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Lesung und Diskussion zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen
moderiert von Miriam Mona Mukalazi, Politikwissenschaftlerin Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Jede dritte Frau in Deutschland ist mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen. Etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch ihre*n aktuellen oder früheren Partner*in. Wie können wir die Wut darüber als Mut zur Veränderung nutzen? Die Autorin und Journalistin Ciani-Sophia Hoeder ist dieser Frage nachgegangen, und nennt in ihrem Buch „Wut & Böse” die Gründe für diese Schieflage.
„Sie war eine laute hysterische Frau. Ich lernte, dass Frauen nicht wütend sein dürfen“, zitiert Hoeder eingangs aus ihrem Buch. Die Situation, die sie beschreibt, findet in einem Supermarkt statt. Ihre Mutter hat zu viel bezahlt, sie beschwert sich, sie regt sich auf, sie wird wütend – und wird fortan nicht mehr ernst genommen. Für Hoeder ein Schlüsselmoment in ihrem Leben, der sie bis heute bewegt. Im FORUM am Kölner Neumarkt liest sie auf Einladung des Landesbüros NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Volkshochschule Köln aus ihrem aktuellen Buch. Sie analysiert darin die Situation von weißen und Schwarzen Frauen in der heutigen Zeit und welche Rolle Wut spielt – oder spielen sollte. Sie berichtet von Erlebnissen, zitiert Studien und argumentiert im Wesentlichen, dass Wut ein Privileg einiger weniger, meist männlicher Menschen ist und das, obwohl Wut dazu geeignet ist, neue Entwicklungen anzustoßen oder zumindest voranzubringen.
„Ich habe die Emotion Wut analysiert in Bezug auf Gender. Ich selbst habe eine schlechte Beziehung zu meiner Wut gehabt – ich habe immer nur gesagt ‚ich bin traurig‘ oder ‚ich bin enttäuscht‘“, sagt Hoeder. „Bei meiner Recherche konnte ich feststellen, dass es vielen weiblichen Personen so geht. Wenn man Muster findet, gibt es meist eine größere Struktur dahinter und einen Grund. Und darüber habe ich ein Buch geschrieben.“ Und sie stellt klar, dass es ihr nicht um Frauen im biologischen Sinne gehe, sondern um das „was wir soziokulturell unter Frau und Mann verstehen. Dazu zählt eben auch, dass Wut als unweiblich verstanden wird oder Trauer als unmännlich.“ Dabei argumentiert sie bereits im Vorwort ihres Buches, dass Wut ein cis-männlich, überwiegend heterosexuelles Phänomen sei. Wut werde demjenigen zugetraut, der privilegiert aussehe. „Wut ist nicht sexy. Sie wird mit Yoga wegmeditiert.“ Doch Wut ließe sich nicht wegmeditieren. Denn obwohl Selbstfürsorge essentiell sei, führe dies bei Wut auf die falsche Spur: „Die Person, die unter dem strukturellen Problem leidet, dass wir Frauen in der Gesellschaft keine Wut zugestehen, fühlt sich dann schlechter. Wir vermitteln ihr das Gefühl, sie wäre selbst daran schuld.“ So werde außerdem das strukturelle Problem kleiner gemacht und auf die persönliche Ebene reduziert.
Wütende Schwarze Frauen – ein kolonialistisches Feindbild
Es gibt ein Bild, das im Kontext wütender Frauen immer wieder eine Rolle spielt: die „angry black woman“. Ciani-Sophia Hoeder widmet diesem Stereotyp einen Teil ihres Buches. „Das Bild der grundlos wütenden Schwarzen Frau ist ein kolonialistisches Bild und eines, das mit der amerikanischen Popkultur auch Europa erreichte“, berichtet sie. „Mit dem Bild der ‚angry black woman‘ wurde lange Zeit Gewalt gegen Schwarze Frauen legitimiert. Man glaubte, man müsse die wütende Schwarze Frau zähmen.“ Ein solches Bild könne in einer von weißen Männern geprägten Gesellschaft – einem sogenannten White Male System (WMS) - schnell als Feindbild entstehen und als solches vielfältig genutzt werden.
Doch es gebe weitere stereotype Bilder, die sich in WMS geprägten Gesellschaften stetig wiederholten, sagt Hoeder: die wütende lesbische Frau ebenso wie die wütende dicke Frau. „Es gibt eine tiefe kulturelle Angst vor der Wut von Frauen.“ Damit ließe sich die Frage, wer im WMS nun konkret das Privileg genieße, wütend sein zu dürfen, auch recht schnell beantworten. Hoeder verdeutlicht dies anhand eines Bildes: „Wer darf im Büro wütend sein? Der Chef. Er ist derjenige, der es sich leisten kann, wütend zu sein.“ Aus wissenschaftlicher Perspektive bilden die verschiedenen Identitäten, die jeder Mensch in sich trägt, den Rahmen für dessen gesellschaftliche Stellung. „Und damit entscheidet sich, wieviel Wut wir in welchen Situationen haben dürfen.“ Übersetzt man dieses Konzept der Intersektionalität auf die konkrete Situation: In seiner Identität als „Chef“ ist der Person Wut erlaubt, erst recht, wenn sich dies mit der Identität als weißer cis-Mann kombiniert. Frauen jedoch, die sich in der Gesellschaft oft immer noch in der Rolle des „schwächeren Geschlechts“ wiederfinden, Opfer sexueller Übergriffe und Gewalt werden, wird diese Wut nicht zugestanden. „Wo ist die Empörung“, fragt Hoeder zum Ende der Veranstaltung. „Warum ist die Gesellschaft nicht außer sich und tobt und ist einfach wütend darüber?“
Felix Winnands
Anmerkung:
Schwarz wird großgeschrieben, um zu verdeutlichen, dass es sich um ein konstruiertes Zuordnungsmuster handelt, und keine reelle „Eigenschaft“, die auf die Farbe der Haut zurückzuführen ist. So bedeutet Schwarz-sein in diesem Kontext nicht nur, pauschal einer „ethnischen Gruppe“ zugeordnet zu werden, sondern ist auch mit der Erfahrung verbunden, auf eine bestimmte Art und Weise wahrgenommen zu werden.
(Quelle: Jamie Schearer, Hadija Haruna, Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD), Über Schwarze Menschen in Deutschland berichten, Blogbeitrag, 2013, https://isdonline.de/uber-schwarze-menschen-in-deutschland-berichten/)
Bild: von https://www.hanser-literaturverlage.de/autor/ciani-sophia-hoeder/
Zentrale Genderkoordinatorin
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Redaktion
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