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Die aktuelle Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung gibt Einblicke in die Einstellungen der Deutschen gegenüber Geflüchteten und dass sich diese nach Herkunftsländern unterscheidet.
Parallel zu den steigenden Flüchtlingszahlen im Frühsommer 2023 und dem Stimmenzuwachs für die AfD verhärtet sich auch erneut eine Migrationsdebatte, medial wie politisch. Inzwischen gelten die Themen Flucht und Migration wieder als „Sorgenthemen“, bei denen zudem im allgemeinen Sprachgebrauch häufig zwischen unterschiedlichen Formen von Migration wenig differenziert wird. Das war vor etwa acht Jahren zunächst anders. Deutschland feierte sich mit seiner Willkommenskultur, erfreute sich daran, der Welt endlich auch einmal ein freundliches Gesicht zu zeigen. Im unmittelbaren Nachgang zu den großen Fluchtmigrationsbewegungen ab 2015 aus Ländern wie Syrien und Afghanistan, die Geflüchtete auch in westeuropäische Länder geführt haben, herrschte in Deutschland teilweise eine nahezu euphorische Stimmung, die zu großen Hilfeleistungen und einem Gefühl von „Wir schaffen das!“ führte. Vergleichsweise schnell änderte sich diese positive Haltung, die Sicht auf Geflüchtete in Deutschland wurde rasch negativer. Bereits damals gab es erste Studien, die zeigten, dass etablierte Bewohner_innen Europas Geflüchtete aus bestimmten Regionen der Welt anderen Geflüchteten vorzogen. Besonders positiv bewertet wurden damals insbesondere Geflüchtete aus Syrien, denen wohl vor allem aufgrund medialer Berichterstattung großes Leid und ein besonders starker Zwang zur Flucht zugeschrieben wurde. So stimmte auch mit 56 Prozent mehr als die Hälfte der Befragten in der Mitte-Studie 2016 zu, dass sie es gut fänden, dass Deutschland viele Geflüchtete aufgenommen habe. Die Zustimmung zu dieser Aussage sank in der Befragung zur Mitte-Studie 2018/19 schon auf 44 Prozent. In diesen beiden Befragungen wurde noch nicht zwischen unterschiedlichen Gruppen Geflüchteter differenziert.
Im Rahmen der aktuellen Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Titel „Die distanzierte Mitte. Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2022/23“ wurden auch Einstellungen zu unterschiedlichen Gruppen Geflüchteter erhoben. Die Erhebung wurde im Winter vor rund einem Jahr durchgeführt und unter Leitung von Prof. Dr. Andreas Zick vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld im September 2023 veröffentlicht. Jeweils ein zufällig ausgewähltes Drittel der befragten Personen wurde gebeten, eine Einschätzung dazu abzugeben, inwieweit sie es gut fänden, dass Deutschland viele Geflüchtete aus Afrika, Syrien oder der Ukraine aufgenommen hat. Jede befragte Person hat also nur zur Aufnahme einer Gruppe eine Einschätzung abgegeben. Die Angaben lassen sich unmittelbar miteinander vergleichen. Die Bewertung, wie gut es die Befragten finden, dass Deutschland viele Geflüchtete aufgenommen hat, unterscheidet sich deutlich, je nachdem, aus welchen Ländern bzw. Regionen der Welt diese kommen:
35 Prozent der Befragten geben an, es gut zu finden, dass Deutschland viele Geflüchtete aus Afrika aufgenommen habe, indem sie eher oder voll und ganz der entsprechenden Aussage zustimmten. Die Aufnahme von Geflüchteten aus Syrien fanden etwas mehr, nämlich 38,5 Prozent der Befragten nach eigener Auskunft gut. Mit Blick auf Geflüchtete aus der Ukraine begrüßen 62 Prozent der Befragten, und damit deutlich mehr, die Aufnahme in Deutschland. Neben anderen Gründen wie der Aktualität eines Konfliktes und der Wahrnehmung, zur Flucht tatsächlich gezwungen gewesen zu sein, ist die Herkunft der Geflüchteten also offenkundig ganz entscheidend dafür, wie vielen Menschen sie in Deutschland willkommen sind.
Befragte lehnen ganz generell die Aufnahme Geflüchteter in Deutschland eher dann ab, wenn sie auf Vorrechte bei der Behandlung Etablierter pochen, zum Beispiel in Behörden. Dieses Fordern von Vorrang für Etablierte basiert auf der Idee, dass Menschen, die wegen ihrer Herkunft als „alteingesessen“ gelten, Vorrechte gegenüber anderen Menschen haben, die als Neuhinzugekommene und somit als „Fremde“ wahrgenommen werden. Vorrechte Etablierter können über die Abwertung Neuhinzugekommener gerechtfertigt und bewahrt werden. Dies entspricht also einer Strategie mit Mechanismen der Fremdenfeindlichkeit. Hierbei wird häufig auch differenziert, je nachdem, wie sehr fremd oder ähnlich Neuhinzukommende wahrgenommen werden.
Auch geht die Ablehnung der Aufnahme Geflüchteter mit einer Zustimmung zu Aussagen einher, die auf ein tendenziell rassistisches Weltbild schließen lassen. Andere Studien, die sich intensiv mit Unterschieden in Einstellungen und Verhalten gegenüber unterschiedlichen Gruppen Geflüchteter befasst haben, zeigen zudem weitere mögliche Mechanismen auf, die darauf hindeuten, dass Menschen, die bestimmte Geflüchtete eher als andere ablehnen, auch in anderen Bereichen rassistischer denken: Geflüchtete aus der Ukraine erscheinen den Deutschen auf unterschiedlichen Ebenen näher als Geflüchtete aus anderen Ländern und Regionen der Welt. Zu diesen Faktoren gehört auch das Aussehen: Menschen aus der Ukraine haben häufig eine helle Hautfarbe, die derjenigen der etablierten Mehrheit in Deutschland eher ähnelt als diejenige von Geflüchteten aus Ländern wie Afghanistan oder globalen Regionen wie Afrika. Kulturelle und religiöse Nähe zu Geflüchteten aus der Ukraine bzw. Differenzen zu Geflüchteten aus anderen Ländern und Regionen werden ebenfalls häufig angeführt. Die geographische Nähe der Ukraine zu Deutschland ist ebenfalls ein Aspekt, den Befragte dieser anderen Studien oft nennen.
Die in diesem Beitrag skizzierten Unterschiede in den Einstellungen gegenüber Geflüchteten widersprechen klar den Grundsätzen der Gleichbehandlung von Menschen. Es zeigt sich, dass Menschen offensichtlich zwischen Schutzsuchenden erster und zweiter Klasse differenzieren. Es ist daher moralisch verwerflich, wenn Schutzsuchende, die aus Regionen mit vergleichbaren Kriegserfahrungen fliehen, so unterschiedlich behandelt werden. Dies spiegelt aber aktuelle gesellschaftliche und mediale Debatten wider, in denen allzu oft Menschen (mit Fluchtgeschichte) unterschiedlich bewertet werden, je nachdem aus welcher Region sie nach Deutschland geflohen sind.
Jens Hellmann hat an der Universität Bielefeld Psychologie (Diplom) studiert, bevor er für ca. ein Jahr an die University of Aberdeen ging. Seine Promotion schloss er in Bremen ab. Zwischen Herbst 2016 und Frühling 2022 koordinierte er an der Universität Münster die Forschungsinitiative Psychological Aspects of Refugee Integration [PARI]. Im Wintersemester 2021/2022 vertrat er die Professur für Sozialpsychologie mit Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Bremen. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld beziehen sich vor allem auf Ungleichbehandlungen in Institutionen, sowie Intergruppenbeziehungen und Prozesse im Rahmen von Migration und Integration.
Beate Küpper, Prof. Dr. phil., Dipl.-Psych., ist seit 2014 Autorin der FES-Mitte-Studie und Professorin für Soziale Arbeit in Gruppen und Konfliktsituationen an der Hochschule Niederrhein und kooptiertes Mitglied der neu gegründeten Konfliktakademie (ConflictA) an der Universität Bielefeld.
Die im Artikel zum Ausdruck gebrachten Meinungen und Äußerungen der Gastautor_innen spiegeln nicht notwendigerweise die Haltung der Friedrich-Ebert-Stiftung wider.
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Zentrale Genderkoordinatorin
Dr. Stefanie Elies
030 26935-7317Stefanie.Elies(at)fes.de
Redaktion
Dorina Spahn
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