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Hungerpandemie nach Konflikt, Klima und Corona

30% der Weltbevölkerung leidet unter Lebensmittelknappheit. Die Ursachen sind vielfältig. Paula Tacke, Praktikantin beim IPG-Journal analysiert die drei wichtigsten.

Madagaskar kämpft gerade mit der schlimmsten Dürre seit 40 Jahren. Über eine Million Menschen sind dort vom Hungertod bedroht. Allein in den letzten vier Monaten hat sich dort der Index für Unterernährung bei Kindern verdoppelt, wodurch inzwischen jedes sechste Kind gefährdet ist. Doch nicht nur Madagaskar kämpft gegen den Hunger, weltweit ist die Zahl der Menschen, die hungern im letzten Jahr rasant in die Höhe gestiegen. Inzwischen hat die Lebensmittelknappheit bereits mehr als 30% der Weltbevölkerung fest im Griff.

Der Teufelskreis aus Hunger und Krieg

Die Kombination aus sich ständig verschärfenden zwischen- oder innerstaatlichen Konflikten, den Konsequenzen des Klimawandels und den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise haben für Chaos gesorgt und die Situation der Bevölkerung, insbesondere in weniger entwickelten Ländern, weiter verschlechtert.

Da in Konfliktregionen weniger Lebensmittel angebaut werden können, verschärfen sich die dortigen Verteilungskämpfe weiter. Viele Menschen fliehen aus diesen Regionen und müssen ihre Heimat und ihre Existenzgrundlage zurücklassen und sind somit auf Unterstützung angewiesen. Doch auch Hunger treibt Krieg immer wieder an, da die Bevölkerung im Wettbewerb um die knappen Ressourcen zueinandersteht – ein endloser Teufelskreis zwischen Hunger und Krieg.

Nicht umsonst hat das Welternährungsprogramm der UN 2020 den Friedensnobelpreis für seine Arbeit erhalten. Ziel ist es, jedem Menschen sein Recht auf ein Leben in Frieden und ohne Hunger zu gewähren und den Einsatz von Hunger als Waffe in Kriegen und Konflikten zu verhindern. Gleichzeitig warnt die Organisation aber auch schon vor dem nächsten Jahr, denn die wirtschaftlichen Folgen von Corona werden die Zahl der an Hunger Leidenden extrem erhöhen – sie prognostizierte einen Anstieg von 82%. „Klimaschocks und wirtschaftliche Probleme haben das Leid dieser Menschen weiter verschlimmert. Und jetzt drängt eine globale Pandemie mit brutalen Auswirkungen auf die Wirtschaft und Gemeinschaften Millionen weitere an den Rand des Hungertods“, so David Beasley, Exekutivdirektor des World Food Programms.

Hunger und Corona

Die Folgen der Pandemie sind nicht zu unterschätzen, gerade wenn es um ein so wichtiges Grundbedürfnis wie Nahrung geht. Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, wie Lockdowns und Grenzschließungen, führten zu einem akuten Mangel an Saisonarbeitskräften, Engpässen oder Unterbrechungen in der Lebensmittelversorgungskette und zahlreichen anderen Störungen. Die Währungsabwertung und Inflation bei wichtigen landwirtschaftlichen Betriebsmitteln wie Düngemitteln und Saatgut resultieren in höheren Lebensmittelpreisen. Hier spielt auch der verzerrte Welthandel eine Rolle, denn weniger entwickelte Länder können mit den Preisen nicht mehr mithalten. Hinzu kommt das pandemiebedingte verringerte Einkommen mit dem plötzlich viele über die Runden kommen müssen – da muss auch am Essen gespart werden. Obwohl die Nahrungsmittelknappheit die ärmeren Länder der Welt stärker betrifft, hat die „Hungerpandemie“ auch die entwickelten Länder erreicht, vor allem die sozial schwächeren Haushalte – und das in einer Welt des Überflusses. Die Konsequenzen werden auch noch in den nächsten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten spürbar sein.

Klimawandel und Lebensmittelknappheit

Auch die Klimakrise hat die Situation in den letzten Jahren verschärft und wird dies in der Zukunft noch tun. Immer wieder werden Hitzerekorde verzeichnet und die Anzahl an extremen Wetterereignissen und ihr Ausmaß nimmt stark zu. Das zunehmend stärker werdende La-Niña-Phänomen sorgt immer wieder für schwere Dürren in Teilen Südamerikas. Vor allem Brasilien ist schwer betroffen, aber auch die USA haben die Dürre und Trockenheit zu spüren bekommen. Das hat weitreichende Konsequenzen für den Weltmarkt, denn die betroffenen Regionen sind Großexportanten von Mais, Weizen und Sojabohnen. Eine schrumpfende Ernte spiegelt sich also in den steigenden globalen Getreidepreisen wider, etwa in den Maispreisen, die sich im letzten Jahr mehr als verdoppelt haben. In wirtschaftsstarken Ländern wie Deutschland hat der Anstieg in den meisten Fällen keine gravierenden Folgen. In Schwellen- und Entwicklungsländern hingegen sind die Verbraucher unmittelbarer von Preisanstiegen betroffen. Mit der Pandemie wird die Inflation der Lebensmittelpreise noch verheerender und führt zu einem klaren Rückschritt der Bemühungen zur Bekämpfung des Hungers.

Auch die aktuellen Brände in Südeuropa werden zur Lebensmittelknappheit beitragen, denn agrarische Flächen und landwirtschaftliche Betriebe werden von den Feuern zerstört.  Sollten sie – wie erwartet – auch Spanien und Frankreich erreichen, beides Länder mit großer landwirtschaftlicher Bedeutung, wird dies auch in den Supermärkten in ganz Europa spürbar sein.

Die kürzlichen Überschwemmungen in Deutschland haben neben vielen Todesopfern auch Pflanzen und Ernten zerstört. Schon jetzt haben sich die Ernteprognosen für das nächste Jahr verschlechtert. Damit werden auch regionale Produkte zukünftig teurer.

Die Lebensmittelknappheit verschärft sich immer weiter. Während die Klimakrise die eigentliche Verfügbarkeit der Lebensmittel reduziert und damit die Preise für Lebensmittel ansteigen lassen wird, treiben die wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie sowohl die Produktions- als auch die Verbraucherpreise noch weiter in die Höhe, während gleichzeitig die Einkommen der Menschen auf Grund der Coronakrise vielfach gesunken sind. Wie in so vielen Bereichen sind auch hier vor allem die auf Grund ihrer sozio-ökonomischen Situation verwundbaren Gruppen die Leidtragenden. In Entwicklungs- und Schwellenländern sind diese Entwicklungen schon unmittelbar sichtbar, und das lässt die verschärften Krisen außen vor! Aber auch in der westlichen Welt sind die vulnerablen Gruppen, die prozentual am meisten ihres Einkommens für Grundbedürfnisse u.a. Lebensmittel ausgeben, stark betroffen.

Die Rolle der UN

Der Zugang zu Nahrungsmitteln ist ein grundlegendes Menschenrecht, das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN verankert ist und durch Völkerrecht und nationales Recht geschützt ist. Der Kampf gegen den Hunger ist ein wichtiges Ziel in der UN-Agenda für nachhaltige Entwicklung und Ernährungssicherheit und spielt eine entscheidende Rolle für das Erreichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung. Es stellt sich die Frage, ob die Weltgemeinschaft die großen Zusammenhänge noch beachtet, sie nicht sehen will oder ob sie schon aufgegeben hat. Denn sowohl die Pandemie, als auch der Klimawandel sind ganz entscheidende globale Probleme, die auch auf dieser Ebene bekämpft werden müssen. Internationale Zusammenarbeit und weltweite Partnerschaft und zwar nicht nur zwischen den Ländern des globalen Nordens sind gefragt und ein Blick auf alle Menschen, die sonst so einfach übersehen und übergangen werden.

Zentrale Genderkoordinatorin

Dr. Stefanie Elies

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Redaktion

Dorina Spahn

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