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Gefährliche Rhetorik

Wie Ungarns Regierung die EU-Flüchtlingsfrage zur Sicherung der eigenen Macht instrumentalisiert und dabei immer wieder auf das gleiche Kommunikationsmuster zurückgreift.

Bild: Viktor Orbán von European People's Party lizenziert unter CC BY 2.0

In Ungarn wird im Frühjahr 2018 gewählt. Wie in vielen anderen EU-Mitgliedstaaten ist die Flüchtlingsfrage das zentrale Thema im Wahlkampf. Aber, nirgendwo anders in Europa spricht sich eine aktuelle Regierung so offen, kompromisslos und provokativ gegen jegliche Aufnahme von Flüchtlingen aus wie in Ungarn – und erweitert damit kontinuierlich ihre innenpolitische Macht. Was ist die Erfolgsstrategie der Orbán-Regierung?

Mit Ängsten argumentieren

Die ungarische Gesellschaft ist relativ homogen und hat historisch vergleichsweise wenig Einwanderungserfahrungen. Als zu Beginn des Jahres 2015 hunderttausende Flüchtlinge einreisen und das Land passieren wollten, verunsicherte dies viele Ungarinnen und Ungarn. In vielerlei Hinsicht haben die anderen EU-Staaten die Länder an der süd-östlichen Grenze Europas in dieser Situation im Stich gelassen. Genau darauf baut Orbáns Kommunikationskampagne auf: das Thema Migration wird grundsätzlich mit Ängsten verknüpft und ein klassisches Feindbild heraufbeschworen, nämlich wahlweise das der Unbekannten, Fremden, Konkurrierenden, Terroristen, die den nationalen Zusammenhalt und die Sicherheit bedrohen.

Orbáns Rhetorik bleibt gleich

So wurden beispielsweise in der Debatte um die europäische Flüchtlingsquote nicht nur Geflüchtete, sondern auch die EU zum Feindbild der Ungar_innen stilisiert. In einer aktuellen Publikation der Friedrich-Ebert-Stiftung „Das Urteil zur EU-Flüchtlingsquote: Was sind die Gründe für die Reaktion der ungarischen Regierung?“ analysiert Tamás Boros die Kommunikationsstrategie von Orbán im Streit um die EU-Flüchtlingsquote. Vor dem Hintergrund, dass der EU-Ministerrat am 22. September 2015 die Umverteilung von Asylsuchenden in der EU beschloss, reagierte die ungarische Regierung nicht mit Kooperation, sondern mit einer Klage beim EuGH. Politisch war dies gefährlich und eine Provokation: nachdem Gutachter des EuGHs die Flüchtlingsquote als rechtmäßig eingestuft hatten, wurde die Klage abgewiesen und seitens der EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet. Medienstrategisch erwies sich der Streit um die Quote jedoch als äußerst wirksam. Denn dadurch, dass die ungarische Regierung und regierungsnahe Medien laute Kritik an Brüssel üben und die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit von EU-Institutionen hinterfragen, bleiben sie in aller Munde, europaweit.

Der neue Feind George Soros

Im gegenwärtigen Abschnitt seiner Wahlkampagne hat Orbán den ungarisch-amerikanischen Inverstor George Soros zum neuen Feind Ungarns erkoren. Orbán beschuldigt Soros gemeinsam, unter anderem mit der EU zu planen, jährlich mindestens eine Million von Flüchtlingen aufzunehmen. Bis Mitte November können die Ungarinnen und Ungarn dazu in einer Volksabstimmung gegen den sogenannten Soros-Plan votieren. Dass Orbáns Kommunikationsstrategie hier wieder ein neues migrationsrelevantes Feindbild generiert, stützt Tamás Boros These, wonach es der Regierung vordergründig gar nicht um die Lösung von einzelnen Problemen wie der Flüchtlingsfrage, sondern vielmehr um die Aufwertung der eigenen Politik geht, und zwar durch die permanente öffentlichkeitswirksame Degradierung von Gegnern: „Jede Minute, in der der Premier in den Medien über Migrant_innen spricht, festigt seine Macht.“ Solange Dank der Öffentlichkeitskampagne 66 Prozent der ungarischen Bevölkerung glauben, dass Geflüchtete die größte Gefahr für das Land darstellen, erhöhen Orbán und die Fidesz-Partei, ihre Popularität. Die Rhetorik bleibt simpel: Für Probleme werden Feindbilder heraufbeschworen und verantwortlich gemacht.

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Timo Rinke

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