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Jenseits des Abendlandes - Kulturpolitik für Europa

Europa und Kultur gehören zusammen wie … - aber was ist europäische Kultur und welchen Beitrag kann sie zu einer europäischen Idee liefern, die sich nicht vom Rest der Welt abkapselt?

Bild: the coronation von Lucas Odahara lizenziert unter Genehmigung des Fotografen

Europa und Kultur – eigentlich liegt nichts näher, der „alte Kontinent“ zeichnet sich ja nicht zuletzt durch das reiche Kulturleben und die Bedeutung von Kunst und Kultur für das Selbstverständnis der Menschen hier aus. Fügt man den beiden Wörtern aber noch Politik hinzu, hat man entweder das Material für Sonntagsreden - oder ein Problem. Denn was könnte eine Europäische Kulturpolitik sein, welche Ziele und Zwecke verfolgen und mit welchen Mitteln? Gewiss, es gib einen EU-Kommissar für Bildung und Kultur (und Jugend und Sport, derzeit der Ungar Tibor Navracsics), es gibt das Erasmus-Austauschprogramm und die Europäischen Kulturhauptstädte. Aber reicht das, um von Kulturpolitik sprechen zu können? Europäische Kulturpolitik also, dicke und komplexe Bretter, die gebohrt und gedrechselt werden wollen.

Kulturpolitik muss raus aus dem Elfenbeinturm!

Um was es in diesem umstrittenen Themenkomplex gehen sollte, wurde mit 160 Teilnehmer_innen am 16. September in Berlin auf der internationalen Fachtagung „Kultur ohne Grenzen? – Anforderungen an eine europäische Kulturpolitik“ diskutiert. Den Auftakt machte in ihrem Grußwort Petra Kammerevert, Sprecherin der sozialdemokratischen Fraktion im Ausschuss für Kultur und Bildung des Europaparlaments. Ihre Ansage war deutlich: In der gegenwärtigen Situation, vor dem Hintergrund des erstarkenden Nationalismus in Europa, der mangelnden Solidarität und des Zweifels an der europäischen Integration überhaupt – angesichts dessen kann sich Kulturpolitik weder ausschließlich mit dem Tagesgeschäft aufhalten, noch sich in den Elfenbeinturm zurückziehen, sie muss „raus in die gesellschaftlichen Debatten“ um die Zukunft Europas!

In der sich anschließenden Podiumsdiskussion ging es dann direkt in diese Debatten hinein. Wie steht es denn um die Grundrechte in Europa, zum Beispiel um die Presse- und Meinungsfreiheit? Der ungarische Schriftsteller György Dragomán und Bartosz Wielinski, Journalist aus Polen berichteten wie wenig zimperlich man in ihren Ländern mit der Unabhängigkeit der Medien umspringt. Tobias Schuster, Dramaturg am Wiener Schauspielhaus, machte sich stark für die Kultur als Plattform und Diskussionsraum und forderte eine verstärkte interkulturelle Öffnung von Kulturinstitutionen. Diese Forderung wurde später wieder von Amelie Deuflhard, Leiterin der renommierten Hamburger Bühne Kampnagel, aufgegriffen – mit der (selbst-)kritischen Anmerkung, dass es nicht darum gehen könne, einfach Statisten auf die Bühne zu holen. Aus der gut gemeinten Theorie müsse auch eine gelungene Praxis auf Augenhöhe entstehen.

Europäische Kultur ohne Eurozentrismus

Den größten Teil des Nachmittags nahmen fünf parallel stattfindende Workshops ein, zu Globaler Musik, Literatur, Film, Fotografie und Darstellender Kunst, wo gemeinsam mit Künstler_innen der Frage nachgegangen wurde, welchen Beitrag die Künste zur europäischen Idee leisten können. Dabei zeigt sich, dass Kunst und Kultur durchaus das Potenzial dafür haben. Allerdings sind sie kein Reservoir, aus dem man die passenden Ideen einfach abzapfen kann. Vielmehr könne die Kunst komplexe Sachverhalte vermitteln, so die Filmemacherin Connie Walther. Oftmals abstrakte Themen wie Integration und Vielfalt, Vertrauen und Berührungsängste oder auch Regeln können hier emotional erfahrbar werden – und so auch zu „Bausteinen für den europäischen Gedanken“ werden. Dass man aber vorsichtig mit dem Begriffspaar „europäische Kultur“ umgehen sollte, hob der Musikethnolog Prof. Raimund Vogels im Workshop „Globale Musik“ hervor. Denn nur allzu schnell kommt es mit einer eurozentrischen, elitären, alles nicht-europäische abwertenden Haltung im Schlepptau.

Auch über Förderung und Strukturen wurde gesprochen. Denn hier ist in Europa nicht alles schlecht, auch wenn die Strukturen aufgrund des Subsidiaritätsprinzips quasi von Haus aus nicht besonders stark sind. Zwar kritisierte der tschechische Dokumentarfilmer Tomáš Kratochvíl mangelnde Fördermittel, zeigte sich insgesamt aber optimistisch was die Zukunft anbelangt. Es gibt Geld und auch gute, spartenübergreifende Förderprogramme.

Um was also kann es einer europäischen Kulturpolitik gehen? In der Abschlussdiskussion machte sich Amelie Deuflhard stark dafür, dass in Kunst und Kultur neue, kritische, selbstreflexive Narrative entstehen sollen. Oder in den Worten der Bundestagsabgeordneten Eva Högl: „Dinge bewusstmachen – das kann Kultur!“

Links:

Europa kreativ? Anforderungen an eine europäische Kulturpolitik, Dokumentation der Fachtagung am 27. Juni 2014

Junges politisches Engagement in Europa, eine Analyse repräsentativer europaweiter Umfragen Berlin, 2016

Ansprechpartner in der Friedrich-Ebert-Stiftung:

Franziska Richter

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