Sie dabei vor?
Hannah Töpler: INTRARE vernetzt Geflüchtete mit der Gesellschaft und Arbeitgebern. Dieses duale - soziale und wirtschaftliche - Integrationsmodell ist unser Markenzeichen. Es funktioniert, das zeigen nicht nur unsere ersten Evaluationen. Als der erste Geflüchtete mit uns einen Job gefunden und mir erzählt hat, wie wohl er sich in seinem Umfeld mit mexikanischen Kolleg_innen und Freunden fühlt, wusste ich, dass es sich gelohnt hatte, das duale Modell zu entwickeln.
Unsere Integration fängt bei einem genauen Blick auf das Profil und die Bedürfnisse jedes Geflüchteten an. Es folgt ein mehrwöchiges intensives Training zur sozialen, kulturellen und emotionalen Integration und zur beruflichen Neuorientierung auf dem mexikanischen Arbeitsmarkt.
Gleichzeitig verbinden wir jeden Geflüchteten mit einer/einem Mentor_in aus seinem beruflichen Feld. Von diesen lernen die Geflüchteten nicht nur viel über den Arbeitsmarkt, sondern bilden auch erste Freundschaften. Sobald die Geflüchteten sich bereit fühlen, bringen wir sie mit Partnerunternehmen und anderen Unternehmen in Kontakt, die sie interessieren. Wir begleiten jeden Arbeitgeber im Einstellungsprozess und bleiben mehrere Wochen in Kontakt mit ihm und dem Geflüchteten, damit die Integration reibungslos läuft.
Integration ist schwierig für alle. Für die Gesellschaft und den Markt, weil sie nicht wissen, wer da in ihr Land kommt. Für die Geflüchteten, weil sie Traumata durchlebt haben und ihr Leben neu anfangen müssen. Unsere Mission ist es, Integration so einfach wie möglich für alle zu machen.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Erfolgsfaktoren bei der Integration in den Arbeitsmarkt?
Drei Faktoren sind absolut notwendig. Erstens, wir müssen das Talent der Migrant_innen verstehen. Ungeplante Migration, wie im Fall von Geflüchteten, macht Vorausplanung schwierig. Hier aber macht eine gute Profilanalyse bei der Ankunft es möglich, sie mit Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren.
Zweitens, die Diversität, Motivation und Talente, die Geflüchtete und Migrant_innen mitbringen, sind nicht nur PR. Diversität und Motivation steigern nachweislich Produktivität und Kreativität in Teams und können Personalfluktuation senken. Wir alle haben also einen Nutzen, wenn wir Migrant_innen und Geflüchteten Chancen für eine Arbeitsmarktintegration geben.
Drittens ist es zentral, Gemeinschaft zu bilden. Niemand kann beruflich erfolgreich werden ohne ein Sozialleben mit seinem Umfeld zu haben, vor allem Personen, die Traumata erlitten haben. Soziale Integration benötigt das Einbringen beider Seiten, der Gesellschaft und der Geflüchteten. Dadurch ist sie bereichernd für beide Seiten. Das merken wir bei INTRARE mit unseren Mentor_innen, die uns ein großartiges Feedback zur Beziehung mit ihren Mentees geben.
In Mittelamerika migriert aktuell eine große Gruppe von Menschen durch Mexiko in Richtung der USA. Wie beurteilen Sie die Situation?
Die Menschen fliehen vor einer Kombination aus Gewalt durch organisiertes Verbrechen, Gangs, und Armut. Die Situation ist brisant. Wenn die inzwischen zersplitterten Migrant_innenkarawanen an der Grenze zu den USA ankommen, werden sie feststellen, dass sie nach dortigem Recht praktisch keine Chance auf Asyl haben. Normalerweise reisen die meisten Menschen illegal ein. Das wird jetzt, durch die von Präsident Trump angeordnete Militärpräsenz, kaum möglich sein.
Das wiederum wird Mexiko unter Druck setzen die Menschen aufzunehmen. Zur Zeit fehlt es an Kapazitäten die Sicherheit der Karawanen vor organisiertem Verbrechen zu gewährleisten und humanitäre Grundbedürfnisse, wie sauberes Wasser, zu decken. Zusätzlich Integration zu leisten, wird ein schwierigerer Schritt, denn darin fehlen Erfahrung und öffentliche Gelder.
Es gibt jedoch auch positive Zeichen: Die Regierung hat ein Programm für Arbeitsvisa angekündigt, das sehr hilfreich sein kann. Zudem beginnt am 1. Dezember eine neue Regierung ihr Mandat. Der öffentliche Druck ist groß, und es ist wahrscheinlich, dass dieser dazu führt, dass die neue Regierung ihre Verantwortung ernstnimmt den Migrant_innen Schutz und Chancen zu bieten.
Die Situation ist brenzlig und die Migrant_innen der Karawanen befinden sich in einer katastrophalen Situation. Allerdings ist diese Situation nicht wirklich neu. Laut Schätzungen der UN kommen rund 400,000 Menschen jedes Jahr über die Südgrenze nach Mexiko, werden deportiert, reisen unter extremer Unsicherheit in die USA weiter oder bleiben unter prekären Bedingungen in Mexiko.
Die öffentliche Aufmerksamkeit, die die jetzige Migrant_innenkarawane schafft, kann eine Chance sein. Wenn die USA den Schutzsuchenden nicht helfen wollen, darf das keine Entschuldigung sein. Mexiko ist eine aufstrebende Wirtschaft. Es kann und muss Sicherheit und Chancen für Schutzsuchende bieten.
In den USA werden Migrant_innen aus Mexiko, vor allem von Trump, häufig negativ gebrandmarkt. Stoßen die Migrant_innen aus Honduras in Mexiko hingegen auf Verständnis, da die Bevölkerung ähnliche Erfahrungen macht?
Die öffentliche Meinung ist stark gespalten. Das Argument ist oft: Warum sollten wir denen aus Honduras helfen, wenn in unserem eigenen Land so viele Menschen in Armut leben? Gleichzeitig gibt es viel Empathie, zum Beispiel in Orten, durch die die Karawane zieht. Natürlich wird oft die Parallele zu mexikanischen Migrant_innen in den USA gezogen. Deren negative Erfahrung mit der Trump-Regierung und auch vorherigen Regierungen ist hier ein wichtiges Thema.
Besonders von Unternehmen erfahren wir aber in diesen Tagen viel Verständnis und Unterstützung. Mit ihnen werden wir in den nächsten Tagen eine Initiative zur Integration von Migrant_innen der Karawane in Mexiko starten. Die Migrant_innen, die Honduras wegen Gewalt und Armut zurückgelassen haben, sollen hier eine Chance bekommen. In Mexiko sind zwar die Gehälter niedriger als in den USA, aber würdige Lebensbedingungen gibt es auch hier.
Das ist das Anliegen unserer Arbeit. Krisen und Gewalt können wir nicht verhindern. Wir können aber die Gesellschaft, die Unternehmen und die Migrant_innen verbinden. Damit können wir Integration für alle so einfach machen, dass sie nicht nur Geflüchteten und Migrant_innen Schutz bietet, sondern gleichzeitig ein Gewinn für die Gesellschaft ist. Und das hoffen wir auch bald in anderen Ländern umzusetzen.
Hannah Töpler ist Gründerin und Leiterin des mexikanischen Start-UPs Intrare, das sich der sozialen und ökonomischen Integration von Migrant_innen widmet. Sie ist ehemalige Stipendiatin der FES.
Vor einigen Tagen hat eine weitere Karawane von Migrant_innen aus Honduras, die auf dem Weg in die USA ist, Guatemala und Mexiko erreicht.
Wie die FES in Uruguay on- und offline ein Zeichen gegen Rassismus und Xenophobie setzt.
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