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Auch 25 Jahre nach der Weltfrauenkonferenz ist die Diskriminierung von Frauen trotz einiger Fortschritte in Verfassung und Recht immer noch ein dringendes Thema.
Die Diskriminierung von Frauen hat sich in der Covid-19-Pandemie verschärft: es gibt mehr Frauenmorde, die Gewalt gegen Frauen ist um 30 Prozent weltweit gestiegen, die Sorgearbeit wurde verstärkt wieder auf Frauen übertragen – selbst in Partnerschaften, die sie sich zuvor geteilt haben. Auch die ökonomischen Folgen treffen überwiegend Frauen, da sie zu größerem Anteil weltweit in prekären Beschäftigungsverhältnissen tätig sind. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Dabei verlangt internationales Recht, dass Frauenrechte respektiert werden. Die Menschenrechtskonvention fordert, dass alle Menschen gleich an Würde und Rechten sind. Deutlicher wird noch die UN-Frauenrechtskonvention. Sie war ein Glücksfall, weil Frauenbewegungen aus aller Welt Diskriminierungsverbote und Geschlechtergerechtigkeit in dieser vorbildlichen UN-Konvention durchsetzen konnten. Die USA und der Iran gehören zu den lediglich fünf Regierungen, die 1979 nicht mitmachten.
Seitdem haben 139 Staaten die Gleichstellung in ihre Verfassungen aufgenommen, predigen 117 Staaten die gleiche Entlohnung von Frau und Mann, den gleichen Zugang zu politischer und wirtschaftlicher Partizipation, verurteilen 125 Staaten häusliche Gewalt gegen Frauen und Vergewaltigung. Und dennoch wird es nach Schätzungen des Weltwirtschaftsforums keiner heute lebenden Frau möglich sein, in einer gleichberechtigten Welt zu leben. Die Pandemie hat die Ausgangslage weiter verschlechtert. Frauen gehört weder die Hälfte des Himmels noch die Hälfte der Erde.
Weltweit werden Frauen noch immer wesentlich schlechter bezahlt als Männer. Viele Frauen sind prekär beschäftigt. In Entwicklungsländern stellen Frauen fast 70 Prozent der Erwerbstätigen im informellen Sektor - ohne soziale Absicherung und Arbeitsrechte. Die Pandemie entlässt Millionen von Frauen in die absolute Armut. Zuvor konnten Frauen mit ihrem mageren Einkommen häufig zumindest Nahrung und Schulbildung finanzieren; das fällt verbreitet nun auch noch weg. Prekäre Arbeit bleibt weltweit Frauensache.
Es passt nicht zusammen – die soziale Wirklichkeit und die Meinung der Menschen zur Gleichstellung von Frau und Mann. Blitzlichter zur Gleichstellung (eine Umfrage der NRO Women Deliver and Focus 2030) in Vorbereitung der beiden UN-Frauenkonferenzen 2021 Generation Equality in Mexiko (März 2021) und Paris (Juni 2021) stellt fest, dass 80 Prozent der Befragten Geschlechtergleichstellung für ein wichtiges Anliegen halten und 65 Prozent der Befragten sich mehr Investitionen der Regierungen in die Umsetzung der Geschlechtergleichstellung wünschen. 60 Prozent sind der Meinung, dass Geschlechtergleichheit für die Beendigung der Armut von wesentlicher Bedeutung ist.
Die UN-Frauenrechtskonvention bleibt hier auch für die nähere Zukunft wegweisend, weil sie die strukturelle Diskriminierung der Frau beseitigen will. Zentral ist für sie die Überwindung von Geschlechterstereotypen. Auch Rechtsgleichheit kann zwar zu Gleichheit beitragen. Und doch ist sie unzureichend, weil Frauen anders als Männer strukturell bedingten Diskriminierungen ausgesetzt sind, die komplexe gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Ursachen haben. Die Frauenrechtskonvention ist in diesem Sinne innovativ, weil sie über das allgemeine Verständnis von Diskriminierung hinausgeht und sehr deutlich macht, dass sich Frauen aus der Diskriminierung befreien können, ohne sich mit Männern vergleichen zu müssen.
Auch die UN-Agenda 2030 verankerte die Ziele der Geschlechtergerechtigkeit und der gleichberechtigten ökonomischen und politischen Partizipation als eigenständiges Ziel. Gleichzeitig sollen auch die übrigen Ziele der Agenda in geschlechtergerechter Weise durchgesetzt werden. Das war ein Erfolg der internationalen Frauennetzwerke, die auf UN-Ebene, aber auch bei den nationalen Regierungen Lobby dafür machten.
Frauen spielen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsagenda. Die UN-Nachhaltigkeitsagenda will die ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Dabei ist kulturelle Nachhaltigkeit mitgedacht, die Ausgrenzung und Rassismus eine Absage erteilt und auf Geschlechtergerechtigkeit setzt. Die Millenniumsziele wurden nach Meinung der UN nicht erreicht, weil die Geschlechterdiskriminierung und die Ungleichheit nicht überwunden wurden. Patriarchat und andere Formen von männlicher Vorherrschaft waren stärker. Die Gleichstellung von Frau und Mann ist und bleibt Teil der Probleme der Weltgesellschaft – und ihrer Lösung.
Zu Recht haben die UN 2020 zu einer Aktionsdekade aufgerufen, weil es bislang zu wenige Fortschritte bei der Umsetzung der Agenda 2030 gibt. Die Covid-19-Pandemie verschärft den Handlungsdruck, weil wichtige Ziele nicht nur nicht erfüllt werden können, sondern insbesondere Armut und Hunger, Ungleichheit, Gesundheitsrisiken und Bildungsnotstände dramatisch zunehmen. Maßnahmen der Regierungen müssen dazu beitragen, Systemrisiken zu verringern und sowohl die ökonomische, ökologische wie soziale Nachhaltigkeitspolitik zu vertiefen und fortzusetzen. Dabei geht es vor allem um eine gerechtere Wirtschaftspolitik, gute Arbeit, die Geschlechtergleichheit, den Klimaschutz und die solidarische Zusammenarbeit auf internationaler Ebene.
Diese neue Welt muss in den nächsten 10 Jahren erreicht werden. Die Bilanz nach 15 Jahren stimmt nicht optimistisch. Die politische und gesellschaftliche Teilhabe von Frauen ist dringend erforderlich, weil nur so Veränderungen möglich sind. Doch stellen Frauen noch immer weltweit nicht einmal 10 Prozent der Regierungsspitzen und nur 26 Prozent der Abgeordneten. Es ist enttäuschend, dass bis heute in fast allen Regionen der Welt die Geschlechtergerechtigkeit nicht durchgesetzt ist und die Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der Ziele so unzureichend umgesetzt ist. Das gilt auch für Deutschland und die Europäische Union.
Auf dem Papier immerhin sieht es hierzulande bereits ungleich besser aus. Die neue EU-Gleichstellungsstrategie beispielsweise verspricht die Einbeziehung der Geschlechterperspektive in alle Politikbereiche der EU. Die Ziele der Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter spiegeln sich auch in den weltweiten Maßnahmen der EU wider, mit denen die Rolle der Frau gestärkt und geschlechtsbezogene Gewalt bekämpft werden soll. Mit der Gleichstellungsstrategie verankert die EU die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern im Zentrum der Politikgestaltung für alle EU-Staaten. Es wird Zeit, diesen hehren Zielen auch konkrete Taten folgen zu lassen.
Professor Dr.h.c. Christa Randzio-Plath ist Rechtsanwältin und Dozentin an der Universität Hamburg. Sie war Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete und langjährige Europaabgeordnete, ist Vorsitzende vom Marie-Schlei-Verein (Entwicklungsprojekte für Frauen) und Ehrenvorsitzende Hamburger Landesfrauenrat. Ihre zahlreichen Bücher und Veröffentlichungen konzentrieren sich auf Europa- und Entwicklungspolitik sowie auf Geschlechtergerechtigkeit. Anwältin für eine gerechtere Welt ist ihr Ehrentitel.
Christa Randzio-Plath - Marburg : Schüren Verlag, Februar 2021. - 144 SeitenISBN 978-3-7410-0273-1
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