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Dass Europa momentan nicht einmal annähernd einer vergnügten Familie gleicht, dürfte spätestens seit dem 23. Juni allen klar sein: Großbritannien wird die EU verlassen.
Bild: Bild: Working Together Teamwok Puzzle Cconcept von Scott Maxwell lizensiert unter CC BY-SA 2.0
Trotzdem – oder gerade deswegen – müssen die vielen Krisen des Kontinents angegangen werden.
Vielen Menschen erscheint es intuitiv logisch, dass Zusammenarbeit immer einen Mehrwert schafft – gleich, auf welcher Ebene oder in welcher Beziehung. Dies gilt besonders für die internationale Politik. Nun könnte man sagen: 51,9 Prozent der britischen Bevölkerung sehen dies anscheinend anders. Doch wer so argumentiert, erkennt nicht, dass es den Britinnen und Briten wohl weniger um eine Ablehnung der Zusammenarbeit an sich ging. Vielmehr sehen sie die Europäische Union nicht als einen Ort der Zusammenarbeit, sondern als einen des Diktats oder gar der Diktatur auf den sie keinen Einfluss haben.
Heute jedoch bringt es nichts, abzuwarten, wie es mit Europa weitergeht nach dem einschneidenden Referendum. Nach einem kurzen Innehalten muss die (europäische) Politik weitermachen – so abgedroschen es klingen mag. Denn die multiplen Krisen werden sicherlich nicht weniger.
So scheint fast vergessen, dass im Osten des Kontinents bis heute eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen pro-russischen Separatisten und der ukrainischen Armee anhält. Nach zwei Abkommen und fast zweieinhalb Jahren hat Europa diesen Konflikt immer noch nicht lösen können. An der Einhaltung der im Minsker Abkommens vom Februar 2015 ausgehandelten Waffenruhe hat die zuständige Beobachter-Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erhebliche Zweifel. Das Misstrauen ist groß. Vor allem zwischen der ukrainischen Regierung und der russischen Führung, aber auch zwischen der EU und Russland.
Als der Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am 16. Juni in St. Petersburg verkündete, dass die europäischen Wirtschaftssanktionen gegen Russland nicht aufgehoben würden, hat dies niemanden überrascht. Trotzdem sprach er sich gleichzeitig für einen Dialog aus, man solle nicht über, sondern mit Russland sprechen. Denn er sei sich sicher, eine Zusammenarbeit könne in Zukunft beiden Seiten erhebliche Gewinne bringen.
Genau hier setzt auch eine aktuelle Veröffentlichung der Friedrich-Ebert-Stiftung an: A Shared European Home: The European Union, Russia and the Eastern Partnership. 11 Autor_innen aus der EU, Georgien, Russland und der Ukraine beschreiben Optionen für die künftige Ostpolitik der EU. Entstanden ist das Papier aus dem Szenarien-Projekt der FES The EU and the East in 2030. Hier wurden vier Szenarien für die Beziehung zwischen der EU, Russland und den sechs Staaten der Östlichen Partnerschaft (Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldawien und die Ukraine) entwickelt, symbolisiert durch verschiedene Häuser: Shared Home, Common Home, Broken Home und Divided Home.
Die Ist-Beschreibung liefert dabei das Divided Home: Es herrscht ein kalter Frieden, es gibt ein paar gemeinsame Interessen, einige Konflikte und immer mehr divergierende Werte. Mit dem Common Home als Idealtyp im Hinterkopf, empfehlen die Autor_innen des Papiers jedoch das zweite Szenario, also ein Shared Home, als mittelfristiges Ziel. Da auch dies mitnichten ein Selbstläufer ist, haben die Expert_innen im Laufe ihres Projektes konkrete Politikempfehlungen entwickelt. Neben der unbedingt notwendigen Befriedung des Ukraine-Konflikts sind dies unter anderem folgende:
Wirtschaftliche Verflechtung sei ein sehr realpolitischer Grund, der die Beteiligten oft von der weiteren Eskalation der Konflikte abhalte. Handel erzeugt zwar nicht unbedingt Wandel, kann aber unter Umständen Schlimmeres verhüten: Daher solle die ökonomische Zusammenarbeit erhalten, nach Möglichkeit ausgebaut werden – auch zum Beispiel durch einen Dialog zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion (EWU).
Sowohl auf politischer als auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene: So könne zum Beispiel darüber nachgedacht werden, dass Erasmus+-Programm für die gesamte östliche Nachbarschaft zu öffnen. Auch eine Beschleunigung der Visa-Erleichterungen für diese Länder sei denkbar.
Schon in Bezug auf das iranische Nuklear-Programm haben besonders die EU und Russland erfolgreich zusammengearbeitet und zur Lösung beigetragen. Auch der Krieg in Syrien könne ein Beispiel für konstruktive Kooperation werden, ebenso wie der Klimawandel.
Der wohl überzeugendste Grund für alle Beteiligten konstruktiv an dem Verhältnis zu arbeiten, ist auch der einfachste: Es liegt im ureigenen Interesse aller – der EU, Russlands und den sechs Ländern der Östlichen Partnerschaft – zu einer pragmatischen, interessengeleiteten Beziehung zurückzukehren, denn momentan verlieren alle. Oder wie die Autor_innen es sagen:
„The Shared Home is not a happy place for jolly family of European nations. It resembles more a big block of flats, where neighbours get along with each other not because they like each other so much, but because they have to.“
Das gesamte Papier finden Sie hier
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