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Wie auch immer man zu TTIP & Co auch stehen mag, europäische Handelsabkommen sind die Zukunft, nationalstaatliche Lösungen die Vergangenheit.
Bild: Bild: Hamburg Hafen Urheber: Jonas Schmid Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0
Daran wird auch der Brexit nichts ändern – außer für Großbritannien selbst.
TTIP erregt die Gemüter schon lange, auch das Pendant mit Kanada, CETA, gerät immer mehr in den Blickpunkt. Wundern kann das nicht: Immerhin geht es bei TTIP um ein Handelsabkommen, welches die größte Freihandelszone der Welt begründen würde.
Bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Brüssel am 16. Juni ging es vor allem um den Investitionsschutz – einen der größten Streitpunkte bei TTIP. Neben weiteren Gästen war auch Bernd Lange, SPD-Europa-Abgeordneter und Vorsitzender des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments (EP), einer der Diskutanten an diesem Tag. Das Themenportal Politik für Europa hatte die Möglichkeit einige Fragen an Bernd Lange zu stellen – dabei ging es darum, was der Brexit für TTIP und für Handelsabkommen allgemein bedeutet.
Herr Lange, kürzlich von Greenpeace veröffentlichte TTIP-Dokumente zeigen, dass hinter verschlossenen Türen vieles geschieht, über das die Öffentlichkeit wenig oder gar nicht informiert wird. Können die Bürger_innen noch Vertrauen haben, dass in ihrem Sinne verhandelt wird?
Bernd Lange: Das Europäische Parlament hat für Transparenz gesorgt, alle europäischen Positionen und die Protokolle der Verhandlungsrunden sind öffentlich. Was die Leaks neues zeigen, sind die amerikanischen Positionen, und dass es bislang wenig Annäherung zwischen Europäern und Amerikanern in diesen Verhandlungen gegeben hat. Von einer Einigung sind wir noch weit entfernt. Zum Zweiten sehen wir hier und in den Protokollen, dass die Europäische Kommission den Forderungen der Amerikaner nicht kleinbeigibt. Das könnten sie auch nicht, denn dann würden wir Europa-Abgeordneten der Kommission die Leviten lesen. Denn wir haben den Verhandlungsführern schließlich klare Leitlinien vorgegeben. Es gibt eine funktionierende demokratische Kontrolle der Verhandlungen und ein selbstbewusstes Europäisches Parlament, das diese Aufgabe sehr ernst nimmt.
Verschiedene Studien zeigen, dass beispielsweise niedrigere Rohstoffpreise von den Unternehmen selten an die Verbraucher_innen weitergegeben, sondern stattdessen die Unternehmensprofite gesteigert werden. Angenommen, die Wirtschaft profitiert von TTIP, wie kann sichergestellt werden, dass dies auch die Verbraucher_innen tun?
Bernd Lange: Das ist ein grundlegendes Problem der Welt in der wir leben. Fragen der Verteilungsgerechtigkeit kann ein Handelsabkommen leider nicht alleine lösen. Verteilungsgerechtigkeit kommt nicht von alleine, sondern muss erstritten werden, Tag für Tag. Dazu gehört Vereinigungsfreiheit und kollektives Verhandeln. Deshalb sind für mich die Ratifizierung und Umsetzung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO als universelles Arbeitnehmergrundgesetz zentral, und das muss in einem Handelsvertrag vereinbart werden.
Eines der umstrittensten Themen ist die Frage der privaten Schiedsgerichte. Nun ist herausgekommen, dass die USA die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Investoren-Gerichte ablehnen. Werden nun doch private Schiedsgerichte kommen?
Bernd Lange: Dass die USA mit harten Bandagen verhandeln, war von Anfang an klar. Von daher sollte die Ablehnung des neuen europäischen Systems niemanden überraschen. Genauso klar ist aber auch, dass die Zeit der intransparenten privaten Schiedsstellen endgültig vorbei ist. Einen Schritt zurück wird es mit dem EP bei TTIP nicht geben. Eher wird es ein Abkommen ohne besonderen Investitionsschutzmechanismus geben.
Die mögliche Unabhängigkeit von europäischen Handelsverträgen hat ja im Vereinigten Königreich eine Rolle gespielt. Welche Auswirkungen wird der „Brexit“ auf die Verhandlungen haben?
Bernd Lange: Unsere europäischen Positionen für ein gutes Handelsabkommen bleiben natürlich unberührt. Allerdings wird sicherlich das Vereinigte Königreich aus den Verhandlungen ausscheiden und man muss die Mandate überprüfen, ob die Balance noch stimmt. Die über 30 Handelsabkommen der EU müssen geändert werden. Gegebenenfalls müssen wir mit dem Vereinigten Königreich einen Handelsvertrag abschließen und UK müsste eigene Handelsverträge mit Partnern, etwa Kanada schließen. Ob all dies besser für das Vereinigte Königreich sein wird, sei dahingestellt.
Generell gilt es aber noch einmal über die Notwendigkeit einer gemeinsamen Handelspolitik nachzudenken. Denn ein Staat, zumal ein kleiner, kann alleine wenig bewirken in der globalisierten Welt, hier ist Solidarität gefragt. Die EU mit ihrem großen Binnenmarkt hat gegenüber einem Drittstaat eine viel bessere Verhandlungsposition als ein einzelner Mitgliedstaat für sich alleine. Wir haben einen Binnenmarkt und gemeinsame europäische Werte, ein nationales Abkommen hätte immer Rückwirkungen darauf und auf die Wirtschaft aller anderen. Hohe Standards und fortschrittliche Regeln aus Handelsabkommen sollten allen zu Gute kommen. Das Mitarbeiten in internationalen Organisationen wie der WTO sollte gemeinschaftlich geschehen. Gute Handelspolitik sollte nicht mehr von nationalstaatlichen Einzel- und Sonderinteressen bestimmt sein, sondern zum Wohle aller ausgerichtet werden. All dies wird von vielen rechtspopulistischen Kräften in Frage gestellt. Auch hier gilt, nicht Europa, nicht die gemeinsame Handelspolitik ist das Problem, sondern der wachsende Nationalismus.
Veranstaltung: Investment Protection in TTIP - A real step forward or still privileged rights questioning democracy? am 16. Juni 2016, Brüssel
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Redaktion
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