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Die Europäische Kommission will die EU-Asylpolitik grundlegend reformieren: Nur durch eine Vereinheitlichung des Systems lassen sich offene Binnengrenzen halten und der „Wettlauf nach unten“ bei den Standards stoppen.
Bild: "Like a daredevil" von Simon Matzinger lizenziert unter CC BY 2.0
Im Jahr 2015 betrug die Zahl der registrierten Asylbewerber_innen in den EU-Mitgliedstaaten laut Eurostat 1,26 Millionen Menschen, was einen Anstieg um 123 Prozent im Vergleich zu 2014 bedeutet. Die Flüchtlingskrise ist eine der größten Herausforderungen für die EU in den letzten Jahrzehnten und offenbart gleichzeitig einigen Reformbedarf in der europäischen Migrationspolitik. Die Europäische Kommission hat im April 2016 reagiert und eine Neuerung der EU-Asylpolitik angekündigt. In den folgenden zwei Monaten lieferte sie in diesem Zusammenhang sieben Vorschläge für Gesetzgebungsakte, darunter die Errichtung einer Europäischen Asylagentur (EAA).
Durch eine EAA sollen Defizite im europäischen Asylsystem beseitigt werden, wie beispielsweise Divergenzen zwischen den einzelnen EU-Staaten in Bezug auf Asylverfahren, Anerkennungsquoten oder Aufnahmebedingungen. Auch Anreize für die Mitgliedstaaten, die Kosten der Flüchtlingsproblematik durch Verschärfungen von Einreise- und Asylbarrieren auf andere Staaten zu schieben, sollen so abgeschafft werden.
Mit anderen Worten läge die Verantwortung der Erstaufnahme und der Durchführung von Asylverfahren nicht länger bei den Mitgliedstaaten, sondern bei einer gemeinsamen europäischen Agentur. Die Finanzierung aus dem EU-Haushalt soll sicherstellen, dass auch hohe Flüchtlingszahlen zu bewältigen sind und der Zusatzbeitrag nur bei ein bis zwei Promille des nationalen Bruttonationaleinkommens für die EU-Länder liegt. Eine gemeinschaftliche Organisation und Finanzierung könnte also auch die nationalen Haushalte entlasten.
Allerdings bleibt die wichtige Frage nach der politischen Unterstützung und Durchsetzbarkeit. Widerstand wird insbesondere von osteuropäischen Mitgliedsländern erwartet, da diese vor einer laxen Asylpolitik, als Konsequenz von europäisierten Asylstandards, warnen.
Friedrich Heinemann entkräftet diese Befürchtungen in seiner Publikation „EU-Asylagentur: „Wettlauf nach unten stoppen“, die im Januar 2017 im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung erschienen ist. Heinemann argumentiert, dass die Einrichtung einer EAA nicht zwangsläufig großzügigere Aufnahmestandards bedeute - auch das Gegenteil sei denkbar. Es würde lediglich geregelt werden, dass keine einseitigen Entscheidungen mehr durch die einzelnen Staaten getroffen werden könnten, was auch im Interesse osteuropäischer Staaten liegen dürfe.
Trotz der skeptischen Stimmen hat sich die Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Rates im Oktober 2016 für den Vorschlag der Kommission ausgesprochen. Gleichzeitig wurde jedoch auch Diskussionsbedarf signalisiert. Vor allem die Rolle der EEA bei der Überwachung und Beurteilung von Asylverfahren sowie beim Erstaufnahmesystem steht in der Kritik, da einige Staaten die Hauptkompetenz weiterhin bei sich sehen und fordern, dass die EEA sich vor allem auf die Unterstützung der Mitgliedstaaten konzentriert. Das Thema steht bei den nächsten Treffen des Europäischen Rates wieder auf der Tagesordnung, um möglichst zeitnah eine gemeinsame Position zu präsentieren und die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament und der Kommission zu beginnen.
Für den Fall, dass die Zweifel innerhalb der Mitgliedstaaten nicht ausgeräumt werden können, existieren Alternativen, zum Beispiel eine Politik der unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Durch eine verstärkte Zusammenarbeit, gemäß Artikel 20 EU-Vertrag, könnten Staaten die Organe der EU für eine erneuerte europäische Asylpolitik nutzen und somit teilweise eine gemeinsame und einheitliche Asylpolitik realisieren. Dass dies jedoch keine Lösung auf Dauer sein kann, wenn Europa seine offenen Grenzen nicht aufgeben möchte, sollte allen klar sein.
Der politische Wille, die Flüchtlingskrise auf europäischer Ebene zu lösen, ist klar erkennbar und die weitere Vereinheitlichung des europäischen Asylsystems mit einer EAA in der operativen Verantwortung bietet einen Lösungsansatz zur aktuellen Flüchtlingskrise. Die Realisierung der Europäischen Asylagentur wird allerdings nur in kleinen Schritten erfolgen und von der Kompromissbereitschaft und dem Geschick in den Verhandlungen mit dem Rat abhängen.
Ansprechpartner in der Stiftung:
Arne Schildberg
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